Formel 1:Vettel fühlt sich "wie der König der Welt"

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Sebastian Vettel (re.) und Lewis Hamilton: Konkurrenten um die WM-Führung, aber in Monza zusammen gut gelaunt (Foto: dpa)
  • Ein langweiliger Grand Prix mit markanten Folgen: Monza-Sieger Lewis Hamilton übernimmt die Gesamtführung von Sebastian Vettel, der das Rennen schon im Qualifying verliert.
  • Vettel war trotz Verlust der WM-Führung zufrieden: "In der Auslaufrunde habe ich mich gefühlt wie der König der Welt."
  • Ferrari-Boss Sergio Marchionne sagte hingegen am RTL-Mikrofon: "Wir haben einfach völlig versagt. Das Set-up war falsch, wir haben die Strecke unterschätzt. Wir haben das Auto seit Belgien schlechter gemacht."

Von Philipp Schneider, Monza

Es kann auch in Monza sehr langweilig zugehen, daran ändert die Tatsache nichts, dass die Strecke durch den Königlichen Park die letzte echte Hochgeschwindigkeitsstrecke im Formel-1-Kalender ist. Das Streckenprofil ließe sich mit einem Carrerabahn-Einsteigerset nachbauen, in dessen Verpackung nicht genug Teile stecken für mehr Kurven und Schikanen. Wenn der Vollgasanteil bei nahezu 80 Prozent liegt und die Höchstgeschwindigkeiten irre 370 km/h erreichen, dann spüren die Ingenieure von Mercedes allerdings traditionell einen Schauer der Freude an ihrem Rücken hinunter wandern, all dies wusste man vorher, auch wenn Ferrari zuletzt auf der ebenfalls schnellen Piste von Spa in Bezug auf die Höchstgeschwindigkeit aufgeschlossen hatte.

Als indes Lewis Hamilton am Sonntag ganz nach oben auf das Podium stieg, rechts sein Kollege Valtteri Bottas, links Sebastian Vettel, da markierte dieser Moment am Tag des 70-jährigen Jubiläums der Scuderia den Wendepunkt im Titelrennen um die WM. Mit sieben Punkten Vorsprung war Vettel gestartet, nun liegt er drei Punkte zurück. Vettel war chancenlos und rollte so viel später als Hamilton durchs Ziel, dass der noch Zeit gefunden hätte, einen Instant-Kaffee aufzusetzen und diesen Vettel zur Begrüßung einzuschenken: 36,3 Sekunden.

"Ich liebe es hier, so viel Leidenschaft gibt es nicht mal in Silverstone", sagte Hamilton, als die Italiener die Strecke stürmten, auch dem Engländer zujubelten und eine irre Party feierten, die so angemessen wirkte wie das Streicherkonzert während des Untergangs der Titanic. Irgendwann rief Hamilton: "Mercedes Power ist besser als Ferrari Power!", da gab es Pfiffe. Vettel war trotzdem zufrieden: "Ich weiß, dass ich Dritter geworden bin. Aber in der Auslaufrunde habe ich mich gefühlt wie der König der Welt", sagte er.

Ferrari-Boss Sergio Marchionne urteilte härter: "Wir haben versagt. Wir haben Monza unterschätzt!" Vettel hatte das Rennen schon am Samstag verloren. In einem Qualifying, das wegen hartnäckigen Regenfalls zehnmal verschoben wurde. Für die Fahrer ist so eine Situation immer unangenehm. Sie müssen sich bereithalten und irgendwas gegen die Langeweile unternehmen, weil die Rennleitung die Veranstaltung immer nur in Häppchen von Viertelstunden verschiebt.

Kuchen in der Box

Bei Force India haben sie am Samstag Kuchen in der Box gegessen, während draußen der Regen prasselte. Esteban Ocon nutze diese Energie, um auf den dritten Platz der Startaufstellung zu rasen. Noch erstaunlicher geriet die erste Reihe, in der Lance Stroll, der 18-jährige Williams-Pilot, neben Lewis Hamilton parken durfte, der über die Pfützen in Monza geschwebt war, da schon 2,5 Sekunden schneller gekreist war als Vettel - und so seine 69. Karriere-Pole-Position eroberte, womit er den Rekordhalter Michael Schumacher überflügelte.

