Formel 1:"Letzte Warnung" vor der Stallorder

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Nach dem Crash beim Großen Preis von Österreich in Spielberg ruft Mercedes seine Piloten Lewis Hamilton und Nico Rosberg eindringlich zur Ordnung.

Von Elmar Brümmer, Silverstone

Rote Lampen, die ausgehen, damit fängt jedes Formel-1-Rennen an. Für den Großen Preis von Großbritannien am Wochenende ist schon am Donnerstag grünes Licht gegeben worden - jedenfalls für die beiden Piloten, auf die sich alles Interesse zu konzentrieren scheint: "Freie Fahrt" vermeldet Mercedes nach einem Krisengespräch zwischen Nico Rosberg, Lewis Hamilton und den Teamchefs Toto Wolff und Paddy Lowe in der Rennfabrik nahe der Strecke von Silverstone. Allerdings mit dem eindrücklichen Hinweis, dass der Verhaltenskodex verschärft wurde: "Er erhält nun drastischere Abschreckungsmaßnahmen bei Berührungen zwischen unseren beiden Autos." Droht nach dem Kompromiss der Rausschmiss? Für Wolff ist der neuen Nicht-Berührungspakt eindeutig: "Es ist die letzte Warnung."

Vor dem Rennen in Spielberg warteten die Mercedes-Piloten Nico Rosberg (links) und Lewis Hamilton (Mitte) noch friedlich mit den Kollegen auf den Rennstart. Auf der Strecke ging es dann zur Sache. (Foto: Valdrin Xhemaj/dpa)

"Wir wollen die zwei frei fahren lassen." Klappt es nicht, "behalten wir uns alle Schritte vor"

Nach dem Großen Preis von Österreich ist vor dem Großen Preis von Großbritannien, und nach dem Crash von Spielberg in der letzten Runde fahren die beiden Piloten auf Bewährung. Für den Rest der Saison, vielleicht sogar wie geplant bis Ende 2018. "Wir vertrauen unseren Fahrern, dass sie sich künftig in solchen Situationen auf der Rennstrecke richtig verhalten. Ihr Schicksal liegt jetzt in ihren eigenen Händen." Eine dunkelgelbe Karte, um die Daimler-Chauffeure wieder zur Räson zu bringen. Wie genau die Drohungen genau aussehen, das sei Privatsache, sagt Lewis Hamilton. Auch Wolff hält sich daran, deutet aber zumindest Geldstrafen an. Nico Rosberg verrät, dass sein verunglücktes Manöver vom letzten Wochenende nach den neuen Umgangsregeln heftigere Auswirkungen hätte: "Ich weiß, welche Konsequenten es gibt. Ich werde weiter kämpfen, aber dabei die modifizierten Regeln im Hinterkopf behalten."

Die beiden WM-Führenden, vor dem zehnten Lauf nur noch durch elf Punkte getrennt, sind in dreieinhalb gemeinsamen Mercedes-Jahren sechsmal kollidiert. Hamilton "gewinnt" diese Wertung mit 4:1, beim Europaauftakt im Mai in Barcelona sind beide ausgeschieden. Die Sorge gilt nach drei Zwischenfällen in den letzten fünf Rennen einer Eskalation und dem Risiko, dass die Titel für Mercedes trotz aller Überlegenheit in Gefahr geraten.

Das Team versucht jetzt einen Schlussstrich zu ziehen und gleichzeitig die Ideallinie zu halten. Die Fahrer wurden auch darüber informiert, dass das Team während der Rennen möglicherweise Anweisungen ausgeben wird, um sich vor dem Verlust von Punkten in der Konstrukteurs-Wertung zu schützen. Das lässt dem Kommandostand jetzt jederzeit alle Möglichkeiten der taktischen Beeinflussung. Die offene Stallregie werde man nur "als letzten Ausweg" aussprechen, wenn die beiden Streithähne den überarbeiteten Verhaltenskodex nicht respektieren sollten. Die kurze Leine ist mit Daimlerchef Dieter Zetsche, einem Motorsportfan, abgesprochen.

Mercedes-Teamaufsichtsrat Niki Lauda hatte schon vorab die Marschroute des Managements verraten: "Wir wollen die zwei frei fahren lassen, aber nur so weit, dass sie nicht zusammenfahren. Wenn es nicht klappt, behalten wir uns alle Schritte vor. Irgendwo hört der Spaß auf." Zu diesen Aussagen gibt es keine Rückrufaktion, im Gegensatz zu Zitaten aus einem Plausch mit Servus TV. Der frühere Weltmeister plauderte freimütig darüber, dass Hamilton bewusst gelogen habe, als er vor dem letzten Rennen von einer Versöhnung mit Rosberg gesprochen hatte. Das Team verbreitete daraufhin ein Statement im Namen von Lauda, in dem er Missverständnisse bedauert. Das Dementi zeigt vor allem eins: Wie diffizil die ganze Angelegenheit für Mercedes ist. Die Teamführung musste entscheiden, wem es am meisten verbunden ist: Dem Sport, dem Erfolg, den Fahrern oder dem Unternehmen. Im Bulletin heißt es: "Wir sind davon überzeugt, dass freies Fahren ein Grundbestandteil der Formel 1 ist - auch unter Teamkollegen. Als leidenschaftliche Racer möchten wir sie gegeneinander kämpfen sehen." Der Echt-Test auf der Strecke dürfte zur hohen Kunst der Formel-1-Diplomatie werden - für alle Beteiligten.

© SZ vom 08.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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