Glossar zur Autobiografie von Mike Tyson:Bling-Bling bis in den Ruin

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Mike Tyson: Muskelspiele im Ring und außerhalb (Foto: dpa/dpaweb)

Mike Tyson war einst der beste Boxer im Schwergewicht, dann wurde er zum Ohrenbeißer, Sträfling und Alkoholkranken. In der Autobiografie "Unbestreitbare Wahrheit" beschreibt er detailliert all das, was ihn in den Abgrund führte. Ein Glossar.

Von Saskia Aleythe

Michael Gerard Tyson wurde am 30. Juni 1966 in Brooklyn, New York City, geboren und wurde im Alter von 20 Jahren zum jüngsten Schwergewichtsweltmeister. Ein Rekord, den er bis heute hält. Tyson war vor allem für seine Fähigkeit berühmt, seine Gegner schon in den ersten Runden k. o. zu schlagen. 1992 wurde Tyson wegen Vergewaltigung verurteilt, er saß daraufhin drei Jahre im Gefängnis. Im März 1996 konnte der damals 29-Jährige seinen WM-Titel gegen Frank Bruno zurückerobern. Endgültig zum Skandalboxer wurde er 1997, als er seinem Gegner Evander Holyfield ein Stück vom Ohr abbiss. Nach Lizenzentzug, einer erneuten Haftstrafe und misslungenen Comeback-Versuchen beendete er 2005 seine Karriere als Profiboxer. Seitdem arbeitet er unter anderem als Gastschauspieler und hat eine eigene Broadway-Show.

Die wichtigsten Begriffe aus der neu erschienenen Autobiografie "Unbestreibare Wahrheit":

Arsch, der: Schimpfwort für Personen, die Mike Tyson entweder mal umbringen wollte oder immer noch umbringen will (siehe Don King). Gelegentlich im Zusammenhang mit seiner Sexsucht (siehe Tripper) auch als Ausdruck für das weibliche Gesäß verwendet. Oder sein eigenes, beispielsweise auf einer Party mit Filmemacher Mitchell Rose: "Ich hob seinen Nerzmantel auf, zog die Hosen runter und wischte mir mit seinem Mantel den Arsch ab."

Bling-Bling: luxuriöser Lebensstil Tysons, der im Wesentlichen durch tiefergelegte Edelkarrosserien und Goldschmuck im Ausmaß von Industrieketten gekennzeichnet ist. Nach Eigenaussage eine Erfindung von Mike Tyson. "Bei aller Bescheidenheit muss ich doch darauf hinweisen, dass ich mit meinen spezialangefertigten Stretch-Limousinen und meiner Sammlung von Lamborghinis und Rolls-Royces die ganze Bling-Bling-Luxuswelle ausgelöst habe." Trug mit zum Ruin von Tyson bei, neben den zahlreichen Anklagen. "Weil ich unbedingt Geld brauchte, verkaufte ich 62 meiner Fahrzeuge, darunter Sportwagen, sechs Ducatis und vier Honda-Laster - für insgesamt 3,3 Millionen Dollar." Die Anschaffung von Tiger- und Löwenjungen war auch nicht die klügste Entscheidung.

Cus D'Amato und Camille: Zweitfamilie nach dem Tod von Tysons Mutter. D'Amato wurde Tysons Ziehvater und soll schon beim ersten Training gesagt haben: "Er hat das Zeug zu einem Weltmeister im Schwergewichtsboxen" (siehe Ego). Drillte Tyson unerbittlich, prägte ihn aber auch immens. Starb ein Jahr vor Tysons erstem Titelkampf, legte vorher noch einen Rentenfond für ihn an. Als der Boxer das Jahre später mitbekam, heulte er los "wie ein Baby".

Don King: Von Beruf Boxpromoter, per Definition von Tyson "Schlange", "Wichser", "Lügner", "Betrüger" und "reines Gift". Sorgte sich wenig um die sportliche Attraktivität von Tysons Gegnern, kümmerte sich dafür ausgiebig um seinen eigenen Geldbeutel. Wurde dafür von Tyson auf etwa 100 Millionen Dollar verklagt, konnte Tyson aber geschickt um den Finger wickeln. "Wenn ich an all diese schrecklichen Dinge denke, die mir Don in all den Jahren angetan hat, könnte ich ihn noch immer umbringen."

