Hockey:Die Ruhe des Dirigenten

Lesezeit: 2 min

Den Umbruch des Nürnberger HTC leiten die Routiniers Christopher Wesley und Maximilian Müller an - Letzterer leitet teilweise sogar das Training. Es geht nun darum, sich möglichst weit von den Abstiegsplätzen zu entfernen.

Von Johannes Holbein

20 Sekunden. Länger war es nicht. 20 Sekunden dauerte diese eine Szene im Hockey-Derby zwischen dem Nürnberger HTC und dem Münchner SC. In dieser einen Szene führte der Nürnberger Kapitän Maximilian Müller den Ball an der Mittellinie. Er hatte Platz, hob seinen Blick, sah seinen Mitspieler Christopher Wesley. Müller spielte einen Pass, 30 Meter, quer durch die Münchner Hälfte, zu Wesley. Der stoppte den Ball und schob ihn ins Tor. 1:0.

20 Sekunden, die zeigen, warum Nürnberg mit 15 Punkten auf dem siebten Platz der ersten Liga steht, im Mittelfeld, und warum München nur vier Punkte hat, Tabellenletzter ist, auf dem Weg in die zweite Liga. 20 Sekunden in der ersten Hälfte des Derbys am Samstag, das Nürnberg 3:1 gewann. Ein Tor, das die Richtung des Spiels wies, herausgespielt von den Nürnberger Führungsspielern Maximilian Müller und Christopher Wesley, beide 27 Jahre alt. "Spieler dieses Formats darf man nicht so spielen lassen", sagte der Münchner Trainer Benjamin Lang nach der Partie. Das war die eine Aussage. Die andere war: "Wir haben diese Spielentscheider nicht."

Die Münchner haben keinen Müller, der das Spiel ordnet, der wie ein Dirigent mit seinen Armen zeigt, wer wo hinzulaufen hat, der seine Mitspieler motiviert. Und der dann einen entscheidenden Pass spielt. Die Münchner haben auch keinen Christopher Wesley. Der flinke Dribbler zieht immer zwei Gegenspieler auf sich, er reißt Lücken in die gegnerische Abwehr. Und wenn für einen Augenblick kein Gegenspieler bei ihm ist, dann trifft er. Nürnbergs Trainer Norbert Wolff sagt über die beiden: "Sie machen den Qualitätsunterschied aus." Auf und neben dem Platz.

Zusammen kommen Max Müller und Christopher Wesley auf mehr als 200 Länderspiele

Der Nürnberger HTC befindet sich in einer "Entwicklungssaison", wie Wolff sie nennt. Es gehe darum, möglichst früh einen großen Vorsprung zu den Abstiegsplätzen herauszuspielen, um dann die jungen Talente an das Team heranzuführen. Müller und Wesley spielen dabei eine wichtige Rolle. Sie sind erfahren, haben zusammen mehr als 200 Länderspiele gemacht. 2012 standen sie in London auf dem Feld, als die deutsche Nationalmannschaft im Finale gegen die Niederlande 2:1 gewann und Olympiasieger wurde. Diese Erfahrungen geben sie an die jungen Spieler weiter, helfen ihnen, den Einstieg in die Bundesliga zu finden. Müller leitet sogar Teile des Trainings. "Er erklärt den jungen Spielern zum Beispiel, wie man gegen eine Flanke stehen muss", sagt Wolff.

Joschua Kastner ist einer dieser jungen Spieler. Gegen München machte der 17-Jährige Stürmer "eine sehr gute Partie", sagt Wolff. Die anderen Talente hat der Trainer nicht eingesetzt. "Ich hatte ein wenig Bedenken, dass sie in so einem wichtigen Spiel zu unerfahren sind." Aber die Spiele werden kommen, in denen der 16-jährige Verteidiger Fin Kerckhoff seine Chance bekommt. Er ist Jugend-Nationalspieler. Wolff sagt über ihn: "Ein sehr interessanter Spieler." Ein anderer ist Fritz Bernet, ebenfalls 16 Jahre alt und Stürmer. "Er ist technisch sehr weit", sagt Wolff.

Müller hat kürzlich seine Karriere bei der Nationalmannschaft beendet. Für die Nürnberger wird er aber auch noch in der nächsten Saison spielen. "Er ist fit wie nie, wir sind froh, dass er da ist", sagt sein Trainer. Wesley wird mindestens bis zu den Olympischen Spielen 2016 in Rio für Nürnberg Tore schießen. Was danach passiert, ist noch nicht geklärt. Solange sollen die beiden die Mannschaft führen, in der kommenden Saison am besten in die oberen Tabellenregionen. "Wir wollen immer näher oben ran kommen", sagt Wolff.

Angst habe er nicht, wenn Müller und Wesley irgendwann nicht mehr für Nürnberg spielen. Dann müsse sich die Mannschaft neu sortieren. "Aber das hat noch etwas Zeit." Eine gewisse Erleichterung ist dem Trainer bei diesem Satz dennoch anzumerken.

© SZ vom 14.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: