Korruption:Kartenhaus vor dem Einsturz

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Das mächtige kuwaitische Sportnetzwerk erstreckt sich bis zum internationalen Schwimmverband.

Von Thomas Kistner

In Zürich und Lausanne geht alles den gewohnten Gang. Der Fußball-Weltverband verschickte soeben die Agenda für den Kongress am 11. Mai in Bahrain; der Chef des Internationalen Olympischen Komitees, Thomas Bach, traf den Russland-Dopingermittler Richard McLaren und ließ das Übliche verbreiten: Man habe "sehr konstruktive und fruchtbare" Gespräche geführt. Gewiss. Dabei hatte McLaren erst am Samstag im ZDF-Sportstudio stark bezweifelt, dass die Kommerz-Institution IOC überhaupt gewillt sei, das Doping-Problem rigoros zu bekämpfen.

Der Fortgang des Tagesgeschäfts trotz der jüngsten Korruptionsmeldungen aus den USA illustriert die Verdrängungskraft im Sportbusiness. Dass US-Justiz und FBI gerade einen weiteren Fifa-Spitzenfunktionär, Richard Lai, zur Strecke und vier weitere "Mitverschwörer" in den Fokus gebracht haben? Die Verbände geben sich unbeeindruckt. Tatsächlich aber herrscht längst großes Zittern, Angst geht um in den inneren Zirkeln, die Drähte glühen rund um den Globus. Denn für Fifa und IOC birgt Lais Sündenfall enorme Bedrohungen. In der Fifa weiß niemand, was der Asien-Vertreter aus Guam dem FBI alles gebeichtet hat; man weiß aber, dass Lai bis zum vergangenen Freitag in dem Gremium saß, das die Finanzpolitik der Fifa-Spitze überwacht: Im Audit&Compliance-Komitee.

Nun rückt auch die WM-Vergabe an Katar in den Fokus

Dort erlebte er selber mit, wie Fifa-Boss Gianni Infantino 2016 den kritischen Komitee-Chef Domenico Scala (Schweiz) abservierte - und wie glatt es seither mit dem neuen Stabschef Tomas Vesel (Slowenien) läuft. Die neue Verbindung ist so gut, dass in Bahrain die Saläre der Fifa-Granden kräftig angehoben werden sollen - trotz der miesen Finanzlage, der Fifa laufen die Sponsoren davon. Ob diese Aufstockung noch ein Kongressthema sein wird, zählt nun zu den spannenden Fragen.

Daneben stellt sich just in Bahrain die große Asien-Frage, Fifa-Gate hat den nächsten Kontinent erreicht. Und mit dem Rückzug des einflussreichen Kuwaiters Ahmad Al-Sabah, der in der US-Anklage als "Mitverschwörer Nummer zwei" identifizierbar ist und 850 000 Dollar Schmiergeld an Lai bewilligt haben soll, droht das gewaltige Kartenhaus des Scheichs einzustürzen. Al-Sabah ist nicht mehr im Fifa-Vorstand. Sein enger Getreuer, der Kongress-Gastgeber Scheich Salman aus Bahrain, führt zwar noch den Asien-Verband AFC, aber auch er ist schon angeknockt. Salman und al-Sabah waren bisher die stärksten Unterstützer der WM 2022 in Katar. Aber nun wird auch das Emirat zur Zielscheibe globaler Ermittlungen. Die Untersuchung dieser WM-Vergabe wird intensiviert; Frankreichs Behörden wollen nach SZ-Informationen in Kürze den aus dem Fußball verbannten Ex-Fifa-Vize und bekennenden Katar-Wähler Michel Platini vernehmen.

Daneben beginnen die US-Ermittlungen zu Lais "Mitverschwörern" erst, Geldflüsse über Banken in den USA über Kuwait, Katar bis Hongkong sind schon enttarnt. Einer aus dem Verdächtigen-Quartett ist Mohamed Bin-Hammam, lebenslang gesperrter Fifa-Vize aus Katar, die anderen drei sind aus Kuwait. Neben dem allmächtigen Sportboss al-Sabah, der alle Vorwürfe bestreitet, lässt sich aus der US-Anklage auch Nummer drei identifizieren: Husain Al-Musallam, rechte Hand des Scheichs. Al-Mussalam ist Generaldirektor des von al-Sabah regierten Olympic Council of Asia (OCA) und sitzt auch im Komitee für Olympische Solidarität, das gleichfalls al-Sabah lenkt. Dort schützt und stärkt das kuwaitische Duo die Werte des Sports. Überdies ist al-Mussalam erster Vizepräsident des Schwimm-Weltverbands Fina. Mit ihm und al-Sabah - dem Königsmacher bei Thomas Bachs Thronkür, Herrn über den eine halbe Dollarmilliarde schweren IOC-Entwicklungstopf sowie die nationalen Olympiakomitees weltweit (Anoc) - besteht aus Sicht des Ringe-Clans ein erkennbar großer Redebedarf. Gemerkt hat man davon noch nichts. Das in Kuwait residierende OCA wies sogleich alle Vorwürfe gegen al-Sabah und al-Mussalam zurück - wie konnte es die Vorwürfe so rasch überprüfen?

Die US-Justiz teilt mit, sie werde die Zahlungen der "Mitverschwörer" durch alle Finanzsysteme und Offshorebereiche verfolgen: "in Asien, Mittelost und um den Globus".

© SZ vom 04.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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