Handball:Strategie der Selbstzerfleischung

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Vor der Zerreißprobe: Bob Hanning, Vize-Präsident Leistungssport beim DHB. (Foto: Jens Wolf/dpa)

Ein Antrag aus den Landesverbänden auf die Abwahl des kompletten Präsidiums stellt den Deutschen Handballbund vor eine Zerreißprobe.

In einem Punkt sind sich im deutschen Handball ausnahmsweise mal alle einig: Das große Beben wird schwerwiegende Folgen haben. "Der Handball wird kaputtgemacht, und egal, wie es ausgeht, das wird über einen langen Zeitraum nicht mehr zu kitten sein", sagt Berndt Dugall, Vorsitzender der Handball-Bundesliga Frauen (HBF). Für Dugall ist klar, um was es bei dem Frontalangriff der Landeschefs auf den Dachverband geht: "Einzig und allein darum, Bob Hanning rauszudrängen."

Hanning, immer wieder Hanning. Der Vizepräsident Leistungssport im Deutschen Handballbund (DHB), in Personalunion Manager des Bundesligisten Füchse Berlin, ist die zentrale Figur bei den Chaostagen des DHB. Der Antrag auf die Abwahl des gesamten DHB-Präsidiums, den Württemberg am Wochenende "stellvertretend für vier der fünf größten Landesverbände" gestellt hat, dient vor allem dem Zweck, die Reizfigur Hanning zu entmachten.

Das allerdings bestreitet Hans Artschwager, Präsident des Landesverbandes Württemberg (HVW). "Uns geht es nicht um einzelne Personen", sagte er. "Es geht auch nicht darum, den deutschen Handball zu beschädigen, sondern darum, dass einiges passiert ist, was den Verbänden nicht gefällt." Der Sport müsse diesen kontroversen Prozess jetzt durchstehen, "dann werden wir auch wieder auf eine gemeinsame Linie zurückfinden". In einer Sondersitzung innerhalb der nächsten drei Wochen wollen sich die Verbände untereinander verständigen, wie in der Sache weiter vorzugehen ist.

Die Bundesliga positioniert sich - pro Hanning

Die Ligen aber laufen Sturm, für sie ist eindeutig Hanning die Zielscheibe der Aktion. "Dieser Antrag richtet sich aber nicht nur gegen die Person Bob Hanning, sondern vor allem gegen die Position des Leistungssport-Verantwortlichen im DHB", sagt Uwe Schwenker, Präsident der Handball-Bundesliga Männer (HBL): "Und damit sind HBL und HBF natürlich nicht einverstanden. Für die HBL kann ich sagen: Wir stehen ganz klar hinter Hanning."

Dessen Gegner sind in erster Linie der ehemalige Präsident Bauer und Deutschlands Handball-Ikone Heiner Brand. Schon während der WM in Katar traten die Spannungen zwischen Bauer und Hanning zutage - wenige Wochen später trat Bauer dann völlig unerwartet zurück. Zuletzt hatte Bauer mehrfach signalisiert, dass er unter gewissen Umständen durchaus bereit sei, ins Amt zurückzukehren. Die Voraussetzungen dafür, in erster Linie die Entmachtung Hannings, soll nun der Antrag der Landesverbände schaffen.

"Eine Katastrophe, einen Irrsinn", nennt nicht nur HBF-Boss Dugall diesen Schritt. Marc-Henrik Schmedt, Vizepräsident der Handball-Bundesliga HBL, bezeichnet Hanning gar als "einen der wichtigsten Motoren, die wir im deutschen Handball haben. Er hat nicht nur in Berlin, sondern in ganzer Breite diesen Sport in den letzten paar Jahren erheblich vorangetrieben."

Und deshalb sei die nun entstandene Situation auch alles andere als zielführend, glaubt der frühere Nationaltorwart Andreas Thiel. "Ich habe große Zweifel daran, dass diese Strategie der Selbstzerfleischung dem deutschen Handball nützt", sagte Thiel in seiner Eigenschaft als HBL-Justiziar dem SID, und DHB-Interimspräsident Mark Schober mahnt dringend zur Sachlichkeit: "Wir haben einen demokratischen Verband, da gehört Diskussionskultur dazu. Die Diskussionen können ruhig kontrovers geführt werden, sie müssen aber der Sache dienen."

Die Präsidenten der Landesverbände verweisen in ihrem Antrag unter anderem darauf, dass der Wahlvorschlag für den neuen DHB-Präsidenten "nicht aus den Reihen der derzeitigen Vizepräsidenten kommen sollte" - ein klarer Bezug auf Andreas Michelmann, der am 26. September in Hannover eigentlich zum neuen DHB-Präsidenten gewählt werden soll. Der Vorschlag seitens der Findungskommission, den aktuellen DHB-Vizepräsidenten für Amateur- und Breitensport als Bauer-Nachfolger zu installieren, hat zu erheblichen Dissonanzen geführt.

Michelmann nannte den ganzen Vorgang im Gespräch mit dem Portal Handball-World "eine Kombination aus Nicht-Achtung und Frechheit". Zu weiteren Details wollte er sich nicht äußern: "Zu dem Antrag aus Württemberg ist alles gesagt."

© SZ vom 26.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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