Handball:Nicht in Bademantellaune

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Matthias Obinger überrascht mit seinem Team wieder die Liga. (Foto: Frank Scheuring/imago)

Zweitligist Rimpar Wölfe hat sich erholt - Trainer Obinger fordert eine "Politik der kleinen Schritte".

Von Sebastian Leisgang

Natürlich hätte Matthias Obinger seinen Urlaub jetzt wieder an der Adria verbringen können, in Lignano, unweit von Venedig, im Feriendomizil seiner Schwiegereltern. Er weiß inzwischen ja, dass er morgens nicht einmal seinen Bademantel ab-, sondern nur die Adiletten anlegen muss, um mit dem Aufzug aus dem siebten Stock hinunter zu fahren und in dem kleinen Laden im Erdgeschoss frischen Parmaschinken, Käse und Brötchen zu erstehen. Das wäre doch auch in diesem Winter ein tadelloser Urlaub gewesen, doch Obinger entschied sich anders.

Dieses Mal verschlug es Obinger, 37, nach Fuerteventura, weil er "was mit Sonne gebraucht" hat, wie er sagt, und Lignano hat das derzeit nicht zu bieten. Ohnehin: War Lignano für Obinger nicht eine Art Kurort, wenn ihm, dem Trainer des Handball-Zweitligisten Rimpar Wölfe, mal wieder der Sinn nach einer Auszeit stand? Im vergangenen Sommer hatte es ihn nach der Niederlage am letzten Spieltag in Lübeck und dem verpassten Aufstieg in die Bundesliga an die Adria gezogen. Doch jetzt, in der Winter- und EM-Pause, gab es keinen Grund, sich im Bademantel mit frischem Parmaschinken über das Leid hinwegzuhelfen. Rimpar steht vortrefflich da, die Unterfranken mischen die Liga schon wieder auf und könnten ihre Leistung nun, mit einem Jahr Verzug, krönen.

Rimpar selbst erwartete nicht, den Kraftakt zu wiederholen

Die Rimparer sind ja der Sisyphos der zweiten Liga. In der vergangenen Saison haben sie den schweren Felsbrocken im Schweiße ihres Angesichts bis an den Gipfel gewuchtet - bis er ihnen entglitt und den Berg wieder hinunter purzelte. Mit der Pleite in Lübeck verpassten sie auf den letzten Metern den größten Erfolg ihrer Vereinsgeschichte, und nun, ein halbes Jahr später, haben sie die Hälfte der Strecke hinauf zur Spitze wieder zurückgelegt.

Zum Jahresabschluss hat Obingers Team mit einem 32:21 beim Dessau-Rosslauer HV Eindruck hinterlassen. "Das war ein Fingerzeig. Schaut her, mit Rimpar ist zu rechnen", formuliert Obinger die Botschaft selbst, die ihn und seine Mannschaft ins neue Jahr hinübergetragen hat - dabei haben sie in Rimpar nicht einmal selbst damit gerechnet, den Kraftakt der vergangenen Saison wiederholen zu können.

Gut, Torwart Max Brustmann hat sich schon zugetraut, das eine oder andere Mal im Weg rumzustehen, wenn zufällig ein Ball angeflogen kommt. Und Kreisläufer Jan Schäffer dürfte es auch vor dieser Spielzeit durchaus für denkbar gehalten haben, so manchen Gegenspieler in der Deckung zur Seite zu räumen. Nur: Dass Brustmanns Paraden, Schäffers Körpereinsatz und sämtliche andere Erfolgsfaktoren zusammenkommen und eine Erfolgsgeschichte erzählen, die unter Umständen ein besseres Ende finden könnte als im Vorjahr, das kommt selbst für Rimpar unerwartet. Platz sechs am Saisonende, sagte Obinger noch vor dem ersten Spieltag, das wäre ein fabelhaftes Ergebnis.

Im Umfeld waren manche weitaus pessimistischer. Platz sechs? Die Leute dachten eher, dass die Vergangenheit samt der verpassten Aufstiegschance derart belastend sei, dass sie Rimpar in der Gegenwart noch umtreibe - und daher womöglich die Zukunft behindere. "Viele haben uns das nicht zugetraut", sagt Obinger zu Platz fünf, auf dem sein Team überwintert, und fügt dann an, ohne seinen Stolz zu verbergen: "Wir sind keine Eintagsfliege, wir sind wieder in der erweiterten Spitze." Vier Punkte trennen Rimpar von der SG BBM Bietigheim und Aufstiegsrang zwei. Trotzdem betont Obinger: "Wir werden jetzt nicht sagen, dass wir einen Sturm auf Platz eins oder zwei wagen - wir werden die Politik der kleinen Schritte weiterführen."

In eineinhalb Wochen bittet der Coach zum Trainingslager nach Nürnberg und Erlangen. Dann wird er seine Spieler wieder knechten. "Sie werden am Ende die Grätsche machen und auf allen Vieren rauskriechen", kündigt Obinger an und lacht. Er gefällt sich in der Rolle des harten Hundes. Er weiß ja, "dass sich beharrliches Arbeiten am Ende durchsetzen kann".

© SZ vom 09.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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