Handball:Aufbruch und Ende

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Erst München, dann Japan: Kapitän Uwe Gensheimer erhofft sich beim Test-Länderspiel einen Schub für den Teamgeist. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

Das Doppel-Länderspiel der deutschen Nationalteams in München markiert für die Männer den Aufbruch zu großen Zielen - für viele Frauen hingegen einen Abschluss.

Von Joachim Mölter, München

Anna Loerper ist nichts Ungewöhnliches aufgefallen in den vergangenen Tagen, "sie waren so, wie ein Lehrgang immer abläuft", erzählt die Handball-Nationalspielerin von der SG BBM Bietigheim. Auch für diesen Mittwoch erwartet sie nichts Besonderes, bloß das Übliche, also "eine ganz normale Spielvorbereitung". Aber so ganz normal und wie immer wird der freundschaftliche Vergleich mit Polen nicht werden, das ahnt Anna Loerper natürlich schon. Mit diesem Länderspiel in der Münchner Olympiahalle beendet die 33-Jährige ihre Karriere in der Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB). "Der Abschiedsschmerz wird in den letzten Minuten kommen oder nach dem Spiel", glaubt die Kapitänin, die nach dann 246 Einsätzen von Bord geht: "Ich werde mit einem guten Gefühl aufhören."

Der Doppel-Länderspieltag mit den Partien der Frauen gegen Polen (17.30 Uhr) und der Männer gegen Norwegen (20 Uhr/beide live bei Sport1) ist nicht nur für Anna Loerper ein Einschnitt. Der DHB verabschiedet bei der Gelegenheit weitere zwölf Frauen, die alle nach dem enttäuschenden Achtelfinal-Aus bei der Heim-WM im Dezember 2017 ihren Rücktritt erklärt hatten. Auch Loerper spielte mit diesem Gedanken, sie ließ sich aber vom neuen Bundestrainer Henk Groener überreden, das verjüngte Team bei der Qualifikation für die EM Ende des Jahres in Frankreich zu unterstützen; zumal dafür ja ihre Klubkollegin Kim Naidzinavicius ausfiel. Die Rückraumspielerin hatte beim WM-Auftakt nach zweieinhalb Minuten einen Kreuzbandriss erlitten. "Ich habe geglaubt, der Mannschaft noch helfen zu können", erklärt Kapitänin Loerper, "und das konnte ich auch." In der vorigen Woche sicherten sich die DHB-Frauen die EM-Teilnahme durch Siege über Litauen und die Türkei. "Es ist besser, mit einem Erfolgserlebnis aufzuhören als mit einer Enttäuschung", resümiert Loerper.

Zum Abschluss ihrer internationalen Karriere wird sie noch einmal vor einer großen Kulisse auflaufen, 9000 Karten waren bis Dienstag verkauft, "so viele Zuschauer sind wir bei den Frauen nicht gewohnt", sagt Trainer Groener. Der Niederländer will diese seltene Gelegenheit in doppelter Hinsicht nutzen: "Es ist quasi das erste Spiel in der EM-Vorbereitung, auch wenn es jetzt am Ende der Saison ist. Und wir wollen Werbung machen für Frauen-Handball." Auch DHB-Generalsekretär Mark Schober sieht das insgesamt bereits 13. Doppel-Länderspiel "als Gelegenheit, die Frauen zu pushen".

Mit der Veranstaltung wirbt der Verband auch schon für die Heim-WM im Januar 2019. Die Münchner Olympiahalle ist Vorrunden-Schauplatz, die Organisatoren wollen dort Frankreich oder Kroatien als prominenteste Mannschaft aufspielen lassen. Die deutschen Männer werden ihre Vorrundenpartien bei der WM in Berlin bestreiten, für sie markiert München aber ebenfalls einen Einschnitt, einen, der in die Zukunft gerichtet ist.

Bundestrainer Christian Prokop fängt in diesen Tagen an, seine Auswahl auf die kommenden Aufgaben einzustimmen. Nach dem Duell mit dem WM-Zweiten Norwegen machen sich die Männer von München aus auf den Weg nach Japan, wo zwar auch zwei Testspiele gegen den Olympia-Gastgeber von 2020 geplant sind, es aber vor allem um Teambuilding geht. "Es ist die längste gemeinsame Zeit im Hinblick auf die WM", sagt Prokop über den zehntägigen Trip; er erhofft sich davon "wichtige Erfahrungen, die uns zusammenschweißen sollen". Sein Kapitän Uwe Gensheimer erinnert sich jedenfalls gern an eine ähnliche Reise vor ein paar Jahren in die USA, nach Chicago. "Die Erlebnisse, auch außerhalb von Halle und Hotel mal was zusammen zu unternehmen, hat man mitnehmen können", sagt der bei Paris St. Germain beschäftigte Linksaußen; es sei ein Weg gewesen, "uns als Team noch enger zusammenzufinden". Ganz nebenbei lernen die deutschen Handballer auch schon Land, Leute und Kultur kennen für den Fall, dass sie sich für Olympia 2020 in Tokio qualifizieren, die nächste Perspektive nach der Heim-WM 2019, die der DHB gemeinsam mit Dänemark ausrichtet. Während das Münchner Länderspiel für Anna Loerper und ein Dutzend anderer Frauen das Ende ihrer Laufbahn darstellt, bedeutet es für die Männer eher den Aufbruch zu großen Zielen.

© SZ vom 06.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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