Golf:Schlaks auf Rekordjagd

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Schwungästhet aus Sheffield: Matthew Fitzpatrick, 21, hat am Sonntag mit den British Masters sein erstes Turnier auf der European Tour gewonnen. (Foto: Andrew Redington/Getty Images)

Bei einer Bestmarke hat er sogar den legendären Bobby Jones abgelöst: Der Engländer Matthew Fitzpatrick wird als nächstes großes Golftalent gefeiert.

Von Gerald Kleffmann, Woburn/München

Der Ascari A10 würde ihm gefallen, der Stückpreis der limitierten Serie liegt bei einer halbe Million Euro, aber das wäre gerade nicht das Problem. Die Liebe zu diesem für den Straßenverkehr zugelassenen Flitzer entwickelte sich bei Matthew Fitzpatrick, als er sich die TV-Autoshow "Top Gear" ansah. Andererseits: Ein Haus, etwas Solides fürs Leben, das hat oberste Priorität auf der Wunschliste, sprach er, und die 671 550 Euro, die der junge Engländer am Sonntag verdiente, sollten ihm tatsächlich ein Dach über dem Kopf ermöglichen. Dass der Golfprofi Fitzpatrick nach dem Triumph bei der British Masters entspannt seiner Zukunft entgegenblickt, ist verständlich. Mit nur 21 Jahren hat er sich auf höchstem Niveau in Europas höchster Liga, der European Tour, eingereiht. So hoch gar, dass er für einen Moment einen "massiven Schock" erlitt - als er den Zwischenstand in der Ryder-Cup-Qualifikation sah. Es ist zwar noch ein Jahr bis zum Duell zwischen den je zwölf besten Golfern aus Europa und den USA, aber derzeit führt in der europäischen Punkte-Wertung nicht McIlroy, nicht Stenson, sondern dieser freundliche Schlaks aus Sheffield.

Bei einer Bestmarke hat er sogar Bobby Jones abgelöst

Das internationale Männergolf erlebt weiterhin erstaunliche Zeiten, überall ploppen neue Typen auf, aus einem anderen Jahrtausend scheint inzwischen die Dominanz der einst "die großen Fünf" titulierten Tiger Woods, Phil Mickelson, Ernie Els, Retief Goosen und Vijay Singh zu stammen. Dabei rockten The Big Five bis vor wenigen Jahren weltweit. Doch kaum dass die Frage gestellt wurde, wer deren Erben sein könnten, tauchten die Nachfolger frech auf, der Nordire Rory McIlroy als Erster, dann der Amerikaner Jordan Spieth, zuletzt rauschte der Australier Jason Day an die Spitze. Und jetzt? Stehen schon die Nachfolger der Nachfolger in den Startlöchern. Fitzpatrick ist einer von ihnen, davon zeugen Vita, Erfolge, Nerven.

Bei dem mit vier Millionen Euro dotierten Turnier im Woburn Golf Club führte Fitzpatrick nach jeder Runde, Wire-to- Wire heißen solche seltenen Siege. Dass mit jeder Runde der Erwartungsdruck zunahm, bereitete ihm keine Kopfschmerzen, "ich habe es genossen", sprach Fitzpatrick glaubhaft. Er bekam ja wirklich bis zum Schluss keine Zitterhand, blieb mutig, agierte clever und spielte etwa am letzten Loch cool auf Sicherheit und gönnte sich ein Bogey, weil das für den ersten Profititel reichte. Jung, selbstbewusst, abgebrüht, dafür steht Fitzpatrick, der als Profi da weitermacht, wo er als Amateur aufgehört hat. Er war der erste Engländer nach 102 Jahren, der US-Amateur-Champion wurde (2013). Wie McIlroy und Spieth führte er die Weltrangliste der Amateure an. Er war der beste Amateur, der bei der Open Championship 2013 und der US Open 2014 starten durfte - ein Amateur-Double, das zuletzt Bobby Jones 1930 schaffte.

Der Erfolg ist bei Fitzpatrick schon lange vorgezeichnet. Im Sommer 2014 warf der Sohn eines Bankers nach nur einem Semester auf einem College in Chicago hin (auf das einst auch Landsmann Luke Donald ging, der ihm als Mentor auf der Tour hilft) und qualifizierte sich Ende des Jahres über die Qualifying School für die European Tour. 413. im World Ranking war er damals. Vor Woburn stand er auf Platz 111, nun ist er 59. und damit sechstbester Engländer. In den Top 100 ist er der Jüngste. Kein Profi auf der European Tour landete häufiger in den Top drei bei Turnieren als er (fünfmal). Nur zwei Spieler sind zugleich in den Top Ten der Statistiken Driving Accuracy (Abschlagspräzision) und Greens in Regulation (den Ball in der Soll-Zahl an Schlägen aufs Grün gespielt) - Matthew Fitzpatrick ist einer davon, und doch sagte er nach seinem Sieg auch ernst: "Ich dachte wirklich, dass ich die Woche nicht mein A-Spiel hatte."

Falsche Koketterie war das nicht, eher Realismus; er weiß, was er kann. Naiv jedenfalls geht er die nähere Zukunft nicht an. Vater Russell setzte ihm ja ein fürwahr schlaues Ziel: die Top50 der Weltrangliste. Dann darf man alle Turniere spielen, auch die vier Majors, und dann, zählt Fitzpatrick auf, "ist das Geld größer, und es ist einfacher, Ranking und Tourkarte zu behalten". Sogar einen Namen gab der Vater diesem Plan, "er sagte dazu das Wort Sich-selbst-am-Leben-erhalten", verriet der Junior. So, wie es bei Fitzpatrick läuft, wird er sicher weiter auf seinen ihn beratenden Vater hören.

© SZ vom 13.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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