Golf:Bewerbung als Cover-Boy

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Den Beinamen "Iceman" trägt Henrik Stenson, weil er mit unerbittlicher Maßarbeit und unbewegter Mine die Konkurrenz oft kalt erwischt. (Foto: Stuart Franklin/Getty Images)

Nur wenige schlagen Bälle so kraftvoll und präzise - und nur wenige ärgern sich über Fehler so aufbrausend wie Henrik Stenson. Der Schwede ist eines der Gesichter des Sports bei den Olympischen Spielen.

Von Frieder Pfeiffer, Pulheim

Henrik Stenson grinste, er wusste schon, was kommen würde. Der englische Reporter hob an: "Ich muss Ihnen noch die eine Frage zu Olympia ..." Der Schwede ging dazwischen: "Ich gehe immer noch. Ich werde da sein." Die Ansage war deutlich, Stenson verabschiedete sich, nicht ohne zu sagen, man sehe sich dann in Rio. Der Reporter war etwas perplex, er sagte nur: "Awesome."

Super - so verzweifelt ist die Lage bei manchen schon, dass ein Golfer, der zu seiner Olympia-Zusage steht, für Begeisterungsstürme sorgt. Schuld ist eine unvergleichliche Lawine aus Angst vor dem Zika-Virus, Sicherheitsbedenken, dichtem Turnierplan im Sommer und generellem Olympia-Fremdeln, die in kurzer Zeit einige Top-Athleten aus den Olympia-Listen spülte.

Stenson, die Nummer sieben der Welt, setzt bei der BMW International Open in Pulheim bei Köln einen Kontrapunkt. "Das ist doch eine tolle Erfahrung", sagt er. "Ich will die Familie und das Land stolz machen, indem ich eine Medaille gewinne." Stenson verweist auf die Mentalität seiner Landsleute, die große Sportbegeisterung, die Leidenschaft für Olympia. Der 40-Jährige freut sich auf das Olympische Dorf und hofft, bei der Eröffnungsfeier dabei sein zu können. Bedenken? Fehlanzeige.

Stenson lächelt gelassen in Smartphone-Kameras

Stenson bewirbt sich mit seinem klaren Bekenntnis einmal mehr für den Posten des Cover-Boys einer Sportart, deren vorrangiges Ziel in Rio war, für Aufmerksamkeit und einen damit einhergehenden Imagewandel zu sorgen. Mit Aufmerksamkeit und Wandel kennt sich der Göteborger aus, den seine 17 Jahre auf der Tour an einen Punkt gebracht haben, an dem er problemlos in die Rolle des ersten Sieganwärters und Publikumslieblings im Golf Club Gut Lärchenhof schlüpfen kann.

Nach der Runde kritzelte er sein Autogramm auf Golf-Accessoires im Umfang einer mittelgroßen Sportabteilung und lächelte in geschätzt fünf Dutzend Smartphones - die Mischung aus stressgeprüftem Vaterdasein mit drei Kindern und sehr zufriedenstellendem Ergebnis bringt ihn gelassen durch den Fan-Marathon im Kölner Umland. Es ist der entspannte Henrik Stenson, der wie kein anderer auf der Tour Menschen mit seinem trockenen Witz unterhalten kann. Der sonnige Stenson, der allzu oft jedoch dem stürmischen Henrik Platz machen muss.

In den USA sprechen sie anerkennend vom "Iceman"

Sein golferisches Talent ist beeindruckend, nur wenige schlagen lange Bälle so kraftvoll und präzise. Vor zwei Jahren war er die Nummer zwei der Welt, kein männlicher Golfer der Golfer-Nation Schweden war je so gut platziert. In den USA sprechen sie anerkennend vom "Iceman", der mit unerbittlicher Maßarbeit die Elite oft kalt erwischte. 2013 gewann Stenson alle Saisonwertungen des Jahres, sowohl in den USA als auch in Europa. In dieser Zeit war er ständiger Gast unter den Top-5 der Majors, eine seltene Konstanz. Aber auch eine Konstanz, die frustriert - wenn keine Siege dabei herausspringen. Es war die beste Zeit seiner Karriere, die aber auch deswegen so eindrucksvoll erscheint, weil die Tiefpunkte so eindrucksvoll waren.

Der Frust begleitet Stenson, dessen Abstürze extrem geraten, da die stürmische Version des Schweden nichts gemein hat mit dem gelassenen "Iceman". Zwischen 2009 und 2012 fiel er in der Weltrangliste von Position fünf auf 230, im berühmten Standford-Finanzskandal 2009 hatte er zuvor sehr viel Geld verloren. In diesen schwierigen Zeiten flogen bei Stenson die Schläger fast so häufig wie die Bälle, gerne auch mal unwiderruflich ins Wasser. In den USA zertrümmerte er in seiner eigentlich erfolgreichsten Zeit 2013 aus Frust einmal seinen Holzspind.

Aus Frust zertstört er schon mal einen Computer

Martin Kaymer verriet jüngst in einem Interview, wie Stenson beim Masters in Augusta seine Schuhe aus Ärger mit dem Messer zerhackte. Stenson versucht, solche Geschichten erst gar nicht geheim zu halten, zu offensichtlich wütet sein Talent immer mal wieder vor TV-Kameras. Er selbst weiß auch, belustigt manche Anekdote beizusteuern. Zwei Computer habe er zu Hause in Florida schon in die Einzelteile zerlegt, weil er die CD nicht aus dem Laufwerk brachte. "Ich war erst lange ruhig und habe es probiert. Aber es hat nicht funktioniert." Die Computer fanden ihr Ende an der Zimmerwand.

Stenson selbst ist klar, dass diese Art der Frustbewältigung auch auf dem Kurs keine zufriedenstellenden Ergebnisse liefert, weswegen er seit einiger Zeit besonnener auftritt. In Köln ist er sowieso meist entspannt. Das Turnier der European Tour fungiert als Vorbereitung auf die wichtigen Majors im Juli und Olympia im September. Zudem konnte er das Turnier 2006 gewinnen, hier kommt er meist sehr gut zurecht. Vor den beiden Finalrunden am Sonntag liegt er in geteilter Führung, am verregneten Samstag musste er gar nicht auf den Kurs. Das erste Ziel ist erreicht: "Ich wollte mich in Schlagdistanz bringen - und das habe ich getan." Stenson schaut entspannt, als er zur Umkleidekabine marschiert. Spind und Schuhen droht in Köln bislang keine Gefahr.

© SZ vom 26.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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