Fußball in Frankreich: Titel für Bordeaux:Cooler als Sarkozy

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Durch den französischen Fußball weht ein Wind des Wandels: Trainer-Neuling Laurent Blanc führt Girondins Bordeaux zum Titel, Serienmeister Lyon wird nur Dritter.

Josef Kelnberger

Die Bewohner der Stadt Bordeaux gelten als reserviert und schwer zu begeistern. Wenn es aber um Fußball geht, ist alles anders. Hunderttausend Bordelais verfolgten am Samstagabend auf Großleinwänden den 1:0-Sieg ihrer Girondins beim AS Caen und verwandelten danach die Stadt in eine Festmeile. Zum sechsten Mal in ihrer Geschichte und zum ersten Mal seit 1999 gewann Bordeaux die französische Meisterschaft.

Bordeaux hat Serienmeister Lyon als Titelträger abgelöst. (Foto: Foto: Reuters)

Am Sonntagnachmittag präsentierten sich die Spieler - die meisten mit dunklen Sonnenbrillen, um die Folgen einer durchzechten Nacht zu vertuschen - dem Fanvolk auf dem zentralen Place des Quinconces, und wieder zählte man fast 30.000 Menschen. Der Mann, der die Jubelarien ausgelöst hatte, ließ die Feiern mit seinem typischen, ironischen Lächeln über sich ergehen. Er sei ja ein zurückhaltender Mensch, sagte Trainer Laurent Blanc. Außerdem hat er wohl nichts anderes erwartet als diesen Titel.

Ein Wind des Wandels weht durch den französischen Fußball. Nach sieben Jahren ist die Dominanz von Serienmeister Olympique Lyon gebrochen. Im Bestreben, Europas Spitze zu erobern, hat die vom neuen Trainer Claude Puel durcheinandergewirbelte Mannschaft den Liga-Alltag vernachlässigt und bloß Rang drei erreicht, der zur Teilnahme an der Qualifikationsrunde zur Champions League berechtigt. Girondins Bordeaux und Olympique Marseille zogen vorbei, und auch diese Reihung ist ein Signal der Erneuerung. Der belgische Trainerfuchs Eric Gerets, der den Chaosklub Marseille in ruhigere Bahnen führte, musste sich am Ende dem 43-jährigen Berufsanfänger Laurent Blanc geschlagen geben.

In der deutschen Bundesliga feierte man den Triumph der alten Trainergeneration, Felix Magath als Meister mit Wolfsburg, Jupp Heynckes als Aufräumer nach dem Projekt Klinsmann in München. In Frankreich dagegen setzte sich ein Reformer durch. Blanc brachte zum Amtsantritt 2007 ein großes Trainerteam mit, legte seinen Schwerpunkt auf Fitness und die mentale Schulung der Spieler, bekam bei einer Krise im ersten Jahr Rückendeckung durch die Vereinsführung - und Mitte des zweiten Jahres eine Vertragsverlängerung als Zeichen an die Spieler: Dies ist der Mann, der über eure Zukunft entscheidet. Mit einer Serie von elf Siegen, der letzte jener in Caen, eroberten die Girondins den Titel.

Laurent Blanc hat im französischen Fußball eine Art Heiligenstatus, seit er die französische Abwehr beim Gewinn der WM 1998 und der EM 2000 dirigierte. Wegen seiner natürlichen Autorität nennt man ihn seither "Präsident". Nachdem er seine Karriere 2003 bei Manchester United beendet hatte, absolvierte Blanc Praktika bei Alex Ferguson, Marcello Lippi und Arsene Wenger, erwarb zudem ein Diplom in Sportmanagement.

Das vier Jahre lange Warten auf seine erste Chance als Trainer nervte ihn jedoch gewaltig. Als er in Monaco, Marseille, Auxerre und auch beim Nationalteam nicht zum Zug gekommen war, beklagte er sich in einem Interview mit L'Equipe über die risikoscheuen Funktionäre, die ihm mangelnde Erfahrung vorhielten. Damit hätte er seine Karriere ruinieren können, bevor sie begann, doch dann brachte ihn sein Manager Jean-Pierre Bernès (aus der Marseiller Agentur, die auch Franck Ribéry betreut) in Bordeaux unter. Das Experiment glückte.

Spitzenspieler Gourcuff Die französischen Experten diskutieren nun, ob diese Girondins die Nation in der Champions League würdig vertreten können. Abwehrchef Souleymane Diawara, der zentrale Mittelfeldmann Alou Diarra und Stürmer Marouane Chamakh gelten als Rückgrat des Teams, das Spiel aber steht und fällt mit dem 22-jährigen Regisseur Yoann Gourcuff. Der Bretone wurde als neuer Zidane gefeiert, als er im Sommer 2006 von Rennes zum AC Mailand wechselte. In dem Seniorenteam von Carlo Ancelotti kam er aber nicht zum Zug.

Er war heilfroh, als ihn die Girondins zur Saison 2008/2009 ausliehen. Anfang Mai löste ihn Bordeaux endgültig aus. 15 Millionen legte man Milan auf den Tisch und gab Gourcuff einen Vierjahres-Vertrag. Der private Fernsehsender M6 (RTL-Gruppe), dem der Klub seit zehn Jahren gehört, wird sich aber in keine Abenteuer stürzen. Anders als Paris Saint-Germain oder Olympique Marseille, wo Investoren hunderte Millionen Euro verbrannten, wiesen die Girondins in den vergangenen Jahren stets einen Gewinn aus.

Laurent Blanc, der stille Mann aus den Cevennen, kann die Entwicklung der Girondins in Ruhe abwarten. Er wird bereits als Nationaltrainer gehandelt, sobald Raymond Domenech abdankt. Momentan herrscht er als "Präsident" über Frankreich, mit seiner dunklen Sonnenbrille noch cooler als Nicolas Sarkozy.

© SZ vom 02.06.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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