Golf:Der Ehrgeiz des Schachspielers

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„Du musst dich über den Platz denken“: Bernhard Langer auf der ersten Runde beim Masters in Augusta. (Foto: David Goldman/dpa)

Der 60-jährige Bernhard Langer zählt beim Masters in Augusta zu jenen Senioren, die noch immer bei den Profis mithalten.

Von Gerald Kleffmann, Augusta/München

Es war ein spektakulärer Moment. Fred Couples stand im Bunker, holte aus, die zwölfte Bahn in Augusta ist eine kurze, aufgrund der Schwierigkeit (Bach, schmales Grün) legendär knifflige Par-3-Bahn. In drei Schlägen sollte der Ball in der Norm ins Loch. Sand spritzte auf, der Ball flog, er landete, rollte auf die Kante zu, da jubelte Couples, noch ehe der Ball fiel. Birdie. Eins unter Par. Einen Schlag gut gemacht, aus der Not heraus. Der Jubel der Zuschauern folgte. Der Amerikaner Couples ist 58 Jahre alt, 1992 wurde er Champion im Augusta National Golf Club. 26 Jahre später spielt er dort immer noch mit, beim 82. Masters.

Wie Sandy Lyle. Der Schotte siegte 1988, heute ist er 60 Jahre alt. "Alter ist nur eine Zahl", twitterte die US-Profigolftour nach der ersten Runde von Lyles und zeigte dazu eine Videosequenz: Lyle stand auf dem Grün der Bahn 15, es ist ein langes Par 5, vor dem Grün lauert ein Wassergraben, das Grün fällt rasant ab zum Wasser. Lyle lochte den Ball dann über sechs, sieben Meter ein, mit dem erst dritten Schlag. An exakt dem selben Loch zerstörte der Spanier Sergio Garcia seine Hoffnungen auf eine Titelverteidigung. Er brauchte nicht 3, sondern 13 Schläge. Garcia ist 38.

Wer in Augusta einmal gewinnt, kann so lange beim Masters starten, wie er es will

Natürlich sind sogar noch deutlich jüngere Profis ins elitäre Feld der 87 Starter gerückt. Der Amerikaner Jordan Spieth, der nach der ersten Runde führte, ist 24, die meisten in der Weltspitze sind in den Zwanzigern und Dreißigern. Mitten im Feld tauchen aber immer wieder Namen auf, die man sich bestens in einem Golfmuseum vorstellen kann. Das Masters ist nicht nur berühmt für die Magnolia Lane, die weißen Overalls, die die Caddies tragen müssen; das grüne Jackett, das der Gewinner erhält. Zur Traditionspflege zählt auch, dass derjenige, der einmal das Turnier gewonnen hat, dort so lange starten kann, wie er es will. Auch als Senior, und theoretisch sogar, wenn er am Klappstock geht. Die Regel des ewigen Startrechts gibt es bei keinem anderen der vier Major-Turniere (Masters, US Open, British Open, PGA Championchip). Was auch in Augusta wieder auffällt: Die Senioren können es noch, der Amerikaner Larry Mize, 59, oder der Waliser Ian Woosnam, 60, zum Beispiel schlagen sich achtbar - obwohl die meisten von ihnen nach zwei der vier Runden in Augusta am Cut scheitern dürften. Zwei Senioren haben freilich regelmäßig Aussichten auf Top-Plätze: Couples, der nach Tag eins diesmal 21. war. Und natürlich auch der Dauerbrenner aus Deutschland. Als Bernhard Langer, der im August 61 wird, das erste Mal nach Augusta kam, war Helmut Kohl noch nicht einmal Bundeskanzler. Damals regierte Helmut Schmidt.

Wie geht das nur im Leistungssport?

Diese Frage ist ein Klassiker, spätestens seit Langer vor zehn Jahren von der normalen Tour auf die Champions Tour der Über-50-Jährigen wechselte. Dort räumt er fast alles ab - nur in dieser Saison noch nicht, in der er eine leichte Putting-Schwäche beklagte. Langer ist zum 35. Mal in Augusta dabei. Wie Martin Kaymer, 33, derzeit der beste deutsche Golfer, hatte Langer einen ordentlichen Start (74er Runde, zwei über Par), seine Chance war groß, die Halbzeit-Halbierung des Feldes zu überstehen. Ein Vierteljahrhundert ist es her, dass Langer das Masters zum zweiten Mal gewann, er ist dort 1985 und 1993 in die Siegerlisten eingraviert.