Ego, das: Überlebensgroße Selbstwahrnehmung von Mike Tyson. Verglich sich teilweise nach Kämpfen mit Alexander dem Großen. "Es gibt keinen, der mir das Wasser reichen kann, mein Stil ist makellos, meine Verteidigung unbezwinglich, und ich bin grausam und bösartig." In diesem Sinne Triebfeder für seine Boxkarriere und zahlreichen Eskapaden. Wurde demütiger, als er zum Islam konvertierte. Zumindest ein bisschen.

Furien, die: Synonyme für Tysons erste Frau Robin Givens und ihre Mutter. Erstritten sich viel Geld von Tyson, bezichtigten ihn dafür unter anderem der häuslichen Gewalt während der Live-Übertragung einer Fernsehsendung. "Diese beiden Tussis waren kalt wie Hundeschnauzen. Es war meine erste Beziehung, und ich wollte diese Liebe einfach ausradieren, aber sie hinterließ doch einen schwarzen Fleck auf meinem Herzen und schlug mir tiefe Narben."

Gefühle, die: Gemütszustand, lange gleichbedeutend mit Wut und Gewaltausbrüchen, beziehungsweise durch Drogen verdrängt. Später vielfältiger ausgeprägt. Vor allem nach dem Tod von Tysons vierjähriger Tochter Exodus, die sich mit Bändern am Laufband strangulierte. "Exodus zu verlieren, war das bitterste und hilfloseste Gefühl, das ich je empfunden habe." Hat neben ihr noch sieben andere Kinder von verschiedenen Frauen.

Hummer, der: Gefängnisessen (siehe Unschuld) von Mike Tyson. Verbunden mit seiner Fähigkeit, in den ausweglosesten Situationen zu Geld oder Besitztümern zu kommen. Verkaufte im Gefängnis Fotos prominenter Frauen oder vermittelte Telefonsex. Bekam dafür Luxus-Essen, einen Walkman oder ein Handy. "Wir lebten im Knast wie Könige."

Iron Mike: Image, dass sich Mike Tyson nach seinem Aufstieg zum Schwergewichtsweltmeister selbst verpasste. Setzte sich im Wesentlichen aus Bling Bling, Gewalt, Alkohol, Drogen (siehe Koksnase), Frauen und Ego zusammen. "Dieses Image des großen, bösen Scheißkerls war irgendwie berauschend, aber tief im Innern war ich immer noch ein kleiner Angsthase und verängstigter Junge, der nicht wollte, dass man ihn schikanierte und auf ihm herumhackte."

Joga, das: Sinnbild für die Ausprägungen des Lebensstils von Mike Tyson. "Ich bin halt ein Extremist - entweder machte ich Joga oder ich setzte mir einen Schuss." Lief zeitweilig jeden Tag 20 Meilen. "Ich lief, bis ich high war und wie ein Schwein schwitzte und die Leute ihre Autos anhielten und fragten, ob sie mich mitnehmen könnten." Tyson ist aktuell eher Joga.

Koksnase, die: Synonym für Mike Tyson. Auch im Selbstgebrauch verwendet. Parallel dazu Bezeichnung für seine vom Koks zerfressene Nase, die Tyson irgendwann dazu brachte, das Kokain wahlweise zu rauchen oder zu lecken. Brachte damit seine Frau Lakiha beinahe ins Gefängnis, weil sie nach einem Kuss positiv auf Drogen getestet worden war.

Larry Sloman: Tysons Co-Autor, schrieb schon Biographien über Kiss-Schlagzeuger Peter Criss und Red-Hot-Chilli-Peppers-Sänger Anthony Kiedis. Folgte Tyson bei seiner Arbeit in die Garage zu seinen gurrenden Tauben, zum Friseur oder ins Einkaufszentrum. Ist laut Tyson ein "richtig cooler Typ", aber auch manchmal "die Fliege an der Wand, die ich am liebsten erschlagen hätte, aber du wusstest immer, wann du davonfliegen musstest, um dann zu einem günstigeren Moment zurückzukehren."

