Golf:"Flieg ins Wasser!"

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Spielt auch gegen die Zuschauer an: Rory McIlroy beklagt die giftige Stimmung auf der Anlage. (Foto: Ross Kinnaird/AFP)

Die Stimmung ist aufgeheizt, Rory McIlroy glänzt als Stargeiger, im US-Team ist Patrick Reed bis zur Halbzeit eine Ein-Mann-Show: Einige Weisheiten zum 41. Ryder Cup.

Von Gerald Kleffmann, Chaska/München

Noch am Abend, bevor das Spektakel begann, erschienen die Blues Brothers. Zumindest sahen Europas Spieler so aus, denn ein jeder der zwölf Profis tauchte zur Eröffnungsfeier mit Anzug, Krawatte und dunkler Sonnenbrille auf. Eine Aura der Coolheit umgab sie alle, und auch Martin Kaymer wirkte nicht so, als würde er sich unwohl fühlen mit diesem Look.

Nur einen Tag später dann, am Freitag, war es allerdings mit der lässigen Attitüde vorbei, am ersten Tag des Ryder Cups wurden die ersten Karten schonungslos aufgedeckt, wer sich beim Kontinentalkampf zwischen den USA und Europa im Hazeltine National Golf Club in welcher Form präsentiert und in welchem Klima dieser Wettbewerb stattfindet. Das US-Team überrollte Europa zunächst, führte 4:0. Dann eine kleine Aufholjagd, 5:3. Nach der Schicht am Samstagmorgen (Ortszeit) hatte sich der Gastgeber einen hauchdünnen 6,5:5,5-Vorsprung erhalten.

Doch dann die Vorentscheidung: Die Aufholjagd der Europäer endete am Samstag abrupt, nachdem die Auswahl der USA drei der vier Fourballs gewann und sich auf 9,5:6,5 absetzte. Fünf Ryder-Cup-Weisheiten auf dem Weg zur Entscheidung:

Die Atmosphäre ist wieder giftiger

Die friedlichsten Momente herrschten am Freitag, ehe alles losging, als die Fans den Namen "Arnold Palmer" singend vortrugen. Einigkeit herrscht darin, dass der am vergangenen Montag verstorbene 87-Jährige, eine Golflegende, der "King" war, wie ja auch sein Spitzname lautete. Ansonsten aber machten die Zuschauer, die in Massen bei jedem Loch mitmarschieren, klar: Wir leisten unseren Beitrag, damit die USA endlich wieder siegt; der letzte Triumph gelang dem Team 2008. Für die Europäer bedeutet dies: Verschobene Putts wurden bejubelt. Schlugen sie ab, riefen nicht wenige ab und an: "Flieg ins Wasser!" Gelangen Birdies oder sensationelle Schläge, klatschten nur wenige. Als "feindliche Umgebung" bezeichnete der Nordire Rory McIlroy ganz offen die Stimmung.

McIlroy ist der Leader

Egal, wie der Ryder Cup ausgeht, mit einer Geste hat der viermalige Major-Gewinner bereits für einen speziellen Moment gesorgt, der bleiben wird. Als er mit dem Ryder-Cup-Neuling Thomas Pieters aus Belgien am Freitag im Vierball antrat, gelang ihm an der 16. Bahn das entscheidende Eagle (zwei unter Par) zum gemeinsamen 3&2-Sieg gegen Dustin Johnson und Matt Kuchar. McIlroy verbeugte sich daraufhin zweimal frech wie ein Stargeiger vor seinem Publikum. Später gestand er, er habe schon vor dem Putt über den Jubel nachgedacht: "Ich wollte ein Ausrufezeichen setzen." Auch sagte er: "Ich wollte, dass jeder, der uns zusieht da draußen, weiß, wie viel uns das bedeutete." McIlroy agierte bislang auch ansonsten sehr dominant, er geht voran, wie man sagt, er feuert die Kollegen an, er ist der emotionale Leader der Europäer. Der Schwede Henrik Stenson ist auch einer der Führungspersönlichkeiten, nur eben viel ruhiger.

