Fifa:Und ewig jagen die Headhunter

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Zum ersten Mal in der Hauptrolle: Gianni Infantino, 46, wurde am 26. Februar als neuer Präsident des Fußball-Weltverbandes Fifa gekürt. (Foto: Tibor Illyes/AP)

Auf ihrem Kongress in Mexiko inszeniert der Fußball-Weltverband seine Erneuerung. Bei einem Kernthema aber muss der neue Chef Gianni Infantino passen.

Von T. Kistner, München

Der Kongress tagt, am Freitag in Mexiko-City erwarten den neuen Fifa-Präsidenten Gianni Infantino heikle Themen. Allerlei Reformschritte sind umzusetzen, der 25-köpfige Vorstand soll in ein 36-köpfiges Council verwandelt werden; aber vor allem gilt es, einen neuen Vorstandschef für die Fußballwelt zu finden. Diese Rolle soll fortan ein operativ gestärkter Generalsekretär ausüben. Infantino bleibt nur der Job als distanzierter Chefaufseher - sein Präsidentenamt wurde dank der Eskapaden des langjährigen Vorgängers Sepp Blatter kräftig abgewertet.

Aber das Geraune im Umfeld des Präsidenten schwillt an. Dass das Kernthema "neuer Vorstandschef" in Mexiko nicht einmal auf der Agenda steht, passt in das Bild, das Infantino seit seiner Kür im Februar abgibt: Das eines Nachrückers im alten Feudalsystem, der die Showbühne lieber selber nutzt und nicht wirklich gewillt ist, eine neue Ära einzuleiten. Befragt, warum die Bestellung des Generalsekretärs so lange dauere, erklärt die Fifa vage, eine Firma erstelle ein Jobprofil; Headhunter lieferten Infantino Empfehlungen, die dieser mit seinen Kollegen bespräche. "Im Sommer" dann soll der neue General gefunden sein.

Der nächste Machiavellist aus dem Oberwallis? Die Stimmung in der Zentrale stützt diesen Verdacht

Das erstaunt, schon weil die Stelle ja seit Herbst 2015 vakant ist; damals wurde der Affären-Funktionär Jérôme Valcke abgesetzt. Und der Kandidatenkreis ist nicht sehr groß. Auch dauert der Sommer kalendarisch bis 21. September: Nimmt man die übliche Fifa-Rhetorik zum Maßstab, kann die Suche leicht bis Herbst andauern.

Viele in Zürich fragen sich, warum es für so ein Stellenprofil überhaupt externer Beratung bedarf. Scheich Salman aus Bahrain, der Infantino bei der Fifa-Wahl im Februar unterlag, hätte mit Richard Scudamore gleich seinen Spitzenmann mitgebracht: Er wollte den Briten berufen, der so erfolgreich die Premier League managt. Von Infantino - der im Wahlkampf die Fußballzwerge mit Geldversprechen gelockt hatte und nun in Mexiko per Kongress-Votum eine Euromilliarde an Fördergelder lockermachen muss - hieß es nur, er wolle keinen Europäer als Generalsekretär. Das, bestätigt die Fifa, sei weiter sein Wunsch. Aber warum sollte bei der Suche nach dem besten Fifa-Chef just der führende Kontinent der Fußballwelt außen vor bleiben?

Infantino, 46, war selbst lange Generalsekretär im Europaverband Uefa. Er weiß, wie Hauptamtliche Politik machen können. Nun aber muss er eine Rolle spielen, die er nur aus subalterner Sicht kennt. Wie wenig ihn gerade sein früherer Chef Michel Platini schätzt, hat dieser erst am Montag kundgetan. Nachdem ihm der Sportgerichtshof Cas eine Vier-Jahres-Sperre verordnet hatte, teilte Platini bedauernd mit: Leider könne er bei der nächsten Fifa-Wahl nicht antreten.

