Italien:Tausendmal gezwinkert

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Böllerwürfe überschatten sein Rekordspiel, doch was sagt der große Torwart Gianluigi Buffon? "Ich habe mich nicht erschreckt." Eine Würdigung.

Von Thomas Gröbner, Palermo/München

Die Vermesser des Fußballs haben am Wochenende beim Länderspiel Italien gegen Albanien eine bemerkenswerte Zahl notiert. 1000. So oft stand Gianluigi Buffon im Tor, in 432 dieser Spiele blieb er dabei unüberwindbar. Der 2:0-Sieg im WM-Qualifikationsspiel war sein 168 Länderspiel, eine europäische Bestmarke. Das Rekordspiel musste unterbrochen werden, weil Unverbesserliche mit Böllern warfen. "Aber ich habe mich nicht erschreckt", sagte Buffon. Natürlich nicht.

Denn was könnte ihn noch überraschen? Buffon war schon da, als bei der WM 1998 im deutschen Sturm noch der semmelblonde Jürgen Klinsmann und der schnauzbärtige Olaf Marschall den weiten Bällen von Lothar Matthäus nachhechelten und Berti Vogts' Mannschaft im Viertelfinale von den Kroaten mit 0:3 gedemütigt wurden.

Gigi Buffon war da, als viele andere Größen den Platz für immer verließen. Wie Zinedine Zidane, als der nach seinem Kopfstoß mit gesenktem Haupt das Feld verließ und Buffon ihn aufrichtete. Buffon ist Weltmeister, siebenfacher italienischer Meister, UEFA-Pokal-Sieger, achtfacher Torhüter des Jahres in Italien. In seiner Titelsammlung fehlen ihm noch die Europameisterschaft und vor allem der lang ersehnte erste Triumph in der Champions League mit Juventus Turin.

Der Superman des italienischen Fußballs: Gianluigi "Gigi" Buffon bedankt sich bei den Fans. (Foto: Alberto Pizzoli/AFP)

Wer die Panini-Bilder nebeneinander legt, die Buffon selbst angeblich liebevoll sammelt, der wird sehen: Es steckt viel vom 17-jährigen Buffon in diesem Mann, der bald vierzig Jahre alt wird. Die ewig gleiche Frisur, das jetzt graue Strähnen durchzieht, die ewig gleichen Paraden. Die Welt um Buffon mag sich ändern, das Torwartspiel, das man heute modern nennt, ist ihm immer noch ein wenig fremd. Er schimpft, dass ein Torwart heute nur danach bewertet werde, was er mit dem Ball am Fuß kann. Buffon ist der, der immer die Hand irgendwie an den Ball bringt. Der waagrecht in der Luft liegt, sich dann aufrappelt, und seinen Abwehrspielern zuzwinkert. In den größten Momenten, da zwinkert er einfach. Weil ihm alles leicht zu sein scheint.

Doch das stimmt nicht. "Eine dunkle Zeit" habe er erlebt, er habe vor mehr als zehn Jahren monatelang an Depressionen gelitten. "Eigentlich habe ich einen sonnigen Charakter, entdeckte mich dann aber fragiler als ich zu sein glaubte." Marilyn Monroe habe falsch gelegen, als die Diva sagte: "Besser in einem Rolls Royce zu weinen als in einer überfüllten Straßenbahn." Sein Geld steckt Buffon lieber in seine Heimat als in Luxus. Seinen Heimatverein Carrarese Calcio rettet er vor den Konkurs, seit 2012 ist er alleiniger Eigentümer. Besäße er wie andere einen Hubschrauber, könnte er mehr Partien sehen, sagt Buffon.

Mille grazie: Buffon und Italiens Verbands-Direktor Michele Uva. (Foto: Claudio Villa/Getty Images)

Denn Buffon will weiter machen, auch bei der WM 2018 in Russland will er im Tor der Squadra Azzurra stehen. Obwohl Franz Beckenbauer ihn schon vor zehn Jahren einen "Rentner" nannte, als die Bayern gegen Juventus in der Champions League 2:0 gewannen, Buffon sich zu den Gegentreffern schuldig bekannte und eine italienische Satiresendung ihm Pantoffeln und einen Morgenrock schenkte.

Immer wieder gab es Torhüter, die sein Erbe antreten sollen. Der aktuelle Anwärter heißt Gianluigi Donnarumma, er ist nicht einmal halb so alt wie Buffon. Ein wenig muss der noch warten. "Vielleicht beende ich meine Karriere ja auch wie Zinedine Zidane: mit einem schönen Kopfstoß", sagte Buffon vor Kurzem im italienischen Fernsehen. "Aber ich habe ja noch ein bisschen Zeit, mir darüber Gedanken zu machen."

© SZ vom 26.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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