Eishockey:Vier Mal Pfosten oder Latte

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Das 0:1 gegen Schweden unterstreicht den Fortschritt des deutschen Teams. Trainer Sturm sagt: "Für uns geht das Turnier jetzt erst richtig los."

Von Johannes Aumüller

Marco Sturm wirkte ungemein glücklich. Ein wirklich sehr gutes Spiel seiner Mannschaft habe er gesehen, befand er, das beste seit jenem Auftritt, der Deutschlands Eishockey-Team vor anderthalb Jahren die Qualifikation für die Olympischen Spiele eingebracht hatte. Und auf diesem Niveau könne und solle es natürlich weitergehen.

Wer Sturm am Freitag kurz vor Mitternacht im Kwandong Hockey Centre stehen und plaudern sah, konnte fast vergessen, wie das Spiel zuvor ausgegangen war. Sturms Team hatte nämlich nicht gewonnen, sondern 0:1 (0:1, 0:0, 0:0) verloren. Andererseits war Sturms Lob angebracht. Denn der Gegner war ja kein geringerer als Weltmeister Schweden gewesen.

Das olympische Eishockey-Turnier ist grundsätzlich nicht ganz einfach für Sturm, 39, und die deutsche Mannschaft. Wegen der Abwesenheit von gleich sieben Spielern aus der nordamerikanischen Profiliga NHL, die in seinem Kader normal zu den Stützen zählen. Und wegen der gestiegenen Erwartungen.

Vor zweieinhalb Jahren erkoren die Verantwortlichen des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) den gebürtigen Dingolfinger zum Chefcoach. Das war eine recht überraschende Entscheidung, denn der Job als Nationalcoach war Sturms erste Trainerstation. Aber gemessen an den Resultaten hat es sich durchaus gelohnt. Gleich bei seinem WM-Debüt qualifizierte sich die Mannschaft fürs Viertelfinale, bei der Heim-WM im Vorjahr wiederholte sie das, und in der Weltrangliste ist sie inzwischen Achter. Bei Olympia nicht unter die Top acht zu kommen, würde da schon als Enttäuschung gelten.

Oft nah an einem Tor, aber nicht erfolgreich: Felix Schütz (re.) versucht, Schwedens Torhüter Jhonas Enroth zu überlisten. (Foto: Matt Slocum/AP)

Aber bisher deutet nur wenig darauf hin, dass es so kommt. Schon das 2:5 zum Auftakt gegen Finnland war besser, als es das Ergebnis aussagte. Und nun gegen Schweden gab es noch einmal eine Steigerung. Zwar setzte es nach zwei Minuten einen Gegentreffer durch Viktor Stalberg, aber danach konnte das DEB-Team rasch Paroli bieten - und ab dem zweiten Drittel war es sogar die bessere Mannschaft.

Im Vergleich zum Finnland-Spiel leistete sie sich weniger Undiszipliniertheiten und unnötige Strafzeiten. Torwart Timo Pielmeier erwies sich als guter Rückhalt. Und in der Offensive kam sie zu vielen Gelegenheiten: Die erste hatte sie nach elf Minuten, als Dominik Kahun den Pfosten traf. Aber da konnten die Deutschen noch nicht ahnen, wie oft sie dieses Geräusch, das ein Puck macht, wenn er gegen das Gehäuse fliegt, noch hören würden an diesem Abend in Kwandong.

Nächster Gegner ist Norwegen. "Für uns geht das Turnier jetzt erst richtig los", sagt Sturm

In der 27. Minute war es Moritz Müllers Schuss, der an den Pfosten ging (27.). Und als die Deutschen kurz danach in den Genuss kamen, mit fünf Feldspielern gegen drei schwedische auf dem Eis zu stehen, schoss Kahun den Puck an die Latte (38.). Und als sei das noch nicht genug, reihte sich Felix Schütz im dritten Drittel noch ein in die Reihe der Pfostenschützen (47.). Vier Mal Gehäuse. "Was soll ich dazu sagen? Eishockey ist manchmal eine Sache von Millimetern", sagte Kahun. Bundestrainer Sturm, früher selbst Angreifer, assistierte: "Manchmal will der Puck einfach nicht rein, so ist der Sport."

Es ist ein Turnier ohne NHL-Spieler, da ist mancher Maßstab verrutscht und manche Überraschung möglich. Manchem Gegner fehlen noch mehr Profis als den deutschen, die Schweden etwa hätten fast einen ganzen Kader berufen können. Nur fünf Akteure waren schon beim WM-Triumph im Vorjahr dabei. Aber es war dann doch der Weltmeister, dem die Deutschen so engagiert gegenübertraten. Und so darf Sturm das Spiel durchaus einreihen in die grundsätzlich positive Entwicklung.

Erlebt in Los Angeles nicht nur die Wärme Kalilforniens: der frühere Eishockey-Bundestrainer Marco Sturm. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Sturm und der DEB geben sich ja durchaus ehrgeizig. Spätestens 2026 soll das DEB-Team in der Lage sein, bei WM und Olympia um Medaillen mitspielen zu könne. Dafür eckt Sturm auch mal an, vor allem, wenn es um die aus seiner Sicht mangelnde Förderung des Nachwuchses geht. Gerade die 17- bis 23-Jährigen bekämen eine zu schlechte Ausbildung, sagt er. Als es vor Olympia um die Verlängerung seines Vertrages bis 2022 ging, mag es verschiedene Gründe für sein Zögern gegeben haben; aber es lag auch am Nachwuchs-Thema. Sturm drängt darauf, dass die Deutsche Eishockey Liga (DEL) Möglichkeiten findet, deutschen Spielern mehr Einsatzzeiten zu geben. Oder es zumindest hilfsweise zu einer U-23-Runde kommt.

Dabei hätte Sturm schon jetzt ein paar jüngere Spieler mehr mitnehmen können, als er es tat. Aber der Niederbayer ist jemand, der im Zweifel lieber auf Sicherheit setzt. So kommt es, dass er eine recht defensive Spielweise bevorzugt - und dass er bei der Kaderwahl auch nicht mehr experimentieren wollte als wegen der Abwesenheit der NHL-Profis unbedingt notwendig. Die jüngeren Spieler will Sturm erst für die WM im Mai wieder verstärkt einbauen.

Nun steht aber erst einmal bei Olympia die dritte Gruppenpartie gegen Norwegen (Sonntag, 4.10 Uhr) an und in der kommenden Woche die K.-o.-Runde, für die alle zwölf Teilnehmer automatisch qualifiziert sind. "Für uns geht das Turnier jetzt erst richtig los", sagt Sturm.

© SZ vom 17.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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