Facholympisch (6):Die Dopingprobe

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Zwischen Betrugsaufdeckung und Showveranstaltung: Die Dopingprobe ist derzeit eines der schwierigsten Kapitel im Sport.

Thomas Hummel

Wer versteht schon Olympisch? Von Chinesisch ganz zu schweigen. Im Jahr 2008 verbindet sich der olympische Kosmos mit der chinesischen Kultur. sueddeutsche.de erklärt deshalb täglich einen Begriff aus der Kategorie "Facholympisch".

Geht es in die richtige Richtung? Die Veranstalter bei Olympia 2008 testen jedenfalls fleißig. (Foto: Foto: dpa)

Oliver Neuville ist ein meistens herzlich gut aufgelegter Mensch mit Hang zum Späßchen, und deshalb war er die ideale Besetzung für diese Szene. Wie er da in dem düsteren Büro sitzt, mit den Funktionären witzelt, den Kameramann Sönke Wortmann noch fragt, ob dieser mit aufs Klo kommen wolle. Im Film "Das Sommermärchen" gibt diese Szene seltene Einblicke, denn der lustige Nationalstürmer Oliver Neuville sitzt da bei der Dopingprobe. Er muss direkt nach einem Spiel bei der WM 2006 einen Becher Urin abgeben.

Was im Film so lustig wirkte, ist in Wirklichkeit eines der derzeit schwierigsten Kapitel im Sport: die Dopingprobe. Denn selbst wenn ein Athlet zu unerlaubten Mitteln greift, heißt das noch lange nicht, dass seine Probe auffällt.

Die Organisatoren der Olympischen Spiele in Peking brüsten sich in diesen Tagen, dass sie 4500 Kontrollen durchführen werden, darunter 700 bis 800 Epo-Urintests und 900 Bluttests. Das sind insgesamt 900 mehr als in Athen, wo 27 Sportler aufflogen. In China rechnet IOC-Präsident Jacques Rogge mit 30 bis 40 Fällen.

Gerichtsprozesse überführen Sportler

Und dennoch sind sich alle Experten einig: Die Dopingkontrollen während der Spiele sind nicht viel mehr als eine Showveranstaltung, mittels derer man einzelne an den Pranger stellen kann, der großen Betrugsmaschinerie aber nicht einmal halbwegs das Handwerk legen kann.

Beispiele: - Die Amerikanerin Marion Jones wurde in ihrer schillernden Karriere mehr als 160 Mal kontrolliert, nie wurde ein unerlaubtes Mittel in ihr gefunden. Sie wurde viermal Weltmeisterin und dreimal Olympiasiegerin im Sprint und im Weitsprung. Bis sie in einem Meineid-Prozess zugeben musste, bei den Spielen in Sydney das anabole Steroid THG genommen zu haben.

- Der Amerikaner Antonio Pettigrew gab ebenfalls im Rahmen eines Prozesses gegen seinen Trainer die Einnahme von Wachstumshormonen und Erythropoetin (Epo) zu. Deshalb wurde kürzlich der US-Staffel über 4x400 Meter von Sydney die Goldmedaille aberkannt.

- Vor wenigen Tagen wurden sieben russische Top-Leichtathletinnen vom Weltverband IAAF für die Peking-Spiele suspendiert, weil ihnen nachgewiesen wurde, bei einer Dopingprobe fremdes Urin abgegeben zu haben. Der Wissenschaftler Werner Franke sagte daraufhin, bei ihm halte sich die Überraschung in Grenzen. Es sei schön länger bekannt, dass Athleten Dopingproben manipulierten. Für Frauen etwa eignete sich ein Präservativ, das man mit Fremdurin füllen, in die Vagina einführen und dann bei der Urinabgabe unbemerkt entleeren kann. "Das ist ungemein beliebt", sagt Franke. Oder die Frauen lassen sich den Fremdurin vor der Kontrolle mit einem Katheder in die Blase pumpen.

Bei den Männer gibt es ähnliche Tricks.

Selbst einer der spektakulärsten Dopingfälle der Olympia-Geschichte liegt heute nicht mehr so eindeutig, wie es einmal schien. 1988 wurde dem Kanadier Ben Johnson die Goldmedaille im 100-Meter-Lauf aberkannt, in seinem Urin fand man deutliche Spuren des anabolen Steroids Stanozolol. Später sagte Johnson: Klar, er habe vor den Spielen in Seoul gedopt - aber nicht mit Stanozolol. Jeder habe gewusst, dass dieses Mittel leicht zu finden sei. Nutznießer von Johnsons Dopingfall war der US-Amerikaner Carl Lewis, der statt Silber sein x-tes Gold feierte. Doch inzwischen wurde bekannt, dass Lewis Wochen vor Seoul bei den US-Meisterschaften in Indianapolis positiv getestet worden war. Der US-Verband verschwieg dieses Ergebnis aber.

Wie gehen nun die Tester vor? Auch im Hinblick auf die erkenntnisreichen Vorgänge bei der Tour de France, als beim Spanier Duenas ein bisher nicht zugelassenes Präparat gefunden wurde. Oder als der Italiener Piepoli Epo-Doping eingeräumt hat - obwohl er bei rund einem Dutzend Zielkontrollen immer negativ war.

Und so kann man in den meisten Fällen den Athleten nur eines wünschen: Viel Spaß bei der Dopingprobe!

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