Formel 1:Vater, Sohn, eiliger Geist

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Im Alter von gerade einmal 18 Jahren und 228 Tagen feiert der Holländer Max Verstappen seinen ersten Sieg.

Von Elmar Brümmer, Barcelona

Die rasanteste Beförderung der Formel-1-Geschichte ist noch keinen Tag her, da greift im Fahrerlager schon wieder der Zynismus. "Max Verstappen ist der älteste Niederländer, der je einen Grand Prix gewonnen hat", twittert es aus Barcelona. Verstappen ist exakt 18 Jahre und 228 Tage alt; damit ist er der mit Abstand jüngste Sieger, den die Königsklasse je gefeiert hat. Aber es gab eben noch nie einen holländischen Siegfahrer. Vater und Manager Jos, der sich einst an Michael Schumachers Seite vergeblich mühte, gab nach der Triumphfahrt des Sohnemanns im ersten Einsatz für Red Bull Racing mit Tränen in den Augen zu: "Natürlich ist Max besser als ich, das wusste ich schon lange." Der 44-Jährige macht dafür auch seine Erziehung verantwortlich. Seit er ein Kart-Kind ist, wird Verstappen junior auf die Karriere getrimmt, die der Papa auch gern gemacht hätte.

Nicht bloß da sein, wenn sich die große Chance bietet, sondern auch bereit sein - nach diesem Prinzip funktionieren Ausnahmekarrieren. Von Platz vier gestartet, nutzte Max Verstappen den Ausfall der Silberpfeile und wurde im Gegensatz zum Teamkollegen Daniel Ricciardo auf die richtige Strategie gesetzt. Verstappen sagt nach seinem Triumph, dass er keine Rennfahrerhelden verehre. Aber die Parallelen zu Sebastian Vettel, der ebenfalls aus dem Red-Bull-Talentschuppen zum Weltmeister wurde, sind offensichtlich.

"Verstappen versetzt Limburg in Ekstase": Die Zeitung De Telegraaf - in milder Untertreibung - über den Überraschungssieger von Barcelona. (Foto: Dan Istitene/Getty)

"Max steigt ja sogar auf die gleiche Art wie Seb ins Auto ein", sagt Teamchef Christian Horner über sein Déjà-vu, "es ist beeindruckend, wie cool und ruhig er im Auto ist, mit einer sehr klaren Haltung. Das erinnert mich stark an Sebastian Vettel." Einer der Unterschiede, so der 42 Jahre alte Brite: "Zum ersten Mal habe ich einen Fahrer, dessen Vater ich sein könnte."

Die letzten 32 der 66 Runden beim Großen Preis von Spanien auf einem Satz Reifen durchzustehen, und sich dabei noch den attackierenden Kimi Räikkönen vom Hals zu halten, das war so etwas wie die Meisterprüfung für den 18-Jährigen. "Ich habe ihn immer wieder herankommen lassen und dann die Lücke verwaltet", erzählt Verstappen in einem Ton, der nach mehr klingt als nach 24 Grand-Prix-Einsätzen. Der jüngste Fahrer im Feld hält so den mit 36 Jahren ältesten in Schach. Schöner lässt sich der anstehende Generations- wandel kaum illustrieren. "Jetzt müssen wir das Ganze optimieren, damit wir immer gewinnen können", forderte Verstappen nach seiner Triumphfahrt. Konzerneigner Dietrich Mateschitz, der extra nach Barcelona eingeschwebt war, klatschte begeistert jeden Mechaniker ab. Red Bull wittert wieder eine Chance. Man hat das beste Rennwagen-Chassis, im Juni kommt endlich ein stärkerer Motor - und jetzt hat man auch eine gute Fahrerpaarung.

Im vergangenen Jahr war Verstappen mit 49 Punkten der Neuling des Jahres, aber er sammelte auch die meisten Strafpunkte. Sein Schimpfname: "Mad Max". Doch nirgendwo übertüncht der Erfolg alle Bedenken schneller als in der höchsten Klasse des Motorsports. Auch alle, die Red Bull für den Einsatz eines 17-Jährigen einst ebenso geißelten wie für die Degradierung des Stammpiloten Kwjat zugunsten von Verstappen sind umgeschwenkt auf den Begeisterungs-Kurs. Niki Lauda zog telegen die Kappe und konstatiert angesichts des ungeheuren Vorwärtsdrangs, dass es sich um ein Talent handele, dass es so wohl nicht mehr geben werde.

Auf jeden Fall bis 2019 soll "die heißeste Aktie im Feld" (Horner) im Depot des Getränkekonzerns bleiben. Entdecker Helmut Marko, 73, durfte zur Feier des Sensationstages mit aufs Podium. Der Österreicher unterstrich seinen Spürsinn: "Wenn wir nicht genau gewusst hätten, wie mental stark Max ist und welche Qualitäten er besitzt, hätten wir diesen Tausch ja nicht gemacht." Das meiste abverlangt, gesteht der neue WM-Sechste, habe ihm der Blick auf die Anzeigetafel: "Da stand mein Name an Nummer eins. Ich habe mich zwingen müssen, nicht mehr hinzuschauen, mich zu konzentrieren und das Ding nach Hause zu fahren."

© SZ vom 17.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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