Golf:Aufstieg des Eichhörnchens

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Lydia Ko, 19, gegen Ariya Jutanugarn, 20 - an der Spitze im Frauen-Golf spitzt sich das Duell zweier Hochbegabter zu. Vor allem mit den jüngsten Erfolgen der Thailänderin Jutanugarn hatte niemand gerechnet.

Wie viele Rekorde passen in ein junges Leben? Lydia Ko ist 19 Jahre alt, sie darf in den USA keinen Alkohol trinken, aber sie durfte schon früh die dortige Golfwelt auf den Kopf stellen. Mit 17 war sie die jüngste Nummer eins der Welt, vier Jahre jünger als das männliche Pendant in den Bestenlisten, ein gewisser Tiger Woods. Sie war die jüngste Siegerin eines Profiturniers, jüngste Major-Siegerin, spielte die niedrigste Major-Finalrunde der Geschichte, war natürlich auch die jüngste Spielerin mit zwei Major-Siegen - es könnte noch ewig so weitergehen. Es sind also sehr viele Rekorde, die in so ein junges Leben passen.

Inzwischen hat Ko, geboren in Seoul, aufgewachsen in Neuseeland, unglaubliche 19 Profisiege in der Karrierebilanz stehen, 14 davon auf der LPGA Tour, der führenden Serie im Frauengolf. Sie wurde zum Über-Woods stilisiert, wortgewandt, charmant, dominierend. Würde Frauengolf auf Jahre eine Ein-Frau-Show werden, die Machtdemonstration einer Athletin, die nebenbei in Seoul an einer Elite-Universität studiert? Das war eine weitere Frage, die Kos Aufstieg begleitete. Zumindest Letztere ist beantwortet. Denn in diesem Jahr erklomm plötzlich Ariya Jutanugarn die Weltspitze flott wie ein Eichhörnchen einen Baum - und war dabei ebenso eifrig: Zwischen Mai und August sammelte die Thailänderin fünf Siege auf der LPGA Tour, darunter ihre ersten drei in Serie; sie ließ sich dabei auch nicht von einer Verletzung stoppen, die sie unter anderem die Olympischen Spiele kostete. Die 20-Jährige ist die neue Nummer zwei der Welt - und plötzlich die große Herausforderin, mit der niemand rechnete.

Das Duell spitzt sich in diesen Wochen zu. Im Rennen um die begehrte Auszeichnung als Spielerin des Jahres führt Jutanugarn inzwischen, die sehr knappe Saisonwertung wird mit großer Wahrscheinlichkeit erst beim Finale Mitte November entschieden. Jutanugarn konnte in dieser Woche in Südkorea ihren Rückstand weiter verkürzen, die Tour freut sich über den "Kampf um die Ehre". Es ist ein Duell zweier junger Spielerinnen, die sich eigentlich erst einmal die Zähne an der älteren Konkurrenz hätten ausbeißen sollen, so lautete das Skript. Stattdessen lecken die Arrivierten gerade ihre Wunden.

Das Duell der Aufsteigerinnen ist dabei ein eher ungleiches: auf der einen Seite die zierliche Ko, sehr präzise in ihren Schlägen, schon als Teenager sehr professionell im Umgang mit den vielen Anforderungen an eine Nummer eins, fleißig, mit sehr wenigen Fehlern auf und neben dem Platz. Und daneben Jutanugarn, die scheinbar unberührt auftritt, dabei aber eine so ungeheure Kraft entfalten kann, dass sie ihre langen Schläger gerne einmal gar nicht mit auf die Runde nimmt. "Ariya und ich haben so ein unterschiedliches Spiel", weiß auch Ko. "Sie schlägt den Ball ewig weit - ich bin da nur Durchschnitt."

Durchschnittlich ist das Duell jedoch weniger, auch, weil sich Ko sehr für ihre neue Kontrahentin begeistern kann. "Schon als Amateure haben wir zusammengespielt, für mich ist ihre Entwicklung keine Überraschung." Zwangsläufig war sie dennoch nicht, nachdem sich Jutanugarn 2013 beim Herumtollen mit ihrer Schwester Moriya, ebenfalls Golf-Proette (Nr. 80 der Welt) auf dem Golfplatz eine Schulterverletzung zuzog, lange ausfiel und noch länger den Anschluss nicht fand. Das Unglück war symptomatisch für Jutanugarn; Karen Stupples, eine frühere Weltklasse-Golferin und heutige TV-Expertin nannte sie "einen kleinen Welpen mit zu großen Pfoten", der spielerisch die Welt entdecke. Gleichzeitig entdeckt nun Thailand seine talentierte Golferin, der Staat macht fleißig Werbung mit ihr; ihr Verhalten solle tatsächlich "Beispiel" sein. Jutanugarn hat jedenfalls einen Weg gefunden, ihr entspanntes, fröhliches Wesen auf dem Golfkurs nicht ablegen zu müssen. Nach Zeiten "großer Angst" auf dem Platz lächelt sie nun vor jedem wichtigen Schlag - der Weg zum Erfolg führt auch im Golf immer über den Kopf. "Sie bringt Spaß auf die Tour", sagt auch Ko: "Und es ist immer schwierig, jemanden zu schlagen, der viel kann und dabei noch Spaß hat."

Das Duell Ko, vier Saisonsiege, gegen Jutanugarn, fünf Siege, bringt der in den USA beheimateten Tour jedoch nicht nur Freude. Der Erfolg des Duos ist auch Ausweis des schwindenden Einflusses der stolzen US-Golfnation. Neben Ko und Jutanugarn tummeln sich neun Südkoreanerinnen unter den Top 20 der Welt, dazu kommt eine Chinesin. Die beste Nicht-Asiatin: ausgerechnet eine Kanadierin, die ebenfalls erst 19 Jahre alte Brooke Henderson auf Rang vier. Zwei US-Siege in dieser LPGA-Saison sind eine Enttäuschung, zuletzt waren es immer mindestens sieben Titel pro Jahr. Ko und Jutanugarn ist das natürlich egal. Sie kämpfen weiter um die Ehre, mit einem Lächeln.

© SZ vom 17.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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