Golf:Auf Fortbildungsreise

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"Der Anspruch war doch ein bisschen höher": Martin Kaymer hadert noch ein wenig mit seinem zwölften Platz bei der PGA Championship. (Foto: USA Today Sports)

Martin Kaymer ist mit den Saison-Ergebnissen nicht zufrieden - in Greensboro muss er um die Teilnahme am FedEx-Cup kämpfen.

Von Gerald Kleffmann, München

Martin Kaymer hat zwar seinen PGA-Championship-Titel von 2010 in Whistling Straits am Wochenende an selbiger Stätte nicht wiederholen können. Zwölfter wurde er beim ersten Major-Triumph des Australiers Jason Day. Eindruck hat der Deutsche dennoch hinterlassen. In der Netz-Gemeinde tobt eine fröhliche Debatte darüber, ob die Polohemden, die der Rheinländer trug, nun eine Offenbarung waren oder doch der Albtraum auf Erden. "Kaymer gewinnt leicht den Preis fürs schlimmste Shirt", schrieb etwa Clay Crudup. "Hat er das Hemd mit der Bluse seiner Frau gewaschen?", fragte Tim Buckley. Sicher bezogen sie sich besonders auf jene rote Variante, die Kaymer in Runde zwei trug. Das Farbmuster ähnelte da einem Berg Tartar samt Prisen von Meersalz. Die blaue Tönung am Samstag war zumindest fürs Auge angenehmer, eine 65 gelang Kaymer in Runde drei, womit er sich in Stellung brachte. Doch es folgte die 73 am Sonntag und ein knurriges Fazit: "Der Anspruch war doch ein bisschen höher. Es ist relativ enttäuschend, so aufzuhören."

Somit spiegelte sich in seinem sportlichen Auftritt in Wisconsin irgendwie auch sein Saisonverlauf wider. Kaymers Spiel funktioniert, er muss längst nicht mehr an grundlegenden Abläufen tüfteln, nach einer Schwungumstellung vor Jahren hat er längst seine Technik gefunden. Kaymer kann jede Flugkurve schlagen, nach links, nach rechts, je nach Bedarf, "die letzten Wochen habe ich wirklich gutes Golf gezeigt", urteilte er in den USA. Aber eben auch: "Das Ergebnis reflektiert das nicht wirklich. Aber früher oder später wird es das." Er hofft natürlich früher, kurzfristig hat er sich dazu entschlossen, ab diesem Donnerstag beim Turnier der US-Tour in Greensboro/North Carolina zu starten. Kaymer braucht dringend Punkte, um sich noch für die Playoff-Serie, den FedEx-Cup, zu qualifizieren. 149. ist er im Klassement, die besten 125 nehmen an der ersten Playoff-Veranstaltung kommende Woche in Edison/New York teil. Das Feld wird dann sukzessive reduziert, bis die besten 30 das Saisonfinale bestreiten. 2014 schaffte es Kaymer bereits bis Atlanta und belegte Rang 23. Sage und schreibe 35 Millionen Dollar werden in dieser Serie verteilt.

Das Finanzielle jedoch wird bei dem Rheinländer nicht der vorrangige Anreiz sein, allein sein Karriere-Preisgeld beträgt an die 25 Millionen Dollar, nette Werbemilliönchen sind noch nicht eingerechnet. Kaymer ist ja jemand, das gibt er stets zu verstehen, der vor allem sich selber etwas beweisen will. Der nicht nur mitschwimmen will in der erweiterten Weltspitze, sondern der den Anspruch hat, zu gewinnen. Auf höchster Ebene hat er erstaunliche zwölf Mal reüssiert, darunter sind zwei Majors und die Players Championship. In Deutschland ahnt man gar nicht immer, wie gut dieser Kaymer wirklich ist, aber innerhalb des Profigeschäfts ist er absolut respektiert, seit Jahren. Day, Champion in Whistling Straits, hat auf der Sieger-Pressekonferenz ungefragt noch einmal davon geschwärmt, was er von Kaymer gelernt habe, als er 2010 die finale Runde mit dem Deutschen bestritt, auf der Kaymer den ersten Majorsieg errang. "Zu sehen, wie er spielte, wie er ruhig blieb, wie er nicht immer auf maximale Weite ging, das half mir, Golf besser zu verstehen", sagte der 27-Jährige vor der Weltpresse. Somit darf Kaymer auch ein wenig für sich in Anspruch nehmen, Day verspätet mit zum Sieg geführt zu haben. Aber das würde er natürlich nie denken. Kaymer weiß, wie sehr Golf ein Einzelsport ist, dass sich am Ende jeder der nächste sein muss. Dass es nicht immer einfach ist, diese Rolle so zu leben, dass man sich als Person nicht verliert, dass man sich wohl fühlt mit sich selbst, hat Kaymer jüngst auch wieder erklärt.

Als er zur Nummer eins der Welt aufgestiegen war, musste er sich neu erfinden. Heute sagt er, er habe damals zu vielen fremden Interessen gerecht werden wollen, er habe zu oft auf andere gehört, wobei er offen lässt, wen er damit meint. Sein Umfeld ist seit langem im Grunde dasselbe. Nun hört er mehr auf sich, vertraut den Instinkten und betrachtet seinen Beruf vielmehr als eine Art Fortbildungsreise. Er sei einer, der nie aufhören wolle zu lernen, daher sei er auch ein besserer Spieler als 2011, als er das World Ranking als zweiter Deutscher nach Bernhard Langer anführte.

Sich auf neue Situationen einzustellen, sie zu meistern, auf dem Platz, neben dem Platz, das ist etwas, das den größten Reiz für Kaymer ausübt. So gesehen ist Greensboro eine interessante Aufgabe jetzt. Er muss für das Ziel, die Playoffs zu erreichen, nicht gewinnen. Aber ein Spitzenplatz sollte es sein. Wenn es nicht klappt? Kaymer ist da entspannt, er weiß, Golf ist ein Spiel, in dem sich Erfolg eben nicht erzwingen lässt. Früher oder später klappen die Dinge, so sieht er das. Und ja, mit der Taktik fährt er gut seit langem. Kaymer, der in dieser Saison drei Top-Ten-Ergebnisse hatte, wird sich treu bleiben. Selbst wenn es 2015 nicht mit einem Titel klappen sollte.

© SZ vom 19.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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