Ivica Olic:Kämpfen, kratzen, schweigen

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Ivica Olic zählt zum verdienten Bundesliga-Personal, jetzt deutet sich sein Abschied nach Amerika an.

Von Stefan Rommel, Hamburg

Manchmal genügt eine Szene, um die Bedeutung eines ganzen Jahres zu erfassen. Ivica Olic wirkte seit einigen Minuten auf dem Feld mit, das Spiel seines Hamburger SV gegen den FC Augsburg drohte einzuschlafen. Die Hamburger arbeiteten sich kurz vor Schluss an einem 0:1-Rückstand ab, die Fans begleiteten die Versuche ihrer Mannschaft mit erstaunlicher Fassung. Fast so, als hätten sie sich längst damit abgefunden, dass dieses verrückte Hamburger Jahr zum Abschluss nichts anderes für sie parat haben könnte als eine weitere schmerzhafte Niederlage.

Olic stand also wenige Meter vor dem Augsburger Tor, als ihm der Ball auf seinen starken linken Fuß fiel. Es gab Zeiten, da hätte Olic, mittlerweile 36, eine derartige Chance mit verbundenen Augen verwertet. Dieses Mal holte er aus, schwang das Schussbein durch - und streichelte den Ball hauchzart. Augsburgs Keeper Marwin Hitz musste sich kaum bewegen, um das Spielgerät in Empfang zu nehmen.

Olic will noch einmal ein großes Turnier erleben - als Spieler

Vor elf Monaten war Olic zum zweiten Mal nach Hamburg gewechselt. Für den VfL Wolfsburg war er damals nicht mehr gut genug, die Wölfe zogen es vor, mit Olic noch einmal zwei Millionen Euro zu erlösen. Den HSV sollte er dann vor dem Abstieg retten. Das klappte dann auch, allerdings war sein Einfluss eher ideeller Natur.

In der Rückrunde der vergangenen Saison durfte er noch regelmäßig von Beginn an mitwirken, erzielte dabei immerhin zwei Tore. Für die Fans war er ein Anker, einer der wenigen Hoffnungsträger in einer finsteren Zeit. Mit Beginn der laufenden Spielzeit war Olic dann aber auch bei Bruno Labbadia nicht mehr Mitglied der Stammformation.

Kein einziges Mal stand er in der Startelf, acht Mal wurde er eingewechselt. Sie besingen den Kroaten in Hamburg noch immer, lauter als keinen anderen Spieler. Aber Olic ist letztlich auch Fußballspieler, und als dieser ist er unzufrieden mit seiner Rolle. Olic will zum Abschluss seiner Karriere unbedingt noch einmal ein großes Turnier spielen. In diesem Fall bietet sich die Europameisterschaft im kommenden Jahr an. Dafür muss er spielen, beim HSV scheint das nicht möglich zu sein.

Zum Abschied in die Major League Soccer?

Das Spiel in der Bundesliga ist offenkundig zu rasant geworden für ihn. Er rennt, kämpft und kratzt noch immer mit großer Wucht, in den entscheidenden Aktionen fehlen dann aber doch Ruhe und die Präzision. Deshalb sind sowohl Olic als auch sein Arbeitgeber offenbar zu der Übereinkunft gekommen, dass der Vertrag vor dessen Ende am 30. Juni aufgelöst werden soll.

Olic selbst wollte sich nach der Partie nicht äußern, auch HSV-Trainer Labbadia blieb in seinen Formulierungen schwammig. Es deutet sich ein recht stiller Abgang an nach zehn wuchtigen Jahren und 237 Spielen für den HSV, Wolfsburg und die Bayern. Aus der Major League Soccer sollen mehrere Klubs interessiert sein.

© SZ vom 20.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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