Handball:Ende der Nettigkeiten

Lesezeit: 2 min

Vor dem Start der Coburger Handballer in die zweite Saisonhälfte muss sich der Zweitligist mit einer Verbalattacke aus Erlangen beschäftigen. Er sei selten so respektlos kritisiert worden, sagt der Trainer Jan Gorr.

Von Sebastian Leisgang, Coburg

Am Mittwochabend saß Jan Gorr bei einem Stammtisch mit ein paar Fans zusammen. Es war eine gesellige und harmonische Runde, und als sich Gorr später wieder auf den Heimweg machte, hatte der Trainer des Handball-Zweitligisten HSC Coburg ein wohliges Gefühl. Die Gespräche kreisten um die Wintervorbereitung, um den Auftakt in die zweite Saisonhälfte an diesem Freitagabend bei der SG BBM Bietigheim und um die Frage, wie Gorr gedenke, den Verlust von Rückraumspieler Petr Linhart - der sich kürzlich bei einem Testspiel in Aue einen Kreuzbandriss zuzog - wettzumachen.

Am Donnerstagmorgen rückte all das in den Hintergrund: Die Vorbereitung, der Jahresauftakt - und Gorrs gutes Gefühl war ebenfalls schlagartig dahin. Denn der Coburger Trainer sah sich mit einem verbalen Angriff aus Erlangen konfrontiert. Carsten Bissel, Aufsichtsratsvorsitzender des Erstligisten, hatte Gorr im SZ-Interview vorgeworfen, "seine Erfolglosigkeit damit zu rechtfertigen", dass er Erlangen einen vergleichsweise höheren Etat andichte. Was im Umfeld der Rivalen, die sich in der Vergangenheit immer wieder sportlich begegnet sind, für einige Aufregung sorgte. Das sei ziemlich grober Unfug, konterte der HSC nun sinngemäß und betont moderat. Zwist zwischen den Klubs ist nichts Neues, doch nun ist dieser wieder bis zu einem Stadium fortgeschritten, in dem es sinnvoll erscheint, einen überparteilichen Schlichter hinzuzuziehen.

Es sind keine neuen Lieder, die dieser Tage gesungen werden, es sind die selben Strophen im selben Rhythmus. Man kennt derlei Zankerei zu Genüge aus der Vergangenheit. Immer wieder haben die Klubs ihre Meinungsverschiedenheiten in der Öffentlichkeit gepflegt und pflichtbewusst so manche Spitze ausgetauscht - wie sich das für eine gesunde Rivalität gehört.

Die gegenseitigen Aversionen gingen bisweilen so weit, dass ein Coburger Fan im Oktober 2015 bei einem Auswärtsspiel des HSC in der Nürnberger Halle eine Rauchbombe zündete - was sich für eine gesunde Rivalität eher nicht gehört. Es gab einige unrühmliche Episoden der Streitigkeiten, wie diese: Erlangens Hauptsponsor Alexander Fackelmann bedachte im Dezember 2016 am Rande eines Derbys den Coburger Geschäftsführer Steffen Ramer mit einem hässlichen Kraftausdruck, der hier keine Wiederholung finden soll.

"Ich bin selten so respektlos kritisiert worden", sagt Jan Gorr

Zuletzt konnte man indes den Eindruck gewinnen, dass nach dem Coburger Abstieg eine Art Burgfrieden herrsche, was aber durch die jüngsten Giftpfeile aus Erlangen als Trugschluss zu entlarven ist. Die Coburger Verantwortlichen wollen den Erlanger Ausbruch aber vorerst nicht weiter kommentieren, eine Stellungnahme konnte sich der namentlich attackierte Jan Gorr dennoch nicht verkneifen: "Ich bin selten so respektlos und realitätsfremd über die Medien kritisiert worden wie in diesem Fall", sagte Coburgs Trainer, "aber wenn das die Umgangsformen von Herrn Bissel sind: bitteschön." Erlangen habe sich gut entwickelt und nutze seinen Standortvorteil "optimal aus", so Gorr, warum Bissel nun aber in Richtung des HSC schieße, "erschließt sich mir nicht."

Kernpunkt des Streits ist eine seit geraumer Zeit schwelende Etat-Debatte, welcher Klub mehr Geld zur Verfügung hat und diese Ressource besser zu nutzen weiß. Bissel habe angeboten, dies von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer begutachten zu lassen, wie er in dem Interview mitteilte. HSC-Geschäftsführer Ramer beteuert, davon nun "zum ersten Mal" erfahren zu haben, "daher konnte ich auch keine Antwort geben". Ramer spielt den Ball vielmehr zurück: "Es gab unsererseits mehrere Signale und Anfragen über die Erlanger Geschäftsführung zu einem persönlichen Austausch - bis heute erfolglos."

In der Wintervorbereitung hatten sich die Klubs vor zwei Wochen noch zu einem Test getroffen, den der HCE gegen den wacker kämpfenden Zweitligisten mit 29:22 gewann. Coburg brachte hernach zwar seinen Unmut zum Ausdruck, dass Erlangen die Partie nicht auf seiner Internetseite angekündigt habe und so womöglich einige Zuschauer ferngeblieben seien, aber die Verantwortlichen tauschten zuvorderst freundliche Worte aus. Das scheint nun vorbei zu sein.

© SZ vom 09.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: