Handballer Michael Kraus:Abitur statt Comeback

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Absage mit Wehmut: Michael Kraus, hier noch im Trikot des HSV Hamburg. (Foto: REUTERS)

Lange hat der Handballer Michael Kraus auf seine Rückkehr in der Nationalmannschaft warten müssen. Nun wäre es so weit gewesen, doch der 29-Jährige muss absagen - weil er mitten in seinen Abiturprüfungen steckt. Kraus' Planung zeigt, dass sich die Lebenswege von Fußballern und anderen Spitzensportlern nach wie vor deutlich unterscheiden.

Von Carsten Eberts, Hamburg

Der Handballer Michael Kraus hat in der vergangenen Woche viel gefeiert, etwa am Sonntagnachmittag auf dem Hamburger Rathausmarkt. Da entblößte sich Kraus vor 8000 Fans zu Joe Cockers "You can leave your hat on" bis auf die Unterhose, tanzte unter dem Gejohle des Publikums den bronzenen Champions-League-Pokal an, den er eine Woche zuvor mit dem HSV Hamburg gewonnen hatte.

Michael Kraus, genannt "Mimi", ist dies wirklich zu gönnen. Für Kraus war es nicht immer einfach in seiner Karriere: Er hat schwierige Phasen hinter sich, spielte häufig nicht so gut, wie er konnte, galt als unvollendetes Genie. Häufig stand er sich auch selbst im Weg. Sein letzter Auftritt in der Nationalmannschaft ist zwei Jahre her.

Die vergangene Woche tat Kraus deshalb außerordentlich gut. Erst der überraschende Champions-League-Sieg mit dem HSV Hamburg, bei dem Kraus im Finale gegen Barcelona eine wichtige Rolle spielte. Dann die große Feier mit den Fans zum Saisonabschluss. Zwischenrein platzte die Nominierung für die Länderspiele der Nationalmannschaft gegen Montenegro und Israel. Kraus war endlich wieder obenauf - dort, wo er auch hingehört. Schließlich gibt es kaum einen Handballer, der mit größerem Talent gesegnet ist.

Die wichtigen Spiele mit der Nationalmannschaft, bei denen es am Mittwoch (in Montenegro) und Samstag (gegen Israel) um die EM-Qualifikation geht, hat Kraus trotzdem abgesagt. Aus einem besonderen Grund: Kraus, der im September 30 Jahre alt wird, steht kurz vor seinen Abiturprüfungen. Ihm blute das Herz, erklärte Kraus, aber: "Ich habe mich total über den Anruf des Bundestrainers gefreut und wollte unbedingt spielen. Doch ich habe zwei Jahre lang hart für dieses Abitur gearbeitet, und das will ich jetzt auch durchziehen."

Kraus vollzieht gerade eine Zäsur in seiner Karriere. Nach drei Jahren beim Spitzenklub in Hamburg, mit dem er deutscher Meister und nun auch Champions-League-Sieger wurde, wechselt er zurück nach Göppingen, wo er einst entdeckt wurde. Doch er denkt bereits weiter, will Internationale BWL studieren, dafür braucht er zunächst Abitur. Laut Bild-Zeitung muss Kraus in dieser Woche drei Leistungsnachweise abliefern, die er nicht verschieben kann. Sonst wäre der geplante Studienbeginn im Herbst unmöglich.

Kraus' Planung zeigt, dass sich die Lebenswege von Fußballern und anderen Spitzensportlern nach wie vor deutlich unterscheiden. Die besten Fußballer haben nach ihrem Karriereende meist ausgesorgt, können zudem wählen, ob sie dem Apparat erhalten bleiben wollen (etwa als Experten). Vergleichbaren Spitzenkräften aus anderen Sportarten, auch wenn sie gut verdienen, geht es anders. Sie müssen sich rechtzeitig um eine Anschlusskarriere kümmern. Sei es mit Abitur, Studium oder Ausbildung.

Auch die Reaktion von Bundestrainer Martin Heuberger steht dafür: Er hat die Entscheidung seines Mittelmanns sofort akzeptiert. "Ich kann Mimi verstehen", ließ Heuberger ausrichten. Er wollte Kraus nach seinen tollen Leistungen als Ersatz für den verletzten Sven-Sören Christoffersen mitnehmen. Nun hat Heuberger den jungen Göppinger Tim Kneule nominiert.

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