Handball:Triumph mit kleinen Unfällen

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Zweites Spiel, zweiter Sieg: Auch gegen Polen siegt das Team der deutschen Handballer mit 32:29. Doch diesmal spielen die Deutschen besser als gegen Schweden, zeigen von Anfang an Präsenz.

Von Maik Rosner

Die Szenen hatten etwas Kurioses, beinahe Slapstickhaftes, und das Gute an ihnen war aus deutscher Sicht eigentlich nur, dass sogar die Handballnationalspieler später darüber lachen konnten. Die Szenen, das waren die heftigen Zusammenstöße von Torwart Andreas Wolff mit Martin Strobel und Paul Drux gewesen. Zunächst war Strobel Wolff beim fliegenden Wechsel in den Weg gelaufen. Später, bei einem weiteren dieser neu ins Regelwerk eingebauten Tauschaktionen, rannte der Torwart Drux um. "Die Regel gibt es erst seit einem Monat. Da ist es klar, dass es noch hakt. Das sieht man auch bei anderen", sagte Mitspieler Hendrik Pekeler.

Dass Wolff direkt nach der zweiten unfreiwillig komischen Einlage im zweiten Gruppenspiel gegen Polen sogar einen Ball bemerkenswert über die Latte lenkte und damit die Aufholjagd der Polen bremste, war zugleich Ausdruck der insgesamt unverkennbaren Überlegenheit der deutschen Mannschaft beim 32:29 (16:14), trotz zeitweiliger Abstimmungsprobleme inklusive Tölpeleien. Beste Werfer mit je fünf Toren waren Kapitän Uwe Gensheimer (Paris St. Germain), Julius Kühn (Gummersbach) und Fabian Wiede (Füchse Berlin).

Torwart Wolff erzielt bereits sein zweites Turniertor

"Es ist das gleiche Ergebnis, aber mit einer besseren Leistung", sagte Bob Hanning, der Vizepräsident Leistungssport des Deutschen Handballbundes (DHB). Bereits zwei Tage zuvor hatte die deutsche Mannschaft gegen Schweden 32:29 gewonnen, dabei aber mehr Schwächen erkennen lassen als nun gegen den WM-Dritten. Weshalb Hanning auch locker scherzen konnte über Wolffs Einlagen bei den missglückten Wechseln: "Über seine Sprintfähigkeit müssen wir noch einmal reden."

Durch den zweiten Sieg im zweiten Spiel kann die Mannschaft von Bundestrainer Dagur Sigurdsson nun schon für das Viertelfinale planen, obwohl im Zweitagesrhythmus noch die drei weiteren Gruppenspiele gegen Brasilien (Donnerstag), Slowenien (Samstag) und Ägypten (Montag) anstehen. Doch das Minimalziel ist schon so gut wie erreicht, nun geht es darum, sich für die K.o.-Spiele bestenfalls als Gruppensieger zu qualifizieren, um den stärksten Konkurrenten aus der Gruppe A möglichst aus dem Weg zu gehen.

Anders als beim torgleichen Auftaktsieg gegen Schweden zeigte die deutsche Mannschaft diesmal von Beginn an Präsenz. Ein schneller Rückstand, wie noch am Sonntag (1:4), stellte sich diesmal nicht ein. Vielmehr war es Sigurdssons Mannschaft, die das Geschehen sofort in die gewünschte Richtung zu lenken versuchte. Hilfreich erwiesen sich dabei gerade zu Beginn wieder einmal Wolffs Dienste. Gleich die erste Chance der Polen wehrte der Torwart ab, und da es sich bei dieser Chance um einen Siebenmeter von Karol Bielecki handelte, entfaltete Wolff rasch seine zuweilen für die Gegner einschüchternde Wirkung. "Überdurchschnittlich, aber noch keine Weltklasseleistung", befand Hanning.

Es war aber so, dass Wolff auch erneut als Torschütze auffällig werden konnte, weil er wie gegen Schweden nach einem abgefangenen Angriff über das ganze Feld ins leere Tor der Polen traf. Sein weiter Wurf zum 6:4 war sein zweiter Turniertreffer und der dritte für das Nationalteam insgesamt. Es ist recht wahrscheinlich, dass weitere Tore des Torhüters folgen werden. Denn Wolff profitierte im zweiten Olympiaspiel bereits zum zweiten Mal von jener neuen Regel, wonach ein siebter Feldspieler für den Torwart fliegend eingewechselt werden kann - mit der Gefahr, dass der Gegner bei einem Ballverlust zum Fernwurf regelrecht aufgefordert wird.

Bis auf drei Tore (9:6) konnte die deutsche Mannschaft ihren Vorsprung im Verlauf der ersten Halbzeit erweitern. Doch es blieb jenes enge Spiel, das erwartet worden war. Immer wieder kamen die Polen heran, beim 11:11 gelang ihnen sogar der Ausgleich, ehe die deutsche Mannschaft bis zur Pause etwas davonzog (16:14). Vielleicht auch wegen der besonderen Kenntnisse von Tobias Reichmann, der noch beim polnischen Champions-League-Sieger KS Vive Kielce spielt und dort von Polens Nationalcoach Talant Duschebajew trainiert wird. "Wir haben sowohl im Angriff als auch in der Abwehr armselig gespielt", hatte der Spanier kirgisischer Herkunft nach der 32:34-Auftaktniederlage gegen Gastgeber Brasilien geschimpft und gefordert, seine Mannschaft müsse gegen Deutschland "auf die Füße kommen".

Das allerdings gelang allenfalls bedingt. Immer wieder wurde sein Team ausgebremst. Daran ändert auch die rote Karte gegen Christian Dissinger im Laufe der ersten Halbzeit wenig. Das galt auch für die zweite Halbzeit, in der die deutsche Mannschaft wie schon zu Spielbeginn sofort da war. Ins Bild der Überlegenheit fügte sich dabei das schöne Anspiel vom Magdeburger Finn Lemke an den Kreis zum Kieler Patrick Wiencek, der souverän vollendete. Ein spielerisches Element, das wieder wie ein Signal an die polnische Mannschaft daherkam. Denn der sehenswerte Pass hatte zum ersten Tor der zweiten Halbzeit geführt. Und weil Wolff auf der Gegenseite rasch zwei Paraden folgen ließ und Gensheimer einen Vorsprung von vier Toren herauswarf (19:15), deutete sehr viel sehr früh auf den Sieg hin.

Doch dann folgten jene Konzentrationsschwächen, die den Erfolg noch in Gefahr brachten. Bis auf ein Tor kamen die Polen wieder heran (22:21), weil sich die deutsche Mannschaft mehrere Ballverluste am Kreis erlaubte. Sie hatte wie bei den kleinen Zusammenstößen, in die Wolff verwickelt war, noch einmal gewankt. Gefallen aber ist sie nicht.

© SZ vom 10.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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