Handball-Supercup:Der machtlose Brand und die bestandene Probe

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Die deutschen Handballer sichern sich mit einem 30:26 gegen Dänemark den Supercup und offenbaren dennoch einige Probleme.

Ulrich Hartmann

Der deutsche Handball hat ein kurioses Problem. Seine Bundesliga ist so stark, dass viele deutsche Nationalspieler im Dilemma stecken: Sie spielen entweder Nebenrollen in Topklubs oder Toprollen in Nebenklubs. Nachteilig dabei ist auch, dass die deutschen Spieler im international hochklassigen Bereich eher selten zum Einsatz kommen. Michael Müller ist das beste Beispiel. Der 25-Jährige spielt bei den ambitionierten Rhein-Neckar-Löwen in Mannheim im rechten Rückraum nur die zweite Geige hinter dem Isländer Ólafur Stefánsson.

Heiner Brand ist zugleich glücklich und machtlos. (Foto: Foto: Getty)

Deshalb kommt Müller in der Champions League nur wenig zum Einsatz, vielleicht auch deshalb spielte er beim Supercup am Wochenende wechselhaft - allerdings nicht als einziger. Die anderen deutschen Rückraumspieler, die am Wochenende ebenfalls launisch agierten, spielen erst gar nicht in der Champions League.

"So ist das nun mal, und darauf weisen wir ja auch immer wieder hin", sagt Horst Bredemeier. "Unsere Rückraumspieler spielen nicht in den besten Vereinen und deswegen auch nicht in der Champions League", klagt der Vizepräsident des Deutschen Handballbunds. Licht und Schatten in der deutschen Mannschaft hat Bredemeier am Wochenende beim Supercup gesehen - trotz eines 30:25 zum Auftakt gegen Norwegen und eines 30:30 im zweiten Spiel gegen Schweden. Im letzten Spiel dieses Vierer-Turniers am Sonntag in Hannover gegen den amtierenden Europameister Dänemark nutzte das Team trotz allem sogar die Chance zum Turniersieg. 30:26 (16:12) besiegte das Team von Bundestrainer Heiner Brand die derzeit höher eingestuften Dänen. Es war eine konzentrierte Leistung und ein verdienter Sieg.

Dennoch bleibt die Frage: Ist Brand machtlos gegen die Strukturen in den Klubs? Verdirbt dem Bundestrainer die Stärke der Liga und die internationale Konkurrenz in den Vereinsteams die Chancen auf einen Erfolg bei der EM im Januar? Nach dem phasenweise enttäuschenden und am Ende höchst glücklichen 30:30 gegen Schweden im westfälischen Halle am Samstag war Brand exemplarisch nach Müllers untergeordneter Rolle in Mannheim gefragt worden. "Ja, klar, ich werde jetzt gegen den Trainer der Rhein-Neckar-Löwen wettern", antwortete Brand ironisch und blickte lächelnd zu seinem Nebenmann: Ola Lindgren.

Der Schwede trainiert die schwedische Mannschaft und in der Bundesliga die Rhein-Neckar-Löwen. Lindgren, dessen Schweden auch bei der EM in Österreich Gruppengegner der Deutschen sind, ist schuld daran, dass Müller in der Champions League wenig Einsatz bekommt und auf international hohem Niveau nicht jene Erfahrungen sammeln kann, die der deutschen Mannschaft so sehr nützen würden. Lindgren gesteht seine Schuld: "Ich baue doch keine Spieler für die deutsche Nationalmannschaft auf", sagt er grinsend.

So hat Brand beim Supercup ein vorhersehbares Fazit gezogen. "Diese junge Mannschaft kann nur gut sein mit der nötigen Begeisterung." Wie gut sie sein kann, hat sie in der zweiten Halbzeit gegen Schweden gezeigt, als sie einen 12:15-Halbzeitrückstand durch begeistertes und begeisterndes Spiel binnen zehn Minuten in eine 22:19-Führung verwandelte. Diesen zehn Treffern war im identischen Zeitraum der ersten Halbzeit allerdings ein deprimierendes Spiel vorangegangen. 0:4 hatte es da nach derart ernüchternden ersten zwölf Minuten geheißen, dass die 10400 Zuschauer ihre vom WM-Triumph 2007 übrig gebliebenen schwarz-rot-goldenen Fanartikel nur reflexartig und irritiert schwenkten.

Vier, fünf offene Stellen

"Das war die schlechteste Viertelstunde, die wir je gespielt haben", fand Abwehrchef Oliver Roggisch. "Diese Leistung war inakzeptabel", klagte auch Brand und entwarf unter Berücksichtigung solch fataler Phasen eine grundsätzliche Mängelliste für diesen Supercup, der ja erster Gradmesser für die Perspektiven bei der EM war. "Mängel gab es im individuellen Verhalten und bei der Passgenauigkeit, die Kreuzungen im Angriff wurden mit zum Teil zu wenig Dampf gelaufen und die Abwehr hat zu zaghaft agiert." Das Spiel gegen Schweden habe beide Optionen offenbart: "Die zweite Halbzeit hat gezeigt, wie wir erfolgreich sein können - und die erste, wie nicht!"

In dieser Zwickmühle zwischen Müssen, Wollen und Können muss Brand bis Mitte Dezember einen erweiterten 28er-Kader benennen, den er bis zur am 19. Januar beginnenden EM auf 16 Spieler verkleinert. "Bei der vorläufigen Auswahl wird es keine Überraschungen geben", sagt er. Doch nach der finalen Vorbereitung Anfang Januar wird es spannend.

Neben den drei Torhütern Johannes Bitter, Carsten Lichtlein und Silvio Heinevetter haben Abwehrchef Oliver Roggisch, die Linksaußen Torsten Jansen und Dominik Klein, im Rückraum Lars Kaufmann, Michael Kraus und Holger Glandorf, der Kreisläufer Christian Preiß und die Rechtsaußen Christian Sprenger und Stefan Schröder beste Chancen. Der Rest kämpft um vier, fünf offene Stellen und erhält am 1. und 2. Dezember in Münster und Hamm in einem Doppeltest gegen Weißrussland die weitere Chance zur Empfehlung.

"Ich biete dort zwei unterschiedliche Mannschaften auf", sagt Heiner Brand. Vier weitere Länderspiele in der ersten Januar-Hälfte werden dann offenbaren, wie gut diese Spieler wirklich sein können, wenn es ultimativ um ihr Ticket zur EM geht.

© SZ vom 02.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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