Golf:Neuer Schwung

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Die 15 Monate, in denen Tiger Woods kein Profi-Golf gespielt hat, haben ihn stark verändert. Bei seiner Rückkehr in Nassau auf den Bahamas wird sich nun zeigen, wie gut das seinem Golfspiel getan hat.

Von Frieder Pfeiffer, München

Es ist erst ein paar Wochen her, da erklärte das US-Magazin Golf Digest stolz, es habe tatsächlich einen Bereich gefunden, "in dem Tiger Woods nicht mit den besten Golfern der Geschichte mithalten kann". Es ging dann um Literatur, genauer gesagt: Golf-Literatur. Woods komme in seiner langen Karriere erst auf eine Buch-Veröffentlichung ("Wie ich Golf spiele"), andere Legenden hingegen füllten ganze Klubhaus-Bibliotheken mit ihren interessanten und weniger interessanten Gedanken.

Woods spielte lange Zeit nur Golf, er teilte wenig, schon gar nicht interessante Gedanken. Er gewann dabei aber mehr als hundert Profiturniere, darunter 14 Majors, und wurde zum ersten Sport-Milliardär der Welt. Für viele Jahre stand Woods für die Sportart Golf, er war - auch ohne Bücher und offen geteilte Gedanken - größer als sein Beruf. "Er hob Golf auf eine neue Ebene", sagte Tim Finchem unlängst. Der Boss der US-PGA-Tour weiter: "Er ist der Größte der Geschichte."

Vielleicht war es gerade die außersportliche Enthaltung, die Woods diese Aura verlieh. In vorher und nachher unerreichten 683 Wochen, die dieser unnahbare Golfer zu Beginn des Jahrtausends an der Spitze der Weltrangliste verbrachte, drehte sich der Golfplanet um die Woods'sche Achse, alles stand in Bezug zum Jahrhunderttalent, in den USA gilt er noch heute als bekannteste Athlet der Welt - sportartübergreifend. Verantwortlich für diese Entwicklung Woods war der Woods der Phase eins: der Titeljäger.

Am Dienstag dieser Woche saß Woods, 40, auf den Bahamas und sprach von "Phase zwei" seiner Karriere - und seines Lebens. Dieser Woods ist nicht nur wieder ein fitter Athlet mit allerdings gedämpften Siegansprüchen. Der Woods, der an diesem Donnerstag in der von ihm ausgerichteten Hero World Challenge als Nummer 898 der Welt sein Comeback nach 15 Monaten Verletzungspause gibt, schaut auf die Gründung seiner eigenen Firma zurück, in der er seine Arbeit als Golfplatz-Designer, Restaurantbetreiber und Stiftungsträger vereint. Er hat tatsächlich ein zweites Buch für 2017 angekündigt - und: Er spricht über seine Gedanken, auch die interessanten während seiner Verletzungspause. "Es war eine harte, harte Zeit. Ich kam nicht einmal aus dem Bett", erzählt Woods.

Der Phase-zwei-Woods, Vater von Alexis, 9, und Sam, 7, ist mehr als ein Sportler, auch, weil er sich zwischen Phase eins und Phase zwei eben sehr viele Gedanken machen musste, was sein Leben ohne Sport bereithalten könnte - außer jeden Tag acht Stunden lang Videospiele zu zocken. Phase eins seiner Karriere endete 2009 mit dem Skandal um seine zahlreichen Affären, es folgten durchwachsene Jahre, durchaus mit Erfolg, doch vor allem mit dem Scheitern an eigenen und fremden Ansprüchen.

Woods wechselte zweimal den Trainer, 2015 schließlich spielte er, gefangen zwischen Altem und Neuem, das schlechteste Golf seiner Karriere. Hinzukamen drei Operationen am Rücken. Einer Karriere als Buch-Autor war er damals phasenweise näher als der Rückkehr auf den Golfplatz. Woods-Freund Michael Jordan verriet dem TV-Sender ESPN, dass Woods die Aufregung um seine Fehltritte damals nicht losgelassen habe. Aber nicht nur der Kopf war eine Baustelle. Auch am Schwung bastelte Woods im wieder, nicht immer mit Erfolg. Bei einer Spaß-Veranstaltung in diesem Jahr schlug er den Ball dreimal ins Wasser - aus nicht einmal hundert Metern Entfernung zum Ziel.

Tiger Woods (l.) am 6. Juni 2015 in Dublin/Ohio, wenige Wochen bevor er am Rücken operiert wurde. Nun wieder deutlich fitter: Woods (r.), 40, in dieser Woche beim Einspielen für das Turnier in Nassau. (Foto: Getty/AFP)

Woods spricht nun von einer "Übergangsphase", er meint es sportlich, doch auch der Mensch Woods habe sich verändert, sagen sie auf der Tour. Wärmer sei er, nicht mehr so scheu. Bestes Beispiel: Beim Ryder Cup vor zwei Monaten agierte Woods nicht nur als Co-Trainer Woods, sondern sogar als Mentor für die nächste Generation.

Auf den Bahamas ist Woods nun die Nachricht wichtig, dass er die Übergangsphase abgeschlossen habe, er spricht von einer "anderen Realität". Sportlich sieht er sich nach seinem kurzfristigen Rückzieher im Oktober nun wieder in der Lage "jeden Schlag zu spielen". Früher hätte das wie eine Drohung geklungen, jetzt klingt es versöhnlich, fast wie eine Verheißung, nicht nur für das prominent besetzte Einladungsturnier in dieser Woche.

In der Übergangsphase hatte der Sport die Möglichkeit, sich ein wenig von der Lichtgestalt zu emanzipieren. Er tat dies nicht ohne Erfolg. Doch jeder mickrige Woods-Auftritt befeuerte die Unabhängigkeitsdebatte, jeder Tiger-Schwung auf noch so verwackelten Handyvideos brachte die Golf-Welt wieder zum Beben und holte die alte Gewissheit zurück: Golf can't quit Tiger Woods. Der Golfsport kann Tiger Woods nicht verlassen.

Es ist eine Liebe, die wohl nie endet. Doch wenn sich die Beobachter jetzt auf Woods' neue Schuhe stürzen, wenn seine neuen Schläger, zu denen er wegen des Rückzugs seines bisherigen Partners greifen musste, unablässig Thema sind und sogar Justin Rose, Goldmedaillengewinner von Rio, Fanfotos von seiner Proberunde mit Woods veröffentlicht, wird klar, dass da schnell etwas überhitzen könnte.

Ob Tiger Woods den Golfsport wohl je verlassen können wird? Der Phase-zweiWoods sagt dazu: "Ich spiele leidenschaftlich gerne Golf. Wichtiger sind aber meine Kinder. Wenn ich beides vereinen kann, ist das die perfekte Welt. Wenn ich mich entscheiden muss, wird es nicht Golf sein."

© SZ vom 01.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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