In Wahrheit hatte Stroll nur die viertbeste Zeit vorgelegt und Ocon die fünftbeste. Zwei Plätze rückten sie nach vorne, weil die schnelleren Red-Bull-Piloten Max Verstappen und Daniel Ricciardo Motorenteile getauscht hatten und strafversetzt wurden. Wie insgesamt zehn Fahrer, die gemeinsam um irre 150 Plätze nach hinten verschoben wurde. Ja, richtig: 150 Plätze.

Nun gibt es bekanntlich nur 20 Autos, die mitfahren in einem Formel-1-Rennen. Insofern kann man diese Kulmination von Strafen etwas albern finden. Allein Fernando Alonso wurde in der Theorie 35 Plätze nach hinten beordert, weil er den Turbolader tauschte (zehn Plätze) und noch fünf weitere Teile, für die er jeweils fünf Strafplätze kassierte. Im Internet kursierten am Samstag Landkarten von Italien mit den gefühlten Starplätzen der Fahrer. Alonso parkte in der Nähe von Neapel.

Vettel, der im Qualifying wohl Probleme hatte, seine Regenreifen auf Temperatur zu bringen, durfte vorrücken von Platz acht auf sechs. Dort blickte er auf die Hinterräder von Hamiltons Kollege Bottas. "Unser Auto ist auf trockener Strecke gut. Wir brauchen uns keine Sorgen machen", ahnte Vettel. "Wir müssen ein bisschen überholen."

Er erwartete ein "lustiges Rennen". So richtig lustig wurde es dann nur für Hamilton, der nach der ersten Runde schon 1,7 Sekunden Vorsprung herausgefahren hatte auf Ocon, der nach dem Start Stroll überholt hatte. In der dritten Runde tauschten Räikkönen und Vettel die Positionen, Bottas zog vorbei an Ocon, Vettel an Stroll. An der Spitze kreisten die Silberpfeile vor dem Überraschungs-Qualifikanten Ocon, auf fünf und sechs folgten Stroll und Räikkönen. Besser hätte der Start aus Sicht von Mercedes kaum ausfallen können. Und schlechter hätte er für Max Verstappen nicht laufen können; in der Schikane geriet er mit Felipe Massas Williams aneinander, beschädigte den Frontflügel und schlitzte sich den rechten Vorderreifen auf.

Ricciardo überholte erstaunlich locker Räikkönen

Es wurde sehr schnell sehr deutlich, dass Vettel das Tempo der Mercedes nicht mitgehen konnte. Nach acht Runden überholte er zwar Ocon, doch nach zehn Umdrehungen lag er bereits zehn Sekunden hinter Hamilton und sieben hinter Bottas. Für Vettel ging es in Monza nur um Schadensbegrenzung. Vor ihm war lange Zeit kein Auto zu sehen, hinter ihm auch keines, so einsam ist Vettel selten gekreist. Viel weiter hinten hing Räikkönen, der von der Strecke abgekommen war, eine ganze Weile fest hinter Ocon und Stroll. Als erster Fahrer holte sich der Finne neue Reifen, probierte einen Undercut, um sich mit der Strategie vorbeizuschleusen. Zumindest Ocon aber blieb nach seinem Reifenwechsel noch bis zur 25. Runde vor dem Finnen.

Hamilton fuhr das Rennen unbedrängt zu Ende. Nach 32 von 53 Runden kam Vettel als erster Fahrer aus der Spitzengruppe an die Box, um sich neue Reifen aufziehen zu lassen - 27,7 Sekunden betrug da bereits sein Rückstand auf Hamilton, der eine Runde später auch an seine Versorgungsstation fuhr. Und so trudelte dieses Rennen seinem Finale entgegen, mit dem singulären Höhepunkt, dass Ricciardo noch erstaunlich locker Räikkönen überholte und ihn von Platz vier verdrängte.

Vettel beeindruckte das wenig. "Auch wenn uns der Speed gefehlt hat und wir auf den Deckel bekommen haben, weiß ich, dass wir ein gutes Auto haben", sagte er. "Ich bin überzeugt, dass da noch richtig was kommt in den nächsten Rennen." Es kommen zumindest garantiert noch sieben Rennen.

© SZ vom 04.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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