Mutterliebe, die: In der Regel angeborenes Gefühl dem eigenen Kind gegenüber. Vermisste Tyson an seiner Mutter, die gab ihm zur Beruhigung schon als Kind Alkohol. Eklatanter Mangel in seiner Jugend, die er erst in Abrisshäusern im Brooklyner Ghetto verbrachte, dann in Erziehungsanstalten.

Naivität, die: Geisteshaltung, die in falscher Umgebung zum eigenen Nachteil werden kann. Trieb Tyson in den Ruin. Gab seiner ersten Frau Robin Givens eine Generalvollmacht über sein Vermögen, auch Don King konnte sich lange unentdeckt bereichern. Hatte einst 400 Millionen Dollar verdient und war Jahre später pleite. "Ich war der gefürchtetste und gnadenloseste Boxer meiner Zeit und jetzt machte mir der Preis einer verdammten Cornflakes-Packung Angst."

Ornament, das: Gesichtstätowierung, mit der Tyson regelmäßig Visagisten in die Verzweiflung treibt. Entstand 2003 in einem Anflug von Selbstzerstörung: "Ich hasste meine Visage und wollte mir irgendwie ein neues Gesicht verschaffen. Zuerst schlug ich vor, winzige Herzchen über mein ganzes Gesicht zu verteilen." Hatte ausnahmsweise mal einen guten Berater an seiner Seite, der ihm die Herzchen wieder ausredete. Stattdessen wurde es ein Stammeszeichen von Maori-Kriegern.

Penisattrappe, die: nützliches Hilfsinstrument zur Verschleierung von Drogenkonsum. "Ich musste also meinen 'Whizzer' benutzen, einen falschen Penis, in den du den sauberen Urin von jemand anderem füllst, bevor du den Drogentest machen musst. Jeff Walds Assistent Steve Thomas war auf meinen Reisen immer dabei und half mir aus." Angesichts seiner Drogensucht (siehe Koksnase) war die Vertuschung eine Spezialdisziplin von Tyson. "Man hätte mir eigentlich einen Bonus geben müssen, denn unter dem Einfluss von Pot zu boxen, dämpfte sicherlich meine Aggressionen."

Quell der Inspiration, der: Überraschungsmoment in der Biografie von Mike Tyson. Las sich als Jugendlicher durch das Bücherregal seines Boxtrainers D'Amato. Entdeckte dort Literatur von Leo Tolstoi, Oscar Wilde oder Friedrich Nietzsche. Kann nun solche Sätze zitieren: "Napoleon hat mal gesagt: 'Vom Erhabenen zum Lächerlichen ist es nur ein Schritt.' Ich machte den Schritt hunderttausendmal."

Rückfall, der: Lebensabschnitt von Mike Tyson, meist andauernd und wiederkehrend. Besondere Tragweite im Zusammenhang mit Sex-, Alkohol- und Drogensucht (siehe Koksnase). Ließ alles mindestens einmal therapieren, lernte dabei die 70-jährige Therapeutin Marylin Murray kennen, die ihn aus dem tiefsten Schlamassel holte und eine Art Mentorin für ihn wurde (siehe Muttergefühle). "Sie hatte einfach unglaublich viel Liebe, Fürsorge und Begeisterung übrig. Und sie war auch nicht auf dem Trip, mit mir das große Geld zu machen."

Stars, die: Personen, die sich zu seiner Zeit als Weltmeister im Rampenlicht von Mike Tyson sonnten oder zumindest dem Glanz zugeneigt waren. Eine Auswahl: Naomi Campbell, mit der Tyson eine Affäre hatte, Tom Cruise, Michael Jackson, Drew Barrimore, David Bowie. Rapper Tupac Shakur besuchte Tyson gar im Gefängnis und führte ein Spontankonzert auf. Bis heute ein Highlight für Tyson: "Tupac war alles. Er war der verdammte Huey Newton, er war Mao Zedong, er war Karl Marx, er war einfach alles. Ich kann aus Marx und Hegels zitieren, aber Tupac konnte wirklich tiefgreifend über revolutionäre Theorien reden."

