Fußball-Regionalliga:In Trippelschritten

Lesezeit: 3 min

"Manche meinen, man bekommt alles geschenkt." - Christian Wörns vermutet, dass es im Fußballbetrieb Vorurteile gegen Ex-Nationalspieler gibt. (Foto: imago)

Als Trainer des abstiegsbedrohten FC Augsburg II muss der frühere Nationalverteidiger Christian Wörns sein Lebenswerk fortsetzen: Tore verhindern.

Von Thomas Gröbner

Christian Wörns ist in seiner Karriere einige Male zu spät gekommen. Als letzter Mann gegen Davor Suker im WM-Achtelfinale 1998. Bei seinem Wechsel nach Dortmund, wo er erst nach dem Sieg in der Champions League dazustieß und dann erlebte, wie der Klub in finanzielle Turbulenzen geriet. 2006, als sein ehemaliger Mitspieler und Nationaltrainer Klinsmann befand, dass Wörns einen altmodischen Typ des Innenverteidigers verkörpere, ein Relikt. Klinsmann warf Wörns aus dem Kader, es war das Ende seiner Karriere im Nationaltrikot, zwei Jahre später stellte er die Fußballschuhe zur Seite.

Am Wochenende kehrte Wörns nun zurück auf die Bühne, als Trainer beim FC Augsburg II soll er eine der löchrigsten Abwehrreihen der Regionalliga abdichten und das Nachwuchsteam vor dem Abstieg bewahren. Ein erster Schritt gelang, gegen Ingolstadt II gewann Augsburgs U23 4:1. Der 43-Jährige ist stolz, "wir haben eine unglaubliche Gier und Mentalität gezeigt, die Jungs sind gelaufen bis zum Erbrechen". Nur das Gegentor habe ihn geärgert, "ein 4:0 hätte sich besser angehört". Kaum eine Mannschaft in der Liga kassiert mehr Gegentore, Wörns muss hier sein Lebenswerk fortsetzen: Tore verhindern.

Wie das geht, weiß Wörns. "Zu meiner Zeit ist man mit dem Stürmer aufs Klo gegangen", sagt er. Heute geht es um Mittelfeldpressing und hochstehende Außenverteidiger. Der Fußball hat sich verändert. Und Wörns?

Seine Rückkehr in den Fußball deutete sich an, als er 2012 zusammen mit Mehmet Scholl, Alexander Zorniger und Stefan Effenberg im DFB-Trainerlehrgang saß, in dem sich Effenberg selbst zum Klassensprecher bestimmt haben soll. Lehrgangsbester Zorniger ist mit seinem Konzept des bedingungslosen Anrennens in Stuttgart schon gescheitert und entlassen worden. Effenberg ist nach wenigen Monaten beim Zweitligisten Paderborn angezählt. Wörns begann lieber bei der U15 des VfL Bochum. Jugend statt Bundesliga, auch weil er sonst noch "keinen Fuß in die Tür" bekommen habe, wie er damals sagte.

Christian Wörns hat als Spieler das lange Bein bevorzugt, als Trainer wählte er die Trippelschritte. Nach der Bochumer Jugendmannschaft trainierte er die Schalker U17, trotz schwarz-gelber Vergangenheit. Wörns wollte Fehler machen dürfen, die er sich als Spieler nie leisten konnte. Im Jugendbereich werde man eben "nicht gleich an die Wand gestellt".

Danach arbeitete er in Unterhaching als Assistenztrainer unter Christian Ziege. Als Ziege beim abstiegsgefährdeten Drittligisten zurücktrat, wurde nicht Wörns befördert - sondern der U19-Trainer und ehemalige Sportdirektor Claus Schromm. Nach dem Unterhachinger Abstieg ging dann auch Wörns.

Er habe sich ganz bewusst für den langsamen Weg entschieden, um Erfahrung zu sammeln und eine Identität als Trainer zu entwickeln, sagt Wörns. Doch auch einem ehemaligen Nationalspieler öffnen sich nicht alle Türen von selbst, und manche bleiben vielleicht gerade wegen der Vita verschlossen. Wörns vermutet Vorurteile gegen Ex-Nationalspieler: "Manche meinen, man bekommt alles geschenkt." Er will hart für seine Position arbeiten.

Auch seine Spieler müssen das. "Heute trainieren die jungen Spieler das Doppelte. Was die Jungs auf sich nehmen, ist enorm", sagt Wörns, der als Nachwuchsspieler mit drei Trainingseinheiten in der Woche auskam. "Wenn du heute so wenig trainierst, dann ziehen andere an dir vorbei. Man kann das Rad nicht mehr zurückdrehen."

Wie vermittelt man also jungen Spielern Dinge, die man nicht lernen kann? Demut, und wie man gegen Jay-Jay Okocha die Beine zusammenhält? Wie gibt man die Erfahrung aus tausend Zweikämpfen weiter? Wörns sagt: "Ich habe es selber schon mal gefühlt, ich kann es nachfühlen, ob der Spieler einen Fehler macht, weil ihm der Mut fehlt oder die Technik. Da geht es um Psychologie." Mit Dortmund und Leverkusen stand er selbst im Abstiegskampf, eine Erfahrung, auf die er gerne verzichtet hätte - und der er sich am Samstag wieder stellen muss. Dann bringt der Spielplan Wörns mit einem alten Weggefährten zusammen: Heiko Herrlich, einst mit ihm in Dortmund, kämpft nun mit Regensburg um den Aufstieg. Dazu benötigt er einen Heimsieg gegen den Abstiegskandidaten Augsburg.

Herrlichs Vertrag verlängert sich, wenn er mit Regensburg aufsteigt, und auch der Kontrakt von Wörns läuft nur bis zum Saisonende. Im Duell der beiden Freunde geht es auch um ihre Zukunft.

© SZ vom 24.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: