Fußball Uefa-Cup:Ein Traum in rossoneri

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And the winner was: Die Gegner des AC Mailand im Uefa-Cup reiben sich die Hände, die Medien in ihren Ländern erfreuen sich an Außenseiterfolklore.

Jonas Beckenkamp

Dass der argentinische Fußballprofi Pablo Osvaldo Portugiesisch, Holländisch oder Deutsch spricht, ist eher unwahrscheinlich - vielleicht kann er mittlerweile ja ein bisschen Italienisch, denn er spielt seit etwas mehr als einem Jahr für den AC Florenz. Doch vielleicht braucht der 22-jährige Einwechselspieler bald einen Übersetzer, denn er könnte mit Danksagungen aus ebendiesen Ländern überhäuft werden. Am letzten Spieltag der vergangenen Serie-A-Saison erzielte Osvaldo gegen den AC Turin nämlich in Rivaldo-Manier ein entscheidendes Tor per Fallrückzieher, das jetzt den Fans in der europäischen Fußballprovinz langersehnte Jahrhundertspiele beschert.

Heerenveen, Braga, Portsmouth, Wolfsburg und der AC Mailand - in Gruppe E der Gruppenphase herrschen klare Verhältnisse. (Foto: Foto: AP)

Die Fiorentina zog durch das 1:0 als Vierter in die Champions-League-Qualifikation ein, während der Tabellenfünfte AC Mailand nach einer überaus holprigen Saison mit wenig Kaka und viel Gattuso die Höchststrafe Uefa-Cup antreten musste. Und dort bescherte die Einteilung der Gruppenphase den Teams aus Braga, Heerenveen, Wolfsburg und Portsmouth das große Los: Milan. Gäbe man einer Studenten-WG einen Gutschein zum Einkauf bei Käfer, wäre das seltene kulinarische Hochgefühl wohl ähnlich. Milan ist der Gourmet-Gegner im "Cup der Verlierer" (Franz Beckenbauer). Besonders freuen können sich die Zuschauer in Friesland und Südengland, denn die Mailänder werden in ihren Stadien als Stargast aufspielen. Doch auch ein Auswärtsspiel im San Siro ist ja aller Ehren wert und gewiss eine nette Abwechslung zum Ligaalltag bei Academica Coimbra oder Energie Cottbus.

Die ewige Faszination Klein gegen Groß

Das hat natürlich etwas stark DFB-pokaliges ("eigene Gesetze", "alles möglich"). Dass nun Berlusconis Beletage-Millionäre in die Eisschnelllauf-Hochburg Heerenveen reisen ist in etwa vergleichbar mit Vestenbergsgreuth oder Burghausen gegen den FC Bayern. Zum Spektakel werden solche ungleichen Duelle durch die Leidenschaft der Unterlegenen - und durch ihre Einmaligkeit, schließlich spielt Milan wohl nur dieses Jahr im Nebenschauplatz Uefa-Cup ("Fiat-Punto-Clio-Cup" - Mark Van Bommel). Das durch unzählige Sensationen geprägte Paradigma Groß-gegen-Klein gilt aber selbstverständlich auch auf internationaler Ebene inklusive einmaliger Gelegenheit, durch ein Duseltor in den Olymp der Unsterblichkeit zu gelangen.

Überraschend ist diese Haltung keineswegs, und es entbehrt nicht einer gewissen Komik, wie sich Milans Gegner und ihre Landesmedien ob soviel Außenseiter-Symbolik im Einklang die Hände reiben. "Die Umkleidekabinen sind bei uns etwas kleiner, aber dafür kann Paolo Maldini jetzt endgültig behaupten, er hat alles erlebt", bemerkt da zum Beispiel voller Stolz Portsmouth-Stürmer Peter Crouch im Guardian, immerhin einer der wenigen, der schon mal gegen die Rossoneri gespielt hat.

Wenn Träume wahr werden

Die Erklärung, "ein Traum wird wahr", abgegeben vom Manager des Klubs könnte ebenso gut aus Heerenveen kommen, denn dort hören sich die Reaktionen kaum anders an: "Jahrelang waren Spiele gegen den VfB Stuttgart oder Levski Sofia die Highlights der Klubgeschichte, doch jetzt purzelte das begehrenswerteste Los überhaupt aus dem Topf: Pato, Maldini, Kaka, Seedorf, Schewtschenko und all die anderen werden in zwei Wochen hier vorm Abe Lendstra Stadion aus dem Bus steigen. Der magische Klang Milans ist da", fasst die Zeitung Sportwereld das friesische Vereinsglück zusammen.

In der Wolfsburger Allgemeinen Zeitung ist wahlweise von "Hammerlos" oder "Weihnachtsgeschenk" zu lesen. Als Wolfsburg in die Gruppe zum AC Mailand gezogen wurde, mochte man schon kurzzeitig einen Gedanken an Schlagzeilen wie "Ronaldinho kommt nach Wolfsburg" verschwenden. Dass die Uefa erst danach Heim- und Auswärtsspiele einteilte und der VfL jetzt in Mailand spielt, tut der Stimmung keinen Abbruch - Mailand oder Madrid, daheim oder auswärts, Hauptsache großer Gegner. Immerhin geben sich die Niedersachsen und Holländer devoter als der die Verantwortlichen aus Braga. Im Fußballmagazin Maisfutebol bellt Bragas Sportdirektor Carlos Freitas mit forschem Unterton, dass bei allem Prestige Milans, auch dieses Überteam "erst einmal auf dem Platz seinen Wert zeigen muss".

Ob Pablo Osvaldo bei seinem Bilderbuchtor im Mai an die folkloristische Verehrung aus Holland und die aufmüpfigen Ansagen aus Portugal dachte, ist nicht überliefert. Fakt ist aber, dass sein Treffer dies alles möglich gemacht hat - falls er also doch noch Post bekommt, könnte sie sich so anhören: "Obrigado", "Dank u well", "Thank you" und "Danke".

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