Fußball-Regionalliga:Dünne Haut

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Nach dem 0:2 in Burghausen ist die Lage für den TSV 1860 zwar keineswegs beunruhigend, doch die Debatte um Verstärkungen im Winter geht weiter.

Von Markus Schäflein

Freud und Leid liegen beim TSV 1860 München bekanntlich oft nah beieinander; am Samstagnachmittag trennten sie gerade einmal rund 100 Meter. Auf der einen Seite des Fußballplatzes in Burghausen feierten die Anhänger im voll besetzten Fanblock noch über 20 Minuten nach Spielschluss mit Dauergesang im strömenden Regen, obwohl ihre Mannschaft 0:2 (0:0) beim SV Wacker verloren hatte. Auf der anderen Seite des Rasens stand der ebenso durchnässte Franz Hell, der Allesfahrer genannt wird, weil er überall hin fährt, sogar nach Burghausen, und malte in dunkelsten Farben ein Untergangsszenario für die Relegationsspiele zur dritten Fußball-Liga.

Dass der TSV 1860 in der Regionalliga Bayern Meister wird, daran zweifeln ja selbst die zahlreichen Pessimisten nicht - acht Punkte beträgt der Vorsprung der Löwen weiterhin, obwohl sie drei der vergangenen fünf Spiele verloren. Dass der derzeitige Kader ausreicht, um beispielsweise gegen Energie Cottbus oder den 1. FC Saarbrücken auf Augenhöhe zu agieren, glauben sie hingegen nicht. Die Fraktion, die weitere Zugänge im Winter fordert, sah den uninspirierten und auch defensiv schwachen Auftritt beim SV Wacker als Bestätigung. Schon zuletzt beim 2:0 im Heimspiel gegen den Vorletzten FC Memmingen hatten die Münchner in diesen Belangen nicht überzeugt.

Unter der Woche hatte ihr Trainer Daniel Bierofka allerdings zu Bedenken gegeben, dass Verstärkungen im Winter auch eine Sache der Finanzkraft sind: Dem guten Dutzend an Münchner Stammkräften, das für Regionalliga-Verhältnisse außerordentlich gut verdient und eben auch außerordentliche Qualität besitzt, stehen im Kader auch zahlreiche Arbeitnehmer gegenüber, die laut Bierofka nur 1800 Euro brutto im Monat erhalten (die Frage muss erlaubt sein: warum nicht zumindest 1860 Euro brutto?). "Von der Sorte haben wir ein halbes Team. Das muss man mal klarstellen", erklärte Bierofka. "Deswegen können wir uns momentan auch diesen Kader leisten: weil Spieler, die hintendran sind, entsprechend wenig verdienen. Wenn wir andere Spieler holen, spielen sie nicht für 1800 Euro brutto."

Bei SV Wacker, der sich vom Vollprofitum seit dieser Saison verabschiedet hat, würden sich manche der Spieler selbst über 1800 Euro im Monat freuen. Der Klub, der den Einzug in den DFB-Pokal knapp verpasste, erhielt nun gegen den TSV 1860 sein gefühltes Pokalspiel: verstopfte Bundesstraße; mit 8520 Zuschauern gut gefüllte Ränge; eine Mannschaft, die bis zum Umfallen kämpfte und ihren verdienten Vorsprung durch die Treffer von Christoph Buchner (53.) und Sascha Marinkovic (73.) bis zum Ende leidenschaftlich verteidigte; ein brüllender Stadionsprecher, der in der Schlussviertelstunde offenbar einem Nervenzusammenbruch nahe war.

"Der Gegner hat in den entscheidenden Situationen mehr Biss und mehr Leidenschaft gehabt", musste Bierofka angesichts dieser Umstände anerkennen, "und wir haben teilweise zu sorglos verteidigt. Wir müssen diese Gier wieder reinbekommen, heute hätten wir noch zwei Stunden spielen können, ohne ein Tor zu schießen." Für Wacker-Trainer Patrick Mölzl, der von einem "Sahnetag" sprach, war es ein enorm wichtiger Erfolg: Nach fünf Spielen ohne Sieg mit drei Niederlagen gegen die kleineren Nachbarn aus Buchbach, Rosenheim und Schalding stand er beim früheren Zweitligisten erneut schwer in der Kritik. Der Prestigeerfolg gegen den früheren Zweitliga-Rivalen wird ihm gerade in der Fanszene, die immer noch dem früheren Trainer Uwe Wolf hinterher trauert, etwas mehr Kredit verschaffen. "Wir haben heute nahezu perfekt umgesetzt, was wir uns vorgenommen hatten", erklärte Mölzl.

Bei den Löwen zeigten sich sowohl Bierofka als auch Stürmer Sascha Mölders auf kritische Nachfragen dünnhäutig. Der Druck, dass in jedem Spiel ein souveräner Sieg erwartet wird, geht ihnen offenkundig zunehmend auf die Nerven.

Unterhaching hatte zum selben Zeitpunkt der Vorsaison zehn Zähler mehr gesammelt

Die Erwartung eines Durchmarschs nach Art der SpVgg Unterhaching, die in der Vorsaison nach 20 Spielen zehn Zähler mehr gesammelt hatte, lastet auf der Mannschaft. "Burghausen hat auch seine Qualität", erklärte Mölders. "Man kann nicht erwarten, dass wir jeden Gegner 5:0 aus dem Stadion schießen." Ein 1:0 würde es auch tun, wenn der TSV 1860 am Montag, 20. November (20.15 Uhr/live auf Sport1), im Grünwalder Stadion auf Buchbach trifft. Auf jenen Gegner, gegen den er im Juli beim 0:1 bereits feststellte, dass er nicht jedes Saisonspiel gewinnen würde.

© SZ vom 13.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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