Handball:Das Rudel ist wichtiger als der Wolff

Lesezeit: 3 min

Hat plötzlich viel mehr Arbeit: Kiels Nationaltorwart Andreas Wolff. (Foto: Marijan Murat/dpa)

Nach dem 28:25 gegen Slowenien kann Europameister Deutschland im letzten Spiel gegen Ägypten Gruppensieger werden. Großen Anteil daran hat der Torwart - doch es gibt Gründe, ihn nicht herauszuheben.

Von Maik Rosner, Rio de Janeiro

Andreas Wolff schob seinen wuchtigen Körper an einer Absperrung vorbei und schüttelte mit dem Kopf. Nein, sagen werde er nichts zum 28:25 (11:12) der deutschen Auswahl gegen Slowenien, zum dritten Sieg im vierten Gruppenspiel. Was schon deshalb schade war, weil es mit ihm besonders viel zu besprechen gegeben hätte nach dem schon am Samstagvormittag nur noch sehr theoretisch zu verhindernden Einzug ins Viertelfinale. Im letzten Spiel gegen Ägypten am Montag (16.30 Uhr MESZ) kann mit einem weiteren Erfolg bestenfalls der Gruppensieg erreicht werden.

Aussagekraft allein besaß allerdings schon Wolffs bemerkenswerte Leistung. Befragt dazu wurden die übrigen Teammitglieder natürlich trotzdem. Wie Kapitän Uwe Gensheimer, der lobte, Wolff habe der Mannschaft mit seinen zuweilen spektakulären Paraden "Sicherheit gegeben". Oder wie Delegationsleiter Bob Hanning. "Jetzt hat man das Gefühl, dass er voll im Turnier drin ist", sagte der Vizepräsident Leistungssport des Deutschen Handball-Bundes (DHB).

Neun abgewehrte Bälle, also mehr als jeder vierte Versuch, wies die Statistik für Wolff aus. Einen imposanten Beitrag zu dieser Quote geleistet hatte ein beachtlicher Hechtsprung. Nach einem fliegenden Wechsel eilte Wolff in sein leeres Tor, als die deutsche Mannschaft wegen Zeitstrafen mit gleich zwei Spielern weniger auf dem Platz stand. Im Stile eines Beachvolleyballers tauchte Wolff auf den letzten Metern seines Sprints ab und lenkte einen Distanzwurf der Slowenen noch entscheidend ab. Das Publikum johlte, und sein Hechtsprung, die Rettungstat und die anschließende Rutscheinlage bäuchlings über den Hallenboden liefen später in Dauerschleife auf den Hallenleinwänden.

Torwart Wolff selbst gelingen zwei Treffer

Dass Wolff mit präzisen Pässen zudem mehrfach Gegenstoßtore auf den Weg brachte und überdies mit zwei gedankenschnellen Distanzwürfen gar zweimal selbst ins leere Tor traf, fügte sich ins Bild seines starken Auftritts. "Herzlichen Glückwunsch zur neuen Regel", sagte Bundestrainer Dagur Sigurdsson lächelnd und knapp zu den Turniertoren drei und vier des Torwarts. Gegen Slowenien war Wolff mit zwei Treffern gar fünfbester unter den zwölf eingesetzten Spielern, hinter Gensheimer (sechs), Tobias Reichmann, Paul Drux (je fünf) und Hendrik Pekeler (drei).

Mit Paraden sowie Pässen und Würfen aus seinem Revier hatte Wolff großen Anteil am Erfolg, und seine Beiträge waren auch sehr nötig gewesen. Nach der 30:33-Niederlage gegen Gastgeber Brasilien am Donnerstag brauchte die deutsche Mannschaft lange, um gegen die spielstarken Slowenen in die Partie zu finden, die bereits um 9.30 Uhr am Samstagmorgen angepfiffen worden war. 0:3 lag das DHB-Team schnell hinten, beim 5:5 gelang Drux erstmals der Ausgleich (17.), die erste Führung zum 15:14 erzielte Reichmann gar erst in der 36. Minute. Mühsam hatte sich die deutsche Mannschaft ins Spiel gekämpft, und dank Wolff, der verbesserten Defensive und einer nach der Pause deutlich höheren Wurfquote (erste Halbzeit 58 Prozent, zweite Halbzeit 77 Prozent) kann das letzte Gruppenspiel gegen Afrikameister Ägypten nun etwas beruhigter angegangen werden.

"Wir leben nicht von großen Stars, wir sind eine Turniermannschaft"

"Wir haben gezeigt, dass wir eine gute Mannschaft sind und nicht von großen Stars leben. Wir sind eine Turniermannschaft", sagte Sigurdsson später. Als Beleg für den besonderen Charakter seiner Spieler führte er aber nicht etwa Wolffs Einlage mit dem Hechtsprung an, sondern verwies auf die unschöne Nacht, die Patrick Wiencek wegen Magen-Darm-Beschwerden hauptsächlich sitzend durchlitten hatte. Nach Stunden auf dem WC habe sich der Kreisläufer kurz vor dem Spiel gar noch übergeben müssen, sich dann aber in den Dienst der Mannschaft gestellt, erzählte Sigurdsson. "Das zeigt den Einsatzwillen, was sie alles tun, um weiterzukommen. Das macht mich stolz", sagte der Bundestrainer.

Und Wolff, der vor Beginn des olympischen Turniers in Mediengesprächen noch sehr offensiv formuliert hatte, er wolle nach dem Gewinn des EM-Titels im Januar Olympiasieger werden? Es schien beinahe, als rede der Trainer bewusst wenig über den Torwart von THW Kiel. Auch wenn Wolffs Leistung gegen Slowenien herausragte: Den 25-Jährigen noch besonders herausheben wollte der Isländer offenbar nicht aus seiner "Teammannschaft", die keine Starmannschaft werden soll. Gewissermaßen ist Sigurdsson das Rudel deutlich wichtiger als ein starker Wolff.

© SZ vom 14.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: