Formel 1:Ein Stopp weniger

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Entscheidende Szene: Sauber-Fahrer Ericsson rutscht ins Kiesbett. Gleich kommt das Safety Car und bereitet den Weg für Sebastian Vettels Erfolg. (Foto: Andy Wong/AP)

Vettels Coup in Sepang war kein Glückstreffer - Mercedes muss um seine Dominanz fürchten.

Von René Hofmann, Sepang/München

Niki Lauda wirkt in der Formel 1 nicht nur als Chef des Aufsichtsrats des Mercedes-Teams. Der Österreicher ist auch ein gefragter Experte. Nicht nur beim deutschen Sender RTL, der ihn seit nunmehr 20 Jahren beschäftigt. Lauda tritt auch regelmäßig im ORF auf. Und weil er die Rennen meist in der Mercedes-Hospitality verfolgt, zu der fast alle Journalisten Zutritt haben, sind viele seiner Expertisen halböffentlich.

Mercedes hatte schon berechnet, wann Vettel überholt sein sollte

Als sich beim Großen Preis von Malaysia an diesem Sonntag in Sepang in der dritten Runde Marcus Ericsson in seinem Sauber von der Strecke drehte und Rennchef Charlie Whiting das Safety Car ausrücken ließ, um den Wagen des Schweden sicher zu bergen, staunte Lauda nicht schlecht über das, was er sah. Er sah, wie das Mercedes-Team Lewis Hamilton und Nico Rosberg zum Reifenwechsel einbestellte. Und er sah, wie Ferrari Sebastian Vettel weiterfahren ließ. Laudas sofortiges Verdikt zur Ferrari-Taktik: "Ein Fehler!"

Das aber sollte sich später als Irrtum erweisen. Als entscheidender Irrtum. Ferrari machte mehr aus den Möglichkeiten, die Ericssons Dreher eröffnete. "Wir waren uns sicher, dass seine Reifen halten würden", begründete Technikchef James Allison die Entscheidung, Vettel mit einer Zwei-Stopp-Strategie weiterziehen zu lassen. Mercedes vergab alle Siegchancen, weil es Hamilton und Rosberg gleichzeitig einbestellte und beide weiter ihren Fahrplan absolvieren ließ, der drei Reifenwechsel vorsah.

Laut Hochrechnung hätten sowohl Rosberg wie auch Hamilton sich zu Rennende hin noch mit Vettel duellieren sollen. Hamilton wurde sogar eine exakte Prognose ins Cockpit gefunkt, wann er auf den führenden Ferrari auflaufen würde ("fünf Runden vor dem Ziel"). Doch all die Rechenspiele gingen nicht auf. Vettel blieb bis zur Zielflagge unbedrängt.

Als Lauda den Irrtum erkannte, der seinem Team unterlaufen war, eilte er schnell rüber in die Garage. Den Lauf der Dinge aber konnte auch der dreimalige Weltmeister nicht mehr ändern. Am Ende schritt der 66-Jährige als einer der ersten Gratulanten zu Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene und erklärte: "Ich denke, Ferrari war heute nicht zu schlagen."

Mercedes-Teamchef Toto Wolff räumte die Niederlage nicht nur ebenso unumwunden ein. Er erweiterte sie sogar um eine Dimension. Auf die Frage, ob er die Roten nun als Titelrivalen betrachte, antwortete er: "Ja, natürlich. Sie haben gerade das Rennen gewonnen." Eine Mahnung, die auch die WM-Tabelle stützt: In dieser hat Sebastian Vettel sich als Zweiter mit 40 Punkten zwischen Hamilton (43 Punkte) und Rosberg (33) geschoben. Die Mercedes-Dominanz: Sie ist offenbar doch nicht so fest gefügt, wie sie es zu sein schien.

In der vergangenen Saison hatte Mercedes 16 der 19 Rennen gewonnen. Nur in Kanada, Ungarn und Belgien fiel die Feier aus. Dreimal nutzte der Australier Daniel Ricciardo im Red Bull die Chance, weil sich die Favoriten teamintern einbremsten. In Montréal jagten sich Hamilton und Rosberg so leidenschaftlich, dass beide ihre Autos überstrapazierten. In Ungarn stand Hamilton Rosberg nach einer Safety-Car-Phase im Weg. Und in Spa-Francorchamps kollidierten die Kollegen. Am Sonntag wurden sie nun nach langer Zeit wieder von Rivalen auf der Rennbahn bezwungen.

Die Hitze - zum Rennstart war der Asphalt 62 Grad heiß - führte dazu, dass die silbernen Autos die Einheitsreifen von Pirelli stärker beanspruchten, als dies der Ferrari tat. "Das hat uns geholfen", räumte Sebastian Vettel ein, "aber wir haben sie fair und eindeutig geschlagen." Die aussagekräftigste Szene ereignete sich in Runde 22 von 56, als Vettel mit frischeren und damit schnelleren Reifen auf Rosberg auflief, der sich beim Blick in den Rückspiegel offenbar erschrak und seinen Renn- ingenieur am Funk fragte, was das zu bedeuten habe. Als dieser ihm die Optionen der unterschiedlichen Strategien ausgiebig auseinandersetzte, erwiderte Rosberg knapp: "Sag' es mir einfacher!" Die simple Botschaft, die daraufhin erging, lautete: Fahr' einfach so schnell du kannst!

Weil das nicht half, lässt sich der Rat für die nächsten Rennen am 12. April in China (Start 8 Uhr/MESZ) und am 19. April in Bahrain (Start 17 Uhr/MESZ) nun sogar erweitern, denn die Perspektive hat sich geändert: Die Mercedes-Fahrer sollten sich jetzt wieder öfter umschauen.

© SZ vom 30.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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