Fußball-Regionalliga:Der Beschwörer der Geister

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Bloß nicht "vogelwild nach vorne": Unter Heiko Herrlich ist Jahn Regensburg eine Mannschaft mit Fokus auf die Defensivarbeit geworden - darunter leidet mitunter allerdings die offensive Kreativität. (Foto: Micha Will/Getty)

Unter Heiko Herrlich spielt Jahn Regensburg stabiler und nervenstärker - in der Relegation gegen Wolfsburg II will der Trainer aber Außenseiter sein.

Von Christoph Leischwitz

Die Mannschaft des SSV Jahn Regensburg war schon am Montag mit dem Bus nach Niedersachsen gereist, und so baute sich sukzessive Spannung auf: Am Montagabend schauten die Spieler im Hotel das Relegationsspiel zwischen Nürnberg und Frankfurt, am Dienstagabend dann Duisburg gegen Würzburg. Das Relegationsspiel am dritten Abend hintereinander bestreiten sie schließlich selbst: Der Regionalliga-Meister Bayerns tritt an diesem Mittwoch (19 Uhr) gegen den Meister der Nordstaffel an, den VfL Wolfsburg II. Trainer Heiko Herrlich findet das TV-Rahmenprogramm als Teil der mentalen Vorbereitung förderlich, er spricht vom "Geist der Relegation", der sich breitmachen könne. Diesen Geist beschwört der 44-Jährige daher auch selbst mit Anschauungsmaterial - mit Videosequenzen vom Gegner.

Herrlich hatte Regensburg in der Winterpause übernommen, nachdem das Team im November unter Christian Brand mehrere Spiele in Serie verloren hatte. Dem Neuen ist es gelungen, das Team zu stabilisieren, auch wenn der Fokus auf die Abwehrarbeit dazu führte, dass der Jahn weniger Tore schoss. Lediglich drei 0:1-Niederlagen gab es unter Herrlich. Als es kurz spannend wurde in der Meisterschaft, bewies das Team zudem Nervenstärke.

Was wahre Stabilität bedeutet, machte in der gleichen Zeit der Gegner vor. Die jungen Wolfsburger haben die letzten elf Ligaspiele gewonnen, insgesamt hat die Mannschaft 87 Tore geschossen. "Das ist schon nochmal eine andere Nummer", sagt Herrlich im Vergleich zu den zweiten Mannschaft aus der Regionalliga Bayern. Wolfsburg sei ein echtes Team, das im Laufe der Saison zusammen gewachsen sei: "Nicht der Allofs hilft mir weiter, sondern mein Gegenspieler", sagt Herrlich über dem Teamgeist der Niedersachsen. Geschäftsführer Klaus Allofs würde sich über den Aufstieg sicher freuen: Wolfsburg hätte neben Bremen und Mainz in der kommenden Saison die einzige Zweitvertretung in Liga drei. Vater des bisherigen Erfolges ist einer, den man in Bayern ebenfalls gut kennt: Valérien Ismaël. Der ehemalige Bayern-Spieler war schon vor seinem Trainer-Intermezzo 2014 beim 1. FC Nürnberg für Wolfsburgs U23 verantwortlich gewesen - und hatte mit ihr vor zwei Jahren den Aufstieg in die dritte Liga knapp verpasst. Ein Tor in zwei Spielen genügte der SG Sonnenhof-Großaspach.

Herrlich hat seine Mannschaft in den vergangenen Monaten immer wieder in die Pflicht genommen. Als das Team Anfang März schwächelte, drohte er mit einem radikalen Kaderumbau zum Ende der Saison. Die Erwartungen in Regensburg sind hoch, die Regionalliga darf nicht mehr als eine Zwischenstation sein. Dass Herrlich verpflichtet wurde, ist kein Zufall. Zum Anforderungsprofil des Neuen gehörte auch, bundesweit bekannt zu sein. Und nicht zuletzt hätte es etwas von einem Schildbürgerstreich, ein fast 53 Millionen Euro teures Stadion bauen zu lassen, ohne dass der Jahn in einer Profiliga spielt.

Gerade laufstarke und technisch versierte Teams kamen gegen den Jahn leicht zu Chancen

Doch unmittelbar vor der Relegation vollzieht Herrlich einen vorübergehenden Rollentausch. "Wolfsburg ist der Favorit", sagt der Trainer. Natürlich werde sein Team sich am Mittwoch bemühen, das so wichtige Auswärtstor zu schießen. Doch angesichts der Offensivqualitäten der Wolfsburger könne es nicht "vogelwild nach vorne" spielen. Es wird also gemauert. Zumal die größte Schwäche seiner Mannschaft in den vergangenen Wochen stets von Nachwuchsteams der Profiklubs offengelegt wurden: Laufstarke und gut ausgebildete Spieler haben sich gegen Regensburg regelmäßig Torchancen erspielt. So wie am Samstag, als der Jahn zur Meisterfeier 0:1 gegen den 1. FC Nürnberg II verlor.

Allerdings bastelte Herrlich in der Schlussphase dieser Partie schon an seiner Startelf für Mittwoch. Nach dem Gegentor wechselte er Marvin Knoll und Andreas Geipl ein, die zuletzt verletzt gefehlt hatten. Überhaupt ist das Regensburger Verletzungspech, das sich über die gesamte Saison hinzog, wohl der wichtigste Grund für die manchmal fehlende Stabilität. Immerhin: So sehr aus dem Vollen schöpfen wie in dieser Woche konnte Herrlich bisher noch nicht. Auch wenn sich in Marcel Hofrath am Samstag erneut ein wichtiger Akteur verletzt hat, der bestenfalls im Rückspiel am Sonntag auflaufen kann.

Geipl übrigens wäre gut zu erkennen: Er spielt nach einem Nasenbeinbruch mit einer schwarzen Karbon-Maske im Gesicht. Das Problem ist nur, dass der Relegations-Spannungsbogen im Fernsehen nicht fortgesetzt wird: Die Partie in Wolfsburg wird nicht übertragen. Immerhin geht es auch den Regensburgern darum, wieder auf die große Bühne zu gelangen. Aber dafür ist das Rückspiel am kommenden Sonntag ohnehin besser geeignet. Das Bayerische Fernsehen überträgt dann live.

© SZ vom 25.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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