Golf:Die menschliche Version

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Als wäre die Zeit zurückgedreht worden: Tiger Woods überzeugte beim Turnier in Palm Harbor. (Foto: Sam Greenwood/AFP)

Tiger Woods verpasst in Palm Harbor seinen 80. Turniergewinn. Der Altstar begeistert trotzdem endlich wieder mit spektakulärem Spiel.

Von Gerald Kleffmann, Palm Harbor/München

Der Ball rollte los, ein Meter, zwei Meter, die Zuschauer am 17. Grün im Innisbrook Resort von Palm Harbor grölten, vier Meter, fünf Meter, der Ball wurde langsamer, das Grölen lauter, sechs Meter, sieben Meter, der Ball steuerte die rechte Kante an, wurde langsamer, langsamer, würde er es ins Ziel schaffen? Vor dem Loch stockte der Lärm, es war der Moment der Entscheidung: Und dann, sanft, fiel der Ball. "Ist das dein Ernst, ist das dein Ernst?", rief ungläubig ein Kommentator im amerikanischen Fernsehen.

Ja, Tiger Woods, 42, macht ernst. Ihm gelingen wieder ungewöhnliche, kunstvolle Schläge. Was wäre das für eine Geschichte gewesen, hätte Woods, in den letzten Jahren gebeutelt von vier Rücken-Operationen, aber auch von selbst verschuldetem Medikamentenmissbrauch, einen fast so langen Putt abermals verwandelt, auf der letzten Bahn? Es hätte ein Stechen gegeben. "Ich habe mehrmals gesagt, sollte ich nicht gewinnen, möchte ich, dass Tiger gewinnt", versicherte Paul Casey und gestand: "Ich war mir sicher vor der Runde, dass er siegt. Es wirkte alles wie für ihn bestellt." Casey war der Geschichtenverderber, der Engländer hatte sich wie aus dem Nichts mit der besten Runde (65 Schläge) am Sonntag nach vorne gespielt, Woods gelang auf dem Par-71-Kurs eine 70er Runde. Zweiter wurde er, mit einem Schlag mehr in der Endabrechnung nach vier Runden.

Casey, 40, seit langem einer der besten Europäer, aber mit extremen Schwankungen in den letzten Jahren, erlebte selbst einen speziellen Moment, acht Jahre oder 3262 Tage, wie die US PGA Tour errechnet hatte, war er sieglos geblieben auf der schwergewichtigen Profiserie. Die Brot&Butter-Turniere wie diese Valspar Championship am Golf von Mexiko sind mal eben mit 6,5 Millionen Dollar Preisgeld dotiert, 1,17 Millionen Dollar kassierte Casey. Aber er setzte seinen Erfolg nicht in Bezug zu Geld. Er setzte ihn, natürlich, in Bezug zu seinen vergangenen Zeiten, in denen er Phasen des Zweifelns zu bewältigen hatte. "Sehr befriedigend" sei der Sieg, das schon, sagte Casey, aber noch mehr deshalb, "weil es eine Woche war, in der Tiger gutes Golf spielte".

"Leute, Atmosphäre, Adrenalin", schrieb Woods im Internet, "Mann, das habe ich vermisst"

So wie sich jedes Tennisturnier hochwertiger anfühlt, wenn Roger Federer teilnimmt, so hat Woods trotz Verletzungspausen und persönlicher Probleme bis heute diese Aura nicht verloren: Ihn besiegt zu haben, macht jeden Erfolg kostbarer, in 2018 umso mehr, da Woods nach langer Auszeit überraschend erholt zurückgekehrt ist. Er ist wieder ein reeller Maßstab. "Das Gebrüll ist wieder da. Es macht Spaß zu sehen, dass die Fans wieder durchdrehen", sagte Brandt Snedeker, der US-Profi war mit Woods am Wochenende über den Platz gezogen. "Ich kann bestätigen, dass er zurück ist." Als sei jemand auferstanden, so betrachtet die Branche den wieder durchtrainierten Woods, der am Sonntag, der Schlussrunde, das rote Polohemd trug, wie stets in der Karriere. Wäre jemand nach dem letzten Turniersieg von ihm im August 2013, seinem 79., auf eine Reise gegangen und nun erstmals aufgetaucht, er könnte auf den ersten Blick denken, es habe sich an der Vormachtstellung von Woods und an seinem Auftreten nichts geändert. Aber das wäre ein Trugbild, zumindest in manchen Grauzonen.

Natürlich ist Woods nach wie vor auf sein Image bedacht, er ist ein Geschäftsmann mit vielen Projekten, ein Moneymaker, wie sie sagen, in den Bereichen, in denen es um Währungen geht, ist sein ewiger Manager Mark Steinberg nach wie vor die treibende Kraft. Woods selbst wirkt, wohl auch gereift nach seinen Tiefschlägen, jedoch entspannter, weniger unnahbar. Besonders eindringlich charakterisierte ihn Ron Sirak, einer der angesehensten Golf-Berichterstatter in den USA. "Ich begleite Tiger seit 23 Jahren", schrieb er, "die erste Version war größer als das Leben, besser als beworben, unbesiegbar, ein geachteter Athlet. Diese Version ist menschlich, sie erholt sich von physischem und emotionalem Schmerz." Sirak folgerte daraus: "Es ist einfacher, dieses Mann zu lieben." Als Woods den letzten Putt verschoben hatte, hatte er gelacht. Früher war Rang zwei eine Niederlage für ihn. Jetzt baut er ihn auf.

Woods selbst, sonst sehr ausgewogen in Nachbetrachtungen, teilte diesmal mit, wie er, immerhin ja 14-maliger Majorsieger und Milliardär, beeindruckt gewesen sei von den letzten Tagen. "Leute, Atmosphäre, Adrenalin, die letzten neun Löcher am Sonntag. Mann, das habe ich vermisst", schrieb er im Internet und versprach: "Ich werde besser." Schon bald tritt er wieder an, ab Donnerstag nimmt er an der Arnold Palmer Invitation in Orlando teil, beim Masters in Augusta (5. bis 8. April) gilt er gar als Mitfavorit. Er werde demnächst nach Georgia reisen, um vorab den Platz noch mal zu inspizieren, sagte er. Woods macht jetzt ernst.

© SZ vom 13.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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