Eine Ohrfeige für den Neuen. Infantino ist gefühlt noch immer die Verlegenheitslösung. An die Fifa-Spitze gespült wurde er, nachdem er im Herbst 2015 die Kandidatur des suspendierten Platini übernehmen musste. Nun sucht er Profil. Und auffallend früh dringen aus der Fifa-Administration Klagen über den Führungsstil, die Stimmung sei schlecht. Das Bild des Autokraten hat Infantino gar schon selbst nach außen getragen: Bei der ersten Pressekonferenz fragte er seinen Medienchef Nicolas Maingot, ob er eine bestimmte Aussage treffen könne, erntete ein Okay und fuhr kaltblütig fort: Er hätte die Aussage auch getroffen, wenn Maingot Nein gesagt hätte. Die kleine Lektion vor der Weltpresse offenbart, welche Art Frust auf dem Zürichberg herrschen dürfte.

Hat nun ein Machiavellist aus dem Oberwallis den anderen abgelöst? Spekulationen schürt auch der Fall Kevin Lamour. Der Franzose war Platinis Chefberater und mit Uefa-General Infantino eng vertraut. Als im Herbst 2015 Platinis Verwicklung in Schweizer Strafermittlungen gegen Blatter wegen einer Millionenzahlung (zwischen den beiden) aufflog, warf Lamour sofort den Job hin: Insider berichten, er habe sich von Platini hintergangen gefühlt.

Der Präsident ist nur noch Aufseher. Zudem verdient er weniger als der Generalsekretär

Warum winkte er jetzt erneut ab, in kürzester Zeit? Hat er auch Infantino Vertrauensfragen gestellt? Und überhaupt: Welche Rolle spielen die Panama Papers? Nur Stunden, nachdem fragwürdige Geschäfte publik wurden, die auch Infantino einst als Uefa-Mann unterschrieb, führte die Schweizer Bundesanwaltschaft eine Razzia in der Uefa-Zentrale durch, um die Verträge zu sichern. Ermittelt wird gegen Unbekannt; Infantino hat jedes Fehlverhalten von sich gewiesen.

Drängende Fragen haben auch Blatter stets begleitet. Aber Infantinos Aktionsradius wird stark eingeschränkt im Zuge einer Reform, die sich aus Furcht vor dem FBI nicht vermeiden lässt. Zurückstecken muss er auch in einer anderen pikanten Frage: der des Salärs. Blatter hatte sich als operativer Präsident mit Beträgen ausstaffiert, deren Gesamtdimension noch zu ermitteln ist. Für den zum Aufseher degradierten Infantino ist nur ein Bruchteil davon zu verdienen. Und: Auch der neue Generalsekretär soll deutlich mehr erhalten.

Auch die Gehaltsfrage soll intern für Debatten gesorgt haben. In der Fifa-Zentrale hieß es dazu in der vergangenen Woche, man glaube, der Präsident kenne sein Salär noch nicht. Hingegen erklärt die Entschädigungskommission unter Compliance-Chef Domenico Scala: "Die Entschädigung wurde dem Präsidenten einige Wochen nach der Wahl mitgeteilt." Auch sei die Kommission zu dem Schluss gelangt, "dass der Generalsekretär aufgrund der verabschiedeten Reformen und dank variabler Vergütungskomponente mehr erhalten wird als der Präsident". Die Saläre werden von nun an festgelegt; sie sind nicht mehr verhandelbar.

Eines aber bleibt dem Präsidenten: Er darf die Bühne bespielen. Am Mittwoch führte Infantino im Azteken-Stadion eine Auswahl "Fifa-Legenden" gegen ein einheimisches All-Star-Team aufs Feld. Mit Kickergrößen hatte er sich schon am Tag nach seiner Kür in Zürich dekoriert. Wie der alte Patron nutzt Infantino den Fußball gern für Fassadenarbeit. Dahinter türmen sich jedoch immer mehr Aufgaben - sogar die Suche nach dem neuen Spitzenmann könnte zum Rennen gegen die Zeit werden. Interimsmäßig übt seit Valckes Abgang Markus Kattner den Job aus. Aber Zutun oder Mitwissen des braven Kassenwarts der Blatter-Ära findet sich im Kontext auffallend vieler Fifa-Affären. Und jetzt führte der Sportgerichtshof Cas in seinem Urteil gegen Platini diese Mitwisserschaft sogar als Milderungsgrund für den Sünder an: Die Fifa habe seit 2011 von dem Deal gewusst und sei untätig geblieben. Der Dampf der alten Affären, er umwölkt immer stärker auch die neue Fifa-Führung.

© SZ vom 12.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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