Fifa:Blatter droht das Aus

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Ob ein Stoßgebet hilft? Joseph Blatter, 79, der den Fußball-Weltverband (Fifa) als Präsident führt, könnte bald schon nicht mehr seines Amtes walten. (Foto: Ennio Leanza(dpa)

Die Ethikkommission beantragt eine 90-Tage-Suspendierung für den Fifa-Chef. Auch Platini soll gesperrt werden.

Von Thomas Kistner, Zürich/München

Am Mittwochabend teilte Klaus Stöhlker der britischen BBC mit, Sepp Blatter habe "ruhig" reagiert auf die Botschaft, dass ihn das Fifa-Ethikkomitee auf Antrag der Untersuchungskammer für 90 Tage suspendieren soll. Drei Monate ohne Thronamt in der Fifa, in deren Dienste er vor 40 Jahren trat, verbannt aus dem Büro am prunkvollen Verbandssitz, aus jedem Stadion, vom letzten Bolzplatz: Eingedenk der Tragweite des drohenden Verdikts deutet die Ruhe, die der PR-Berater seinem 79-jährigen Mandanten da gestern zuschrieb, eher auf Schockstarre hin.

Andererseits wurde von Stöhlker auch der Hinweis übermittelt, dass Blatter ja der "Vater dieses Ethikkomitees" sei. Das ist richtig, und deshalb abzuwarten, ob die Spruchkammer des Gremiums unter ihrem Vorsitzenden Hans-Joachim Eckert dem Antrag der internen Ermittlungskommission folgen und Blatter aus dem Verkehr ziehen wird. Ein Urteil wird spätestens Freitag erwartet. Blatter werde "morgen im Büro sein", teilte der Berater mit.

Alles paletti: Das ist die Botschaft, die Blatters PR-Strategen seit Monaten zu verbreiten versuchen. Ein tiefenentspannter Präsident, dessen Fußball-Weltverband gegen den Untergang im eigenen Geschäftsmorast ankämpft - und gegen den ja nun auch persönlich Strafermittlungen der Schweizer Bundesanwaltschaft laufen, unter anderem wegen des Verdachts der "ungetreuen Geschäftsbesorgung". Es geht einmal um zwei Millionen Franken an Michel Platini, deren Zahlung in der heißen Wahlkampfphase des Jahres 2011 erfolgt war und die nun als verspätete Gehaltsüberweisung für Dienste deklariert wird, die der Franzose als Blatter-Berater von 1998 bis 2002 geleistet haben soll. Zum anderen geht es um TV-Geschäfte mit dem früheren Fifa-Vize Jack Warner, dem Blatter WM-Rechte für die Karibik für 600 000 Dollar und damit deutlich unter dem Marktwert veräußert hatte. Warner, der diesen Deal selbst schon öffentlich als Gegenleistung für seine Arbeit als Blatters Stimmbeschaffer bei Fifa-Wahlen bezeichnet hat, soll beim Weiterverkauf der Rechte einen satten zweistelligen Millionenprofit erlöst haben.

Zwischen Tiefenentspannung und Schockstarre: Jetzt muss Richter Eckert entscheiden

Trotz dieser und anderer, teils schon juristisch bearbeiteter Vorgänge wie Blatters Rolle bei der strafrechtlichen Aufarbeitung der ISL-Schmiergeldaffäre gab sich der Schweizer bis zuletzt als frei von jeder Unregelmäßigkeit. Soeben erzählte er dem People-Magazin Bunte, dass er erst am 26. Februar den Thron frei machen wolle, wenn ein Fifa-Sonderkongress einen Nachfolger küren will, "keinen Tag früher".

Wie Blatter, der die Fifa seit 1981 als Generalsekretär und seit 1998 als Präsident führt, weist Platini jedes Fehlverhalten von sich. Dabei gilt als gesichert, dass auch er eine Suspendierung zu gewärtigen hat, falls Eckerts Kammer Blatter sperren sollte. Bisher war der Münchner Richter durch einen konsequent schonenden Umgang mit Blatter aufgefallen. Dem hatte er im Kontext der Affäre um die frühere Zuger Hausagentur ISL, die 142 Millionen Franken Schmiergelder auch an hohe Fifa-Funktionäre (wie Blatter-Vorgänger João Havelange) gezahlt hatte, nur "ungeschicktes" Verhalten angelastet - dabei war die Fifa im Zuge jener Strafermittlungen vom Opfer zur Mitbeschuldigten geworden und musste am Ende 2,5 Millionen Franken zahlen, weil ihre Spitze die Arbeit der Behörden behindert habe. Später fiel Eckert wiederholt mit markanten Aussagen pro Blatter auf. Auch sanktionierten die Ethiker nur Gegner oder gefallene Weggefährten Blatters. Zu dieser Funktionärsspezies zählt Platini, der einstige Zögling. Auch er will sich am 26. Februar zur Wahl als Blatter-Nachfolger stellen. Sollte er gesperrt werden, ist dieser Plan definitiv durchkreuzt; Blatter hätte ihn mit sich hinabgerissen.

Sollte Blatter tatsächlich gesperrt werden, müsste nominell der ebenfalls skandalumwitterte Vize Issa Hayatou ins Amt nachrücken. Und die Ethiker könnten gleich weitermachen. Der schwerkranke Funktionär aus Kamerun, Chef des Afrika-Verbands Caf, war mit Zahlungen der ISL in Berührung gekommen und dafür sogar vom IOC sanktioniert worden. In der Fifa hatte das bisher nie eine Rolle gespielt.

Was Blatter angeht, dessen Rücktritt zuletzt auch die US-Topsponsoren forderten, verwiesen die Anwälte darauf, dass sie erst eine Befragung durch Eckerts Kammer erwarten. Sollte dann die Sperre erfolgen, wäre noch ein Appell möglich. Er hätte aber keine aufschiebende Wirkung.

© SZ vom 08.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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