Griechenland:Skibbes WM-Mission

Lesezeit: 3 min

Mission WM-Qualifikation: Griechenlands Trainer Michael Skibbe. (Foto: imago)

Der griechische Nationaltrainer einte eine zerstrittene Elf - und hat dennoch die schwerste Aufgabe noch vor sich.

Von Tobias Schächter, München

Sein Markenzeichen war der Zopf, ihn hatte der Wirt Kostas stets gepflegt. Bis zum Juli 2004: Damals wurden die griechischen Fußballer mit Otto Rehhagel Europameister - so überraschend wie keine Mannschaft zuvor. Und Kostas opferte dem deutschen Trainer sein Markenzeichen. Der Zopf hing fortan eingerahmt in seiner Taverne in Karlsruhe: "Zu Ehren Rehakles", stand darunter. Doch die Zeiten haben sich geändert: Die Kneipe ist nun schon lange geschlossen, Kostas ist nach Griechenland zurückgekehrt.

Dorthin, wo nun wieder ein deutscher Trainer an der Seitenlinie die Fußball-Nationalmannschaft anleitet: Michael Skibbe soll den von Skandalen und Misserfolg geplagten griechischen Fußball wieder erfolgreicher machen und die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2018 in Russland schaffen. Der 51-Jährige weiß, dass es eine Wiederholung der unglaublichen Außenseiter-Geschichte von 2004 eher nicht mehr geben wird. Immerhin eine regelmäßige Teilnahme bei großen Turnieren sei jedoch ein realistisches Ziel für die griechischen Kicker.

An diesem Sonntag kommt es für ihn in Piräus zur ersten großen Bewährungsprobe in der WM-Qualifikation. Nach drei Pflichtsiegen in Gibraltar (4:1), gegen Zypern (2:0) und in Estland (2:0) gastiert Bosnien-Herzegowina, das drei Punkte weniger hat als die Griechen. Voraussichtlich geht es für die beiden Teams in der Gruppe um Playoff-Platz zwei, der aktuelle Tabellenführer Belgien ist Favorit auf die Direktqualifikation. Skibbes Vertrag läuft zunächst bis Ende des Qualifikationszyklus. Er sollte diesen zweiten Platz, also möglichst erreichen, will er länger in Griechenland arbeiten.

Skibbe startete mit einer Niederlage gegen Luxemburg - und griff dann durch

Seit fast genau einem Jahr ist der Gelsenkirchener im Amt. Nach seiner letzten Bundesligastation in Berlin (2012), wo er nach fünf Pflichtspielpleiten und nur 50 Tagen im Dienst gefeuert wurde, trainierte Skibbe eher weniger erfolgreich in der Türkei (Karabükspor, Eskisehirspor) und den Grasshopper Club Zürich in der Schweiz. Außer einem Supercup-Gewinn mit Galatasaray Istanbul hat er als Vereinstrainer keinen Titel erwirtschaftet, in Deutschland feierte er weder in Dortmund, Leverkusen oder Frankfurt nachhaltige Erfolge.

Das Engagement in Griechenland wird nun ebenfalls kein leichtes: Die beiden Vorgänger Skibbes, Claudio Ranieri und Sergio Markarian, wurden während der vergangenen EM-Qualifikation entlassen, in der die Griechen zweimal peinlich gegen die Färöer verloren - der sportliche Tiefpunkt eines schleichenden Niedergangs. Als Skibbe vor genau einem Jahr das Amt übernahm, schien es gerade weiter bergab zu gehen. Zum Debüt verlor Griechenland 0:1 gegen Luxemburg. Was Skibbe zum Umdenken bewegte. Er erkannte, dass die Mannschaft aus ein paar Streitköpfen bestand, die sich die Schuld für die Niederlagen zuschoben, und erklärte: "Wer keine Lust hat und keinen Teamgeist zeigt, der wird rausgeschmissen - fertig."

Seither gab es fünf Siege, die Serie aber ist am vergangenen Mittwoch im Testspiel gegen Weißrussland (0:1) zu Ende gegangen. Wie gut diese griechische Mannschaft wirklich ist, wird sich gegen Bosnien zeigen. Der Mannschaft fehlt es an überragenden Einzelkönnern, einigen Legionären - beispielsweise dem Leipziger Kyriakos Papadopoulos - fehlen regelmäßige Einsätze in ihren Vereinsteams. Prominentester Spieler ist Stürmer Konstantinos Mitroglou von Benfica Lissabon. In der Abwehr hängt die Stabilität von Sokratis ab, dem Innenverteidiger von Borussia Dortmund. Und Linksverteidiger Konstantinos Stafylidis vom FC Augsburg ist ein weiterer Stammspieler aus der Bundesliga - in einer Elf, die auch unter dem Zwist der großen griechischen und Athener Spitzenklubs leidet.

Die griechische Liga setzt aus - das Haus des Chefs des Schiedsrichterausschusses wurde abgefackelt

Denn Skibbe ist in ein Land gekommen, in dem der Profifußball seit Jahren mit Skandalen kämpft, die Zuschauer bleiben den Spielen in der Liga fern - und zuletzt auch denen der Nationalmannschaft. Derzeit ist der Ligabetrieb mal wieder ausgesetzt, nachdem vergangene Woche das Haus des Chefs des Schiedsrichterausschusses in Brand gesetzt wurde. Der griechische Vereinsfußball steht unter notorischem Korruptionsverdacht, Verfahren sind anhängig, unter anderem auch gegen den Präsidenten von Serienmeister Olympiakos Piräus. Seit einigen Wochen steht der griechische Verband zudem unter der Obhut eines sogenannten Normalisierungskomitees des Weltverbandes Fifa, nachdem Ende Oktober Bestechungsversuche zu den schließlich abgesagten Verbandswahlen bekannt wurden.

Dieses Umfeld macht das Arbeiten für Skibbe nicht leichter. Nichtsdestotrotz will er am Sonntag "die bisschen bessere Ausgangsposition" gegenüber Bosnien verteidigen und hofft auf viele Zuschauer in Piräus. Oft sei es ja so, sagte Skibbe nach der Testniederlage gegen Weißrussland, dass die Fans zum zwölften Mann werden. Dass sich ein Fan aus Freude über die griechische Nationalmannschaft seinen Zopf abschneidet und dann einrahmt, dürfte allerdings so schnell nicht mehr vorkommen.

© SZ vom 13.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: