Golfprofi Erik Compton:Wikinger mit drei Herzen

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Erik Compton spielt mit einem Spenderherz. (Foto: AP)

Er hatte schon zwei Herztransplantationen - und ist Profi-Golfer: Erik Compton springt in der Weltrangliste rasant nach oben, für die Ärzte ist es ein Wunder. Doch Compton will nicht nur für seine Krankheitsgeschichte berühmt sein.

Von Frieder Pfeiffer, Denver

Wenn ein Sportler schon am Morgen zehn Pillen einnimmt, wenn er auch am Abend noch mal dieselbe Menge herunterschluckt, dann klingt das in diesen Zeiten nicht einwandfrei. Um eine Dopingsperre muss sich Erik Compton jedoch keine Gedanken machen. Es geht um viel mehr.

In dieser Woche gehört der US-Golfer erstmals zum Feld der BMW Championship, für die sich die besten 70 Spieler der US PGA Tour Platz qualifizieren. Es ist die dritte von vier Runden der PGA-Playoffs, dem Schlussakkord der US-Saison, und Compton will sich Gehör verschaffen. Am Tag vor dem Turnier in Denver, Colorado, ist Compton jedoch nicht auf der Anlage zu sehen. Er trainiere nicht viel, heißt es, schon gar nicht an so einem heißen Tag wie diesem. Zudem liege der Cherry Hills Country Club 1600 Meter über dem Meer, die Luft ist dünn, die Bedingungen sind hart. Und hart bedeutet für Compton potenziell gesundheitsschädigend.

Denn Compton ist nicht nur einer der Senkrechtstarter der Saison, er ist "ein wandelndes Wunder", wie er selbst sagt. In seiner Brust schlägt bereits das dritte Herz. Erik Compton wäre gerne einfach nur ein guter Golfer, doch er weiß: "Mein Herz ist die Geschichte, daran habe ich mich gewöhnt."

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Diese Geschichte beginnt Anfang der 1990er. In einem Krankenhaus in Miami sitzt der zwölfjährige Erik in einem Rollstuhl und sagt: "Ich werde Baseball-Profi." Seine Eltern widersprechen nicht, auch wenn sie wissen, wie die Chancen stehen. Drei Jahre zuvor haben Ärzte bei ihrem Sohn eine Herzmuskelerkrankung diagnostiziert. Als Erik über seine Zukunft spricht, beginnt sein erstes Spenderherz gerade in seiner Brust zu schlagen.

Mit der Baseball-Karriere wird es nichts, auch wenn das weniger mit dem Herzen zu tun hat. Comptons Talent ist das Golfspiel. Mit 22 Jahren wird er Profi. Schon in dieser Zeit ist die Geschichte des Mannes aus Florida eine, wie sie in den USA sehr gerne erzählt wird, in Büchern, auf Kinoleinwänden.

Doch wenig später nimmt sie eine erneute Wendung. Compton ist 28, als sein zweites Herz nicht mehr kann. Er erleidet einen Infarkt, fährt sich selbst in die Klinik, greift auf dem Weg zum Telefon, verabschiedet sich bei den wichtigsten Menschen - und bekommt wenige Monate später doch sein drittes Herz. "Er ist ein Wikinger", sagt seine norwegische Mutter Eli. Tiger Woods gehört zu den ehrgeizigsten Golfern der Geschichte, doch hier muss auch er passen: "Diese Einstellung - so etwas können wir ja gar nicht nachvollziehen", sagt er. Und der Transplantationsarzt von 2008 spricht davon, dass es das noch nie gegeben habe, "dass ein Patient danach auf nationalem Level mitmischt".

Von wegen nationales Level - Compton will mehr. Seit 2011 ist er relativ konstant auf der US PGA Tour anzutreffen, der weltweit stärksten Golf-Tour. Im Juni wurde er Zweiter bei der US Open, hinter Martin Kaymer. Es ist eine Sportsensation. In den USA sagen sie gerne: "Der Zweitplatzierte? Interessiert uns nicht." In diesem Fall rutscht die Nebengeschichte ins Hauptprogramm. "So weit war ich noch nie", sagt Compton. Auch wenn er gar nicht so viel gewinnen kann, um jemals als normaler Profigolfer gesehen zu werden, war es für ihn der Beginn einer neuen Karriere. "Ich konnte der Welt beweisen, dass ich nicht nur der Typ mit den zwei Herz-Transplantationen bin."

Inzwischen ist er der Typ mit den vier Major-Teilnahmen, der es in der Weltrangliste in diesem Jahr von Position 367 bis auf Platz 72 geschafft hat. Die Teilnahme bei den nächsten beiden Majors, dem Masters in Augusta und der US Open, ist sicher. Auch die Qualifikation für das Tour-Finale der besten 30 in der kommenden Woche in Atlanta ist drin.

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Und wenn es nicht klappt: Mit Rückschlägen kommt Compton aufgrund seiner Geschichte eher klar als andere. Er muss das auch. Selbst wenn er ein relativ normales Leben führe, "manche Tage sind richtig schlimm". Tage wie dieser heiße Mittwoch in Denver, die schnell zu Kraftlosigkeit und schwerem Atem führen.

Theoretisch darf er dank einer Ausnahmegenehmigung auf einen Golf-Cart zurückgreifen, doch er läuft lieber. "Du darfst niemals aufgeben", sagt Compton. Wer sich schon einmal vorschnell vom Leben verabschiedet hat, versteht es, positiv nach vorne zu schauen. Im Golfsport, in dem es auch um das Verdrängen schlechter Schläge geht, ist das eine wichtige Eigenschaft. Zudem hilft ihm sein Lebensweg, den ganzen Zirkus als den zu sehen, der er ist: "Ich hatte schon deutlich größere Drucksituationen als den Abschlag am letzten Loch. Ich kann die Dinge in Relation setzen."

So versucht Compton, seine Geschichte als Sportler fortzuschreiben. Seine Mutter hilft ihm dabei. Sie sagt: "Erik ist ein Golfer mit zwei Transplantationen, kein Transplantationspatient, der Golf spielt." Diese Beschreibung gefällt ihm. Er benutzt sie nun auch selbst.

© SZ vom 05.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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