Die Reed-Show geht weiter

Patrick Reed ist 26, er kommt aus Texas, er ist 1,83 Meter groß und wiegt 90 Kilo. Er sieht, ohne ihm jetzt zu nahe treten zu wollen, nicht aus wie eine explosive Mischung. Aber er ist eine. Er spielt nun zum zweiten Mal für das US-Team, und wahrscheinlich ist keiner bei dieser Veranstaltung so geschaffen für die Atmosphäre eines Ryder Cups wie er. Als seine Mannschaft vor zwei Jahren in Gleneagles, Schottland, verlor, war er die positive Überraschung des Verlierers. Reed spielt Golf, als würde er Fußball spielen. Voller Energie pumpt er sich auf, wenn er den Ball einlocht. Er wiegelt das Publikum mit kämpferischen, animalisch anmutenden Gesten auf. Er ist immer wieder nervenstark, locht lange Putts. Leidet höllisch, wenn ihm etwas nicht gelingt. Mit Jordan Spieth bildet er ein herrlich unterhaltsames Duo. Reed ist eine Ein-Mann-Show und würde sicher gerne mehrmals im Jahr im Ryder Cup spielen, wenn es ihn mehrmals im Jahr gäbe. Er findet aber nur alle zwei Jahre statt.

Martin Kaymer ohne Fortune

Der 31-Jährige aus Mettmann nimmt zum vierten Mal in Serie beim wichtigsten Mannschaftswettbewerb teil. Das ist eine starke Leistung. Drei Siege erlebte er und den speziellsten Moment wohl 2012, als er, der ruhige Profi, in Medinah den entscheidenden Putt lochte und die Fäuste in den Himmel reckte. Im Hazeltine National Golf Club konnte er am Eröffnungstag sowie in den klassischen Vierern am Samstagvormittag keine Punkte beisteuern. Am Freitag kassierte er zwei Niederlagen. Zuerst im Vierer (zwei Spieler spielen abwechselnd einen Ball) mit dem Spanier Sergio Garcia gegen Jimmy Walker und Zach Johnson mit 4&2; bei noch zwei zu spielenden Bahnen hatte das US-Duo einen Vorsprung von vier gewonnenen Löchern. Am Freitagnachmittag dann im Vierball (jeder spielt einen Ball, das beste Ergebnis zählt) kassierte er mit Masters-Champion Danny Willett aus England sogar eine noch höhere Pleite, mit 5&4 gegen Brandt Snedeker und Brooks Koepka . Am Samstagvormittag dann erhielt Kaymer eine Pause, er wurde von Europas Teamchef Darren Clarke nicht nominiert für einen der vier Vierer. "Wenn du eine Wildcard erhälst, versuchst du dein Bestes, um dem Team etwas zurückzugeben", sagte Kaymer an seinem enttäuschenden ersten Tag. "Das ist heute nicht wirklich gelungen." Kaymer spielte solide, aber das war oft nicht gut genug, um sich einen Vorteil zu erkämpfen. Denn die anderen glänzten phasenweise einfach. Bezeichnend war, dass Kaymer im Vierball am Freitagnachmittag kein Birdie gelang - als einziger von allen Profis. Seine Putts seien nicht gefallen, befand er danach. Und auch nach seiner Pause glückte ihm zunächst wenig: Kaymer kassierte an der Seite des Spaniers Sergio Garcia in seinem dritten Einsatz die dritte Niederlage.

Dreamteams

Bei der Zusammenstellung der Zweierteams haben die USA bei den vergangenen Ryder Cups so manchen Fehler gemacht. Dass nicht immer ein Sieg garantiert ist, wenn selbst die Allerbesten zusammenspielen, belegten Tiger Woods und Phil Mickelson einst auf anschauliche Weise. Sie passten im Vierer nicht zusammen. Teamchef Davis Love III ist daher wieder zum "Pod"-System zurückgekehrt, er hat drei Vierergruppen gebündelt, experimentiert nicht mehr herum und lässt die eine Einheit bilden, die wirklich auch menschlich harmonieren. Spieth und Reed sind eigentlich nicht mehr ohne den anderen vorzustellen. Mickelson ergänzt sich gut mit dem jungen Ricky Fowler, die beiden sind aber auch zu knacken, wie McIlroy am Samstag mit Pieters bewies. Möglicherweise wächst da ein neues europäisches "Dream-Duo" für die Zukunft heran. Auch die Spanier Garcia und Rafa Cabrero-Bello glänzten und begeisterten mit leidenschaftlichem Teamgolf. Sie holten am Samstag gegen Spieht/Reed einen Rückstand von vier verlorenen Löchern auf und glichen aus zur Punkteteilung.

Europa ist der Titelverteidiger und benötigt 14 Punkte, um den Cup zu behalten. Bei 14,5 Punkten für die USA würde der Gastgeber reüssieren.

© SZ vom 02.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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