Seine beiden grünen Jacketts hat er übrigens nicht mitgenommen, erzählte er kürzlich, weil ein solches Jackett den Club nicht verlassen dürfe: "Wenn ich zu Mittag oder zu Abend esse, kann ich es anziehen, aber ich darf es nicht von der Anlage mitnehmen. Die wissen genau, wie viele grüne Jacketts es gibt und wo sie sind."

Weil er jetzt dieses kleine Jubiläum begeht, wurde seine Pressekonferenz zweigeteilte. In der einen Hälfte war er ein Zeitzeuge, der erzählte, wie es damals war. Wie er 1985 als Nobody gewann und viele ihn für eine Sternschnuppe am Golf-Himmel hielten. Wie er acht Jahre später fast eine Vier-Schläge-Führung vergab. In der anderen Hälfe analysierte Langer seine Gegenwart als Aktiver. In den Antworten wurden erkennbar, was Langer noch immer antreibt. Er hat noch immer diese Passion für den Golfsport, dieses komplexe Spiel, gerade so, als stehe er am Anfang seiner Karriere. Diese Leidenschaft ist weiterhin sein Motor.

"Ich liebe alles an Augusta", sprach Langer, "verfehlst du das Grün, kannst du aus acht verschiedenen Schlägern wählen, um den Schlag zu machen. Du brauchst wirklich Kreativität und Gefühl. Ich mag die Herausforderung und liebe alles an diesem Platz." Langer fasst es so zusammen: "Du musst dich über den Platz denken." Also denkt er sich über die 18 sehr speziellen Bahnen im Stile eines Schachspielers. "Das ist auch einer der Gründe, warum ich in dem Alter immer noch wettbewerbsfähig bin, weil ich ein 2er Hybrid, 3er Eisen, 4er Eisen schlage, während die Jungen 7er, 8er, 9er Eisen schlagen." Senior Langers Nachteil ist dann ja doch: Ihm fehlen Kraft und Athletik der Jugend. Er muss längere Schläger verwenden, mit denen sich der Ballflug und vor allem die Landung allerdings weniger kontrollieren lassen. Sein Vorteil: die Routine des Schachspielers.

Ja, Langer ist immer noch der, über den es diese Geschichte des Tüftlers gibt. Wie sein früherer Caddie Pete Coleman ihm sagte, die Entfernung betrage 176 Yards, vom Sprinkler-Deckel bis zum Grün. Langer fragte zurück: "Ist das vom vorderen Sprinklerrand oder vom hinteren?"

Langer ist nicht der einzige Tüftler in gesetztem Alter. Vijay Singh von den Fidschi-Inseln, 66, der 2000 in Augusta siegte, war in diesem Jahr auf der ersten Rund noch ein bisschen besser - er glänzte auf Rang 16 des 87er-Feldes. "Wenn du all die Erfahrenen siehst, die hier 15, 20 Jahre gespielt haben", sagte Singh, "die wissen genau, wo sie den Ball hinspielen müssen."

Langer sieht das ebenso, und deshalb glaubt der Deutsche: "Die Jungen, die den Kurs hier noch nicht so oft gespielt haben, können viel von uns lernen." Aus diesem Grund übt Martin Kaymer regelmäßig mit Langer. Er zapft dessen Wissen an. Das ist kein Abkupfern. Das ist schlau von Kaymer, der nach einer Handgelenksverletzung in diesem Jahr in Augusta mit niedrigen Erwartungen startete.

Ehrgeizig ist Langer geblieben. 2014 wurde er Achter, vor zwei Jahren lag er bis zum Schlusstag weit vorne. "Ich wollte da nicht Vierter oder Fünfter werden, ich wollte gewinnen", sagte er. Er weiß, wie man dieses Turnier gewinnt: Man darf sich einfach keine Schwäche leisten, an keinem der vier Tage, auf keiner Runde. Langer ist sich sicher, dass irgendwann auch der Rekord des heute 78-jährigen Jack Nicklaus gebrochen wird: Mit 46 Jahren war Nicklaus der bislang älteste Augusta-Champion. "Es wird vermehrt ältere Profis geben", sagt Langer, "weil alle lernen, fittere Athleten zu sein." Die nächsten stehen bereit.

Tiger Woods zum Beispiel, der in Augusta in diesen Tagen sein Comeback inszeniert, ist 42. Der Reiz des Masters liegt in der Tradition, aber auch darin, dass bei diesem Turnier alle Generationen zu bestaunen sind.

© SZ vom 07.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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