Fußball-Nationalmannschaft:Der Lohn des Leitwolfs

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Erst Ballack versus Bierhoff, nun Ballack versus Löw: Fußball-Deutschland sollte in diesem Konflikt vorsichtig sein - und Ballacks Qualitäten nicht unterschätzen.

Johannes Aumüller

Die sportliche Situation der Nationalmannschaft gibt nun wirklich keinen Anlass zur Sorge. Bei der EM in Österreich und der Schweiz mit einer Mischung aus deutschen Tugenden, Glück und unerwarteter spielerischer Klasse Zweiter geworden, in der WM-Qualifikation gegen Russland eine Hälfte auf högschdem Niveau abgeliefert, und beim 1:0 gegen Wales bewiesen, dass sie auch in der Lage ist, sogenannte Schweinespiele erfolgreich zu bestehen. Doch anstatt sich über die fußballerische Entwicklung zu freuen und das Jahr 2009 anzugehen, lauern an allen Ecken und Enden des Kaders Verstimmungen.

Hat sich erst mit Oliver Bierhoff und nun auch noch mit Joachim Löw angelegt: DFB-Kapitän Ballack. (Foto: Foto: dpa)

Nach den Querelen um Kevin Kuranyi und Torsten Frings sowie den Diskussionen, ob Jens Lehmann im November gegen England ein Abschiedspiel zusteht, hat Michael Ballack mit einem Rundumschlag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung für neuen Zündstoff gesorgt. Löw reagierte umgehend. Er sei enttäuscht und erklärte mit drohendem Unterton: "Ich werde mit ihm sprechen, das ist klar. Über die Vorgehensweise bin ich mir noch nicht bewusst. Jeder Spieler kennt bei uns die Regeln, was öffentliche Kritik angeht. Und Personaldiskussionen sind dem Trainer vorbehalten."

Damit ist Ballack zum wiederholten Male Protagonist eines offenen Konflikts. Zunächst lief seit der Europameisterschaft die Auseinandersetzung Ballack versus Bierhoff, dann folgte die kurze Episode Ballack versus aufstrebende Führungsspieler, die am Ende zu einem Gespräch zwischen dem besonnenen Herthaner Arne Friedrich und Ballack über dessen Führungsstil in der Nationalelf führte. Und nun also Ballack versus Löw, der sich schon bei den vorangegangen Auseinandersetzungen tendenziell auf die jeweilige Nicht-Ballack-Seite geschlagen hatte.

Schwierige Zeiten für Führungsspieler

Zum Teil lassen sich die Fälle Frings, Kuranyi und Ballack natürlich miteinander vergleichen. Denn da gibt es zum einen viele junge Spieler, die sich dazu berufen fühlen, mehr Verantwortung zu übernehmen und deswegen alte Hierarchiestrukturen in Frage stellen. Und da gibt es den Bundestrainer, der die Stammplatz-Garantie selbst für verdiente Recken wie Frings und Ballack aufgehoben hat und vom Harmonie-Jogi zum knallharten Herrn Löw geworden ist. Das sind für die Spieler, die sich zu den gestandenen Führungskräften rechnen, insgesamt schwierige Zeiten.

Doch neben diesen allgemeinen Rahmenbedingungen liegt es zu einem Großteil an dem Fußballer Ballack selbst, dass er ständig in diese Konflikte involviert ist. Genauer: Es liegt wahrscheinlich daran, wie der Fußballer Ballack wahrgenommen wird. Michael Ballack, 32, ist der wohl beste und kompletteste deutsche Kicker der vergangenen zehn Jahre. Er hatte maßgeblichen Anteil an den deutschen Finaleinzügen bei der WM 2002 und der EM 2008, gewann acht nationale Meisterschaften und Pokale und stand zwei Mal im Champions-League-Finale. Arsenals Trainer Arsène Wenger erklärte, Ballack habe mit seiner Spielweise eine "neue Dimension" gesetzt.

Kurz: Ballack ist Deutschlands einziger Weltklassespieler - doch das wird so nicht honoriert. Der Lohn für den Leitwolf ist eher gering. Gefühlsmäßig gilt es noch immer als sein größter Verdienst, sich im WM-Halbfinale 2002 gegen Korea für die Mannschaft geopfert zu haben, als er eine Torchance des Gegner nur so verhindern konnte, dass er die gelbe Karte sah und im Endspiel zuschauen musste.

Nicht symphatisch, aber erfolgreich

Ballack macht es dem Fußballfan bisweilen auch schwer, seine Leistung zu honorieren. Ein niedliches Ballacki à la Schweini & Poldi wäre allein phonetisch schon unangemessen, vom Auftreten her erst recht. Ballack verkörpert auch nicht diesen eifrigen Lernwillen, wie ihn beispielweise Hitzlsperger oder Lahm an den Tag legen. Ballack ist vielmehr der Nachfolger einer Führungsspieler-Mentalität im Stile eines Matthäus', Sammers oder Effenbergs. Das bringt keine Sympathien - aber Erfolg. Und dass diese Art oft in Konflikten mündet, ist keine Neuigkeit.

Die deutsche Mannschaft braucht Ballack noch. Als Führungsspieler wie als sportliche Verstärkung wie als Akteur mit großer internationaler Erfahrung - und auch mal als Lautsprecher. Das hat er bei all jenen Spielen (EM, Russland, Wales) bewiesen, aus der die sportlich befriedigende Situation am Ende des Nationalelf-Jahres 2008 resultiert. In einigen Jahren sieht die Sache anders aus: Dann sind Lahm, Hitzlsperger und Schweinsteiger älter und spielen vielleicht bei großen Klubs im Ausland. Doch noch sollte der Fußballfan hoffen, dass sich die deutsche Tradition, nach der man sich in Nationalmannschaften hineinspielt, aber hinausredet (siehe Uli Stein), durch dieses Interview nicht fortgesetzt wird.

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