Formel 1:Erst der Monsun, dann die Nacht

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Naturgewalten und mangelnde Sichtverhältnisse stoppen die Formel 1 in Malaysia: Jenson Button gewinnt das Abbruch-Rennen vor Nick Heidfeld und Timo Glock.

Elmar Brümmer

Die Entscheidung über den Ausgang des Großen Preises von Malaysia fiel nur praktisch gesehen im Grauschleier am späten Sonntagnachmittag. Das Schicksal des zweiten Formel-1-Rennens der Saison wurde schon im Dezember besiegelt, als die Startzeit um zwei Stunden nach hinten, auf 17 Uhr Ortszeit, verschoben wurde. Dem Wohl der besseren TV-Zeit in Europa stand das Risiko heftigen Regens und früh einbrechender Dunkelheit entgegen. Ein Abbruch mit Ansage. Am Ende war es so dunkel und so glitschig im Motodrom nahe Kuala Lumpur, dass die Champagnerflasche des Siegers Jenson Button auf dem Boden zerschellte.

Ferrari-Fahrer Kimi Räikkönen sucht Schutz vor der Regensinnflut in Kuala Lumpur. Dass der Fotograf im Hintergrund eine nasse Unterhose bekam, ist anzunehmen. (Foto: Foto: dpa)

Vorausgegangen war ein feucht-heißer Aufguss, der es in sich hatte: Nach einer Stunde und 57 Sekunden beendete ein Monsun-Schauer das Freischwimmen der Rennwagen. Da wegen der einbrechenden Dunkelheit nicht mehr gestartet werden konnte, hieß der Sieger zum zweiten Mal in einer Woche Jenson Button im Brawn-Mercedes. Pitschnass und ebenso glücklich standen nach 31 gewerteten Runden BMW-Pilot Nick Heidfeld und Toyota-Fahrer Timo Glock mit auf dem Podium. Alle Platzierten bekommen aber nur halbe WM-Punkte, da elf Runden zu der für die volle Wertung nötigen Dreivierteldistanz fehlten. "Ein Rennen wie eine Schlacht", sagte Mercedes-Sportchef Norbert Haug. Sieger Button fand es einfach nur "verrückt", Nick Heidfeld am Ende "unfahrbar" - aber keiner war wirklich über das Chaos überrascht. In Australien war das Dämmerrennen wegen der tiefstehenden Sonne ein Risiko, diesmal ging es bei Wolkenbruch und Dunkelheit gerade noch gut.

Noch während des Rennens fanden Gespräche mit Vermarkter Bernie Ecclestone statt, künftig soll es in Malaysia wieder früher losgehen. Eine Flutlichtanlage wie in Singapur lässt sich nicht finanzieren. Dreißig Minuten lang hatten die Wolkenberge nur gedroht, dann brach der Regen los. Als es sich schon wieder zu beruhigen schien, krachte nach einer Rennstunde ein Blitz ins Motodrom, gefolgt von einem Monsunguss. Selbst dem Sicherheitsfahrzeug wurde es zu gefährlich, es sammelte nur zwei Minuten lang alle 15 noch im Rennen befindlichen Autos ein, dann zeigten die Streckenposten die roten Flaggen. Leuchtend rote, denn manchenorts waren nur noch Kontraste zu erkennen.

Spektakuläre Regenschlacht

Der Grand Prix war bis dahin höchst unterhaltsam, es wurde so viel überholt wie die halbe letzte Saison nicht. Nico Rosberg im Williams hatte früh geführt, dann avancierte Timo Glock im Toyota zum Mann des Rennens. Als beim ersten Schauer sicherheitshalber alle die Starkregen-Reifen aufzogen, blieb er auf den "Intermediates" für feuchte Verhältnisse. Bis zu zehn Sekunden schnellere Rundenzeiten waren das Resultat, Glock pflügte wie auf Wasserskiern nach vorn.

Als er dann an die Box kam, um seine verschlissenen Pneus zu wechseln, brach der Monsun los - Glock konnte ohne Extrastopp auf die richtige Mischung umsatteln. Der Wersauer haderte nur mit der Ergebnisvergabe. Seine Ingenieure hatten ihm zugebrüllt, er wäre der Führende, hinter dem Safety Car war er Zweiter, das Podium erklomm er schließlich als Dritter - da immer die letzte komplette Runde gewertet wird. Den Absturz von eins auf drei wird er verkraften. "Unsere Taktik hat sich ausgezahlt. Der Abbruch ist ärgerlich, ich hätte gerne noch weiter gekämpft", sagte er.

Im für die Wertung entscheidenden Umlauf war Nick Heidfeld, der zweite Rainman des Rennens, vorbeigezogen, als Glock gerade an der Box war. Auch dem BMW-Fahrer, der als Zehnter gestartet war und zum achten Mal in seiner Karriere Fast-Sieger wurde, hatte das Team Platz eins signalisiert. Hätte auf der Geraden nicht so viel Aquaplaning geherrscht, dass Heidfeld nur schleichen konnte, wäre Jenson Button sicher nicht vor ihm wieder aus der Box entwischt. Heidfelds Reifenstrategie war ebenfalls ein vom Glück beflügeltes Strategie-Stück gewesen: Er konnte vollgetankt lange fahren. Als der Monsun losbrach, entschied er auf eigene Faust, auf abgefahrenen Reifen in der Gischt weiter wacker Runden zu drehen. Diese Entscheidung spülte ihn nach vorne. "Bis auf die letzten beiden Runden hat das heute viel Spaß gemacht", sagte Heidfeld. Sein Coup rettet BMW den Saisonauftakt. Teamkollege Robert Kubica war mit brennendem Auto früh liegengeblieben.

Stoßgebete über Funk

Als das Rennen unterbrochen wurde, formierten sich die Rennwagen auf der Zielgeraden zu einer zweiten Startaufstellung. Die Rennleitung spekulierte auf einen Neustart. Wenn das Feld noch einmal zehn Runden absolviert hätte, wären regulär Punkte vergeben worden. Doch die Fahrergewerkschaft protestierte gegen diesen Plan. Der Italiener Jarno Trulli schickte ein Stoßgebet über Funk an die Rennleitung: "Falls uns irgendjemand hört, es ist zu dunkel!"

Nach einer Dreiviertelstunde dämmerte das auch den Rennkommissaren. Den letzten Abbruch eines Formel-1-Rennens wegen zu starken Regens hatte es im November 1991 im Adelaide gegeben, nach 14 von 81 Runden. Geahnt hatte den Abbruch offenbar nur einer: der Weltmeister von 2007, Kimi Räikkönen. Der Ferrari-Fahrer hatte als erster viel zu früh Regenpneus aufgezogen und war chancenlos durchgereicht worden. Er stand schon in kurzen Hosen im Verpflegungszelt und holte sich ein Eis, als die anderen noch als nasse Häufchen in den Cockpits ausharrten.

© SZ vom 06.04.2009/jbe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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