Tripper, der: Begleitumstand, unter dem Tyson 1986 gegen Trevor Berbick jüngster Schwergewichtsweltmeister aller Zeiten wurde. Begünstigt durch Tysons anspruchslose Haltung in Punkto Bettbekanntschaften. "Es gab nur ein Kriterium: Sie mussten noch atmen." Zelebrierte seinen 30. Geburtstag in einem Anwesen mit 19 Schlafzimmern. Besaß eine Rollkartei mit Telefonnummern von Frauen, geordnet nach Städten. "Gott sei Dank wurde eines Tages der Computer erfunden."

Unschuld, die: Stark hinterfragter Zustand von Tyson im Vergewaltigungsprozess von Desiree Washington. Letztlich so sehr bezweifelt, dass Tyson für drei Jahre ins Gefängnis musste. Aus Sicht von Tyson zu Unrecht, ein dilettantischer Verteidiger und eine voreingenommene Richterin führten seiner Meinung nach zur Haft.

Vögel, die: Treuste Freunde von Mike Tyson. Widmet sich schon sein Leben lang der Taubenzucht, prügelte sich das erste Mal als Kind wegen einer Taube. Fühlte sich von einem Mädchen bestätigt, das dazu folgende Analyse abgab: "Deine Vögel sind wie deine Frauen. Du musst immer einen Haufen Vögel haben, falls du mal einen verlierst, hast du dann noch all die anderen. Deshalb hast du auch nie zehn oder 20, sondern 500. Du hängst so an ihnen, dass du sicher sein willst, immer noch 499 zu haben, wenn du einen von ihnen verlierst. Genauso ist es mit deinen Frauen."

Wrestling, das: Geldbeschaffungsmaßnahme, die Tyson während seines Lizenzentzugs (siehe Zähne) in der Funktion des Schiedsrichters ausübte. Beschreibt den Ausflug in den artverwandten Sport als einen Höhepunkt seines Lebens. "Manche halten Ringkämpfe für puren Blödsinn, aber ein Sechs-Millionen-Dollar-Scheck war kein Blödsinn." Entdeckte dabei seine Freude an der Unterhaltung neu, spielte später in den ersten beiden Teilen von Hangover mit, in einer Folge von How I met your mother und brachte eine One-Man-Show auf den Broadway.

XXL: Kleidergröße, aus der Mike Tyson nach seiner Boxkarriere vorerst herauswuchs. Sein 100-Kilo-Kampfgewicht verwandelte sich zügig in ein 170-Kilo-Couchgewicht. Führte zur Selbstbetitelung als Mastschwein und Fettklotz. Und zur radikalen Essensumstellung, Tyson ernährte sich anschließend hauptsächlich von Frucht- und Gemüseshakes und wurde zum Veganer. "Vorher war ich eine wandelnde Leiche gewesen, hatte jeden Scheiß gefressen und Al-Capone-Zigarillos geraucht. Jetzt aß ich nur gesunde Sachen und trieb jeden Tag drei Stunden Sport und Kardio-Training."

Yacht, die: Veranstaltungsort, dem Mike Tyson aufgrund seiner Prominenz in St. Tropez mit einem Immobilenmogul beiwohnte. "Auf dem Schiff fiel mir ein großer schwarzer Typ auf, ein Leibwächter eines bekannten internationalen Waffenhändlers. Ich schaute ihn und er schaute mich an - ohne dass ich wusste, wo ich ihn hinstecken sollte. Dann trat er auf mich zu. 'Spofford '78?' 'Scheiße, Nigga. Wir kennen uns aus dem Knast.'"

Zähne, die: Unterhaltsame bis bedrohliche Utensilien im Boxsport. Cus D'Amato belohnte seinen Schützling Tyson mit Goldzähnen nach erfolgreichen Kämpfen. Setzte Tyson im zunehmenden Verlauf seiner Karriere im Ring ein, er kaute Evander Holyfield 1997 ein Stück vom rechten Ohr ab. "Ich hätte nicht gedacht, dass der Vorfall international einen so großen Aufruhr auslösen würde" (siehe Naivität).

"Unbestreitbare Wahrheit: Die Autobiografie", von Mike Tyson mit Larry Sloman, erschienen am 12.11.2013 im Hannibal-Verlag

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