Handball:Geoblocking und andere Katastrophen

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Hurra, es gibt Bewegtbilder von deutschen Handballern: Bundestrainer Dagur Sigurdsson (links) und Teammanager Oliver Roggisch während der WM-Vorbereitung bei einer Pressekonferenz. (Foto: Caroline Seidel/dpa)

Ein Sponsor sichert sich die Fernsehrechte an der Männer-WM. Dennoch gibt es Kritik - am Rechteinhaber, am nationalen und am internationalen Verband.

Von Ulrich Hartmann, München

Der Horror des deutschen Handball-Publikums hat zwei Namen: Geoblocking und Overspill. Allerdings hat das Handball-Publikum von diesen Fachbegriffen aus der Übertragungstechnik vermutlich wenig Kenntnis. Geoblocking bedeutet, dass von ausländischen Computern nicht auf deutsche Internet-Übertragungen zugegriffen werden kann. Overspill zu unterbinden bedeutet, dass ausländische Satellitenfernsehzuschauer deutsche Sender nicht sehen können.

Geoblocking zu installieren und Overspill zu verhindern waren die Voraussetzungen für Übertragungen von der Handball-Weltmeisterschaft aus Frankreich (13. bis 29. Januar). Der TV-Rechte-Inhaber "beIN Media" aus Katar hatte ARD und ZDF wegen des nicht zu unterbindenden Overspills längst abgesagt. Kurzfristig, erst im Dezember, haben dann auch der Bezahlsender Sky sowie die Internet-Plattformen sportdeutschland.tv und Dazn eine Abfuhr bekommen. In diesen Fällen lag es eher an finanziellen Faktoren.

Übertragen werden die WM-Spiele der deutschen Handballer sowie weitere Partien nun in Deutschland exklusiv und kostenfrei auf der eigens eingerichteten Internetseite handball.dkb.de der Deutschen Kreditbank (DKB), eines umfangreichen Handballsponsors. Das ist - abgesehen von den Eishockey- und Basketball-Übertragungen der Deutschen Telekom im Internet - ein Novum in der Geschichte von Sportübertragungen in Deutschland und stößt auf Skepsis bei den abgelehnten Bewerbern. Der ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky sagt: "Wir sind für alle Handballfans in Deutschland froh, dass die Spiele der deutschen Mannschaft überhaupt gezeigt werden, allerdings stellt sich jetzt grundsätzlich die Frage, ob Sponsoren künftig unter Umgehung rundfunkrechtlicher Vorgaben Sport-Events in Deutschland übertragen können - damit muss sich der Gesetzgeber beschäftigen." Björn Beinhauer, den Sportdeutschland-TV-Geschäftsführer, irritiert Zweierlei: Wie zäh einerseits die Verhandlungen mit der beIN-Media-Partneragentur Pitch International in London abgelaufen sind und wie andererseits der Deutsche Handball-Bund (DHB) das Übertragungsproblem bis zuletzt medial zugespitzt hatte, um dann am Donnerstag eine Lösung zu präsentieren. "Das war ein merkwürdiger Medien-Schachzug", sagt Beinhauer, "erst wurde tagelang die drohende Katastrophe einer Nicht-Übertragung lanciert - und dann der Sponsor DKB als Retter gefeiert."

Dem Vernehmen nach bezahlt die Bank mehr als eine Million Euro

In dieser Geschichte gibt es mehrere Opfer. Auch beim Deutschen Handball-Bund (DHB), der tatsächlich schon seit mehreren Tagen die Einigung zwischen beIN Media und der DKB erwartete, ist man mit dem Status grundsätzlich unzufrieden. BeIN Media, eine Tochterfirma des Fernsehsenders Al Jazeera, besitzt die WM-Übertragungsrechte bis einschließlich der Frauen-WM 2017. Das Unternehmen macht deutschen Sendern und Internet-Plattformen das Leben schwer, weil es um jeden Preis verhindern will, dass deutsche Übertragungen per Satellit auch im benachbarten Ausland, in Nordafrika oder im Mittleren Osten gesehen werden können. Dieses Ausschlusskriterium erschwert auch die Übertragungen in Deutschland selbst bis hin zum drohenden schwarzen Bildschirm. Dieses Problem ist auch für die Frauen-WM im kommenden Dezember in Deutschland virulent. DHB-Präsident Andreas Michelmann sagt: "Dieser Rechteinhaber ist ein Ärgernis." Nationalspieler Tobias Reichmann wundert sich, dass der Weltverband diese für Deutschland missliche Situation tatenlos akzeptiert: "Vor zwei Jahren haben sie uns noch eine Wildcard für die WM gegeben, weil Deutschland angeblich so ein wichtiger Markt ist - und jetzt? Kommt kein Wort vom Weltverband."

Beim DHB-Sponsor DKB freut man sich über die medienwirksame Auflösung der verzwickten Lage, möchte zum Vergabeprozess der Übertragungsrechte aber keinen Kommentar abgeben. Dem Vernehmen nach bezahlt die Bank mehr als eine Million Euro. Die Angebote anderer deutscher Internet-Plattformen sollen niedriger gewesen sein, aber "absolut marktüblich", wie es aus der Branche heißt.

Dass ARD und ZDF bereits im vorigen Sommer aus dem Rennen waren, lag daran, dass sie trotz Avancen von beIN Media ausschlossen, ihre Satelliten-Übertragungen zu limitieren. Sie hätten damit Signale ins Ausland unterbinden können - zugleich aber auch die Satelliten-Empfänger in etwa 18 Millionen deutschen Haushalten benachteiligt. Balkausky hält das Modell einer Art Sponsoren-TV für "keine Alternative zum frei empfangbaren Fernsehen mit dessen journalistisch-qualitativer Herangehensweise". Beim künftigen Handball-Bundesliga-Sender Sky wundert man sich, dass man 2015 die WM-Rechte noch kurzfristig bekam - und diesmal ohne Angabe von Gründen nicht.

Über journalistische und rundfunkrechtliche Aspekte hinaus spekulieren Skeptiker, ob die Übertragung auf der DKB-Internetseite dem zu erwartenden Ansturm standhält. Wenn nicht, hätte der Horror der deutschen Handball-Fans einen neuen Namen: Streaming-Desaster.

© SZ vom 07.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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