Frauen-Handball:Freche TusSies mischen Europa auf

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Bester Stimmung: die Spielerinnen der TuS Metzingen (Foto: imago/Eibner)
  • Die selbst ernannten TusSies Metzingen können in diesem Jahr der erste deutsche Europapokalsieger im Frauen-Handball seit 24 Jahren werden.
  • Ihr erfolgreicher Geschäftsführer Ferenc Rott wollte eigentlich nie im Handball arbeiten, sondern träumte von einer Karriere als Fußballtrainer in der Bundesliga.
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Von Matthias Schmid, Metzingen/München

Ferenc Rott hat nie selbst Handball gespielt und sich deshalb nicht vorstellen können, irgendwann mal von und für diesen Sport zu leben. Der Ungar, einst ein passabler Torhüter in der deutschen Regionalliga, träumte von einer Karriere im Profifußball, als er Bruno Labbadia 2003 bei dessen erster Trainerstation in Darmstadt assistierte.

Doch als Rott, 45, vor sieben Jahren mit seiner Ehefrau Edina nach Metzingen kam, die beim dortigen Frauenhandball-Zweitligisten TuS einen Vertrag als Spielertrainerin unterschrieben hatte, änderte sich sein Leben über Nacht. "Es war niemand anderes da, der in dieser prekären Situation hätte helfen können", erinnert sich Rott. Oder hätte helfen wollen. Es war nämlich ein Himmelfahrtskommando, auf das sich die Rotts damals eingelassen hatten.

Der Klub aus dem Ermstal stand vor der Auflösung, weil veruntreutes Geld in die Vereinskasse geflossen war. Niemand glaubte mehr an eine gedeihliche Zukunft - außer dem Ehepaar Rott. Während sich seine Frau um die verunsicherten Spielerinnen kümmerte, versuchte Rott als Geschäftsführer, das finanzielle Chaos zu ordnen. "Als nicht studierter Manager", wie er lächelnd festhält, ausgestattet nur mit einer Lizenz als Fußballlehrer.

Seine Heimspiele trägt der Klub in einer kleinen Gymnasiumhalle aus

An diesem Samstag erlebt die wundersame Auferstehung ihren vorläufigen Höhepunkt, die TuS Metzingen kann als erste deutsche Mannschaft seit 24 Jahren den EHF-Pokal erringen; zuletzt gelang das dem SC Leipzig. Im Hinspiel des europäischen Finales trifft das Team in Tübingen auf Dunaujvarosi aus Ungarn. "Das ist für den gesamten deutschen Frauenhandball ein großer Tag", findet Ferenc Rott.

Innerhalb von vier Stunden waren alle Karten für die 2600 Zuschauer fassende Arena vergriffen. Metzingens eigentliche Heimstätte, eine Gymnasiumhalle, ist für internationale Spiele zu klein. "Auf organisatorischer Seite hinken wir unserem sportlichem Erfolge hinterher", bekennt Rott. Er ist im Moment der einzige hauptamtliche Mitarbeiter. Mit kreativen Lösungen und vielen kleinen Geldgebern aus der Region haben sie seit dem Erstligaaufstieg 2012 den Klub Jahr für Jahr allerdings so weit nach vorne gebracht, dass sich die Spielerinnen ausschließlich dem Sport widmen können.

Für ihren Erfindergeist haben sie sich aber auch Rügen von Frauenrechtlerinnen eingehandelt. Als "TusSies Metzingen" haben sie eine eigenständige Marke samt neuem Logo geschaffen, "die in den Köpfen hängen bleibt", wie Rott sagt: "Ich weiß, dass das nicht alle gut finden, aber wir haben einen hohen Wiedererkennungswert und ein positives Image, mit dem sich unsere Fans und Sponsoren gut identifizieren können."

Auch die Spielerinnen haben Gefallen an ihrem Beinamen gefunden, sagt Anna Loerper, Deutschlands Handballerin des Jahres. Die 31-Jährige erzählt, wie sie sich gegenseitig damit aufziehen. Viel wichtiger als das Kunstprodukt ist ihnen aber der Erfolg auf dem Parkett. "Und da ist es Wahnsinn, was wir in dieser Saison geleistet haben", findet die Spielmacherin. Mit schnellem, frechem Tempohandball haben sie unter ihrem neuem Cheftrainer Csaba Konkoly (dem Edina Rott nun assistiert) viele Gegner überfordert. Loerper war es gar nicht bewusst, dass sie mit dem Finaleinzug im EHF-Pokal "in Deutschland fast Einmaliges erreicht haben". Sie ist Erfolg ja eher gewohnt: Vor drei Jahren gewann sie den Titel mit dem dänischen Klub Tvis Holstebro. "Mit einem deutschen Verein ist das aber noch mal alles viel intensiver", fügt sie hinzu.

Die erste deutsche Meisterschaft hat der Klub wohl verspielt

Die Generalproben verpatzte Metzingen allerdings. Mit zwei Niederlagen zuletzt gegen Thüringen und in Bietigheim verspielten die Württembergerinnen in der Bundesliga nach zuvor 18 Siegen in Serie wohl ihre Chance auf die erste Meisterschaft. Drei Spieltage vor Saisonende liegen sie zwei Punkte hinter Thüringen und Leipzig (je 37:9) auf Rang drei. "Umso mehr wollen wir nun das Endspiel für uns entscheiden", sagt Anna Loerper.

Egal, wie es ausgeht, Ferenc Rott tüftelt schon an der Expansion des TusSies-Projekts: Nächstes Jahr soll es Ausflüge nach Stuttgart geben, wo 6000 Menschen in die Arena passen. "Wir wollen uns auch mal in der Landeshauptstadt vorstellen", sagt Rott. An eine Karriere im Fußball denkt er nicht mehr.

© SZ vom 30.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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