Handball:Ein Lebenszeichen und eine kleine Krise

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Ein Nikolai Link ist nicht genug: Der Erlanger Nationalspieler (beim Wurf) erzielte zwar elf Treffer, gegen die zupackende Coburger Defensive um ihren starken Keeper Oliver Krechel war das aber zu wenig. (Foto: Zink/Imago)

Die Handballer des HSC Coburg gewinnen das fränkische Bundesliga-Derby gegen den schwächelnden HC Erlangen und schöpfen wieder Hoffnung im Kampf um den Klassenverbleib.

Von Ralf Tögel

Ein Blick genügte, um die Stimmungslage einzufangen: Auf der einen Seite Robert Andersson und Rene Selke, die Mundwinkel nach unten gezogen, der Blick starr auf den Boden gerichtet. Auf der anderen Seite Jan Gorr und Steffen Ramer, bemüht ihre Freude zu bändigen, ein seliges Lächeln konnten sie aber nicht verhindern. Tristesse und Ernüchterung zeigten sich also beim Trainer und beim Geschäftsführer des HC Erlangen, ein paar Zentimeter daneben tiefe Genugtuung und leiser Triumph bei den Kollegen des HSC Coburg. In einem Punkt aber waren sich alle Beteiligten auf der Pressekonferenz einig: Der 30:28-Erfolg des gastgebenden Tabellenletzten Coburg gegen den aufstrebenden Mitaufsteiger Erlangen im fränkischen Derby der Handball-Bundesliga war verdient.

Denn die Gäste waren trotz der jüngsten Heimpleite gegen das abstiegsbedrohte Minden als Favorit angereist, fest entschlossen, dieses Negativergebnis zu korrigieren. "Wir wussten ja, dass viel über den Rückraum kommt, weniger über die Außen", sagte HCE-Trainer Andersson. Allein seine Spieler wussten dies nicht zu verhindern. So entwickelte sich zur Freude der 3530 Zuschauer in der ausverkauften Coburger Arena ein intensiver und offener Schlagabtausch, die Energie sprang vom Parkett sofort auf die Ränge über. Das 9:8 von Nicolai Theilinger in Minute 18 war die letzte Erlanger Führung, fortan erkämpfte sich Coburg ein Übergewicht - begünstigt durch die mangelhafte Erlanger Abwehrarbeit. Was auch Nationalspieler Ole Rahmel, der den HCE verlässt und mit Kiel in Verbindung gebracht wird, nicht entgangen war: "Wir haben es nicht geschafft, Zugriff auf den Gegner zu bekommen." Einfache Kreuzungen genügten Coburg meist, um die Rückraumwerfer Romas Kirveliavicius oder den siebenfachen Torschützen Nico Büdel in Position zu bringen. Auch das Torhüter-Duell ging klar an Coburgs Oliver Krechel, weil weder Nikolas Katsigiannis noch Mario Huhnstock beim HCE Normalform erreichten. Gerade die erfahrenen und hoch dekorierten Erlanger Kräfte wie Weltmeister Michael Haaß, der Tscheche Pavel Horak, der Spanier Isaias Guardiola oder Toptorschütze Rahmel, erwischten einen schlechten Tag. Die Gastgeber erarbeiteten sich dagegen mit Leidenschaft und Kampfgeist einen 16:13-Vorsprung zur Pause - den sie nicht mehr abgaben.

Bei den Erlangern hielt vor allem Nikolai Link, wie Theilinger Mitglied im erweiterten Nationalkader, sein Team nahezu im Alleingang im Spiel, der elffache Torschütze fand anschließend aber auch deutliche Worte: "Wir waren einfach zu doof und haben 60 Minuten ohne Abwehr gespielt. Jetzt sollte auch der Letzte kapiert haben, dass es nur um den Klassenerhalt geht." Worte, aus denen die große Enttäuschung des besten Akteurs auf dem Feld sprach, aber auch Trainer Andersson gab zu, dass "wir in einer kleinen Krise stecken". Der Schwede sah "viele individuelle Fehler" - aber ebenso keinen Grund zur Panik. Erlangen bleibt Neunter inklusive eines komfortablen Polsters auf die gefährliche Zone. Andersson erinnerte daran, dass man sich in der weltbesten Liga befinde, Rückschläge seien da nicht zu verhindern. Nun stehe seine Mannschaft zum ersten Mal an so einem Punkt, "das ist jetzt eine mentale Sache, mit der wir umgehen müssen". Immerhin weiß er genügend routinierte Spieler in seinem Kader, denen derlei Situationen nicht fremd sind.

Auch der Coburger Kollege Jan Gorr wollte sich von seinen Emotionen nicht treiben lassen und gab der nüchternen Analyse den Vorzug: "Für uns ist das zu allererst der Lohn für unsere ehrgeizige Arbeit." Gorr erinnerte daran, dass es nicht einfach sei, Woche für Woche zu verlieren und sich dann immer wieder neu zu motivieren. "Das haben die Spieler aber in jedem Training gezeigt und sich heute dafür belohnt." Und sie haben ein kräftiges Lebenszeichen im Abstiegskampf gegeben. Mit dem vierten Saisonsieg hat der Tabellenletzte den Anschluss hergestellt, der erste Nichtabstiegsplatz bleibt zwar fünf Punkte entfernt, für das Selbstvertrauen war dieser spezielle Erfolg von immenser Bedeutung: "Wir haben gezeigt, dass wir in allen Bereichen bundesligatauglich sind", fand Gorr, vor allem in jener Phase, als der Gegner beim 19:20 bedrohlich nahe kam. Gorr justierte sein Team per Auszeit neu, "dann haben wir die richtige Antwort gefunden".

Was vor allem für Coburgs besten Torschützen Nico Büdel galt, in einem "besonderen Spiel", wie er zugab. Der Rückraum-Allrounder bat kürzlich um vorzeitige Auflösung seines Vertrages, um ausgerechnet in Erlangen zu unterschreiben. Dort sieht er größere Chancen, auch kommende Saison erstklassig zu spielen. Was für seinen jetzigen Verein trotz des Derbysieges weiter schwer zu realisieren bleibt. Immerhin hat Büdel nun entscheidend dazu beigetragen, die Aussicht auf den Klassenverbleib am Leben zu erhalten.

© SZ vom 06.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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