Eishockey:Schlafmützig ins Derby

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Ausgerechnet beim Heimspiel gegen den Rivalen gelingt dem EHC München lange nichts. Die folgende Aufholjagd bringt zwar einen Punkt, doch im Penaltyschießen setzt sich Augsburg durch.

Von Christian Bernhard, München

Eigentlich war Ben Meisners Arbeitstag gerade zu Ende gegangen, und doch schien er irgendwie erst anzufangen. Meisner, Eishockey-Torhüter der Augsburger Panther, hatte am späten Freitagabend noch jede Menge zu erledigen, als er wild jubelnd aus seinem Kasten stürmte und auf direktem Weg in die Arme seiner Mannschaftskollegen fuhr. In diesem Moment begann seine Zusatzschicht: erst ein Interview im Mittelkreis, dann ab in die Kurve zu den Panther-Fans, die ihn lautstark zu sich gerufen hatten. Als er kurze Zeit später noch einmal mit der gesamten Mannschaft aufs Eis zurückkehrte, schickten ihn seine Teamkollegen gleich dreimal hintereinander in den Fanblock. Das Prozedere schien Meisner zu gefallen, jedenfalls ließ er es sich nicht nehmen, noch ein weiteres Mal zum Augsburger Anhang zu fahren. Der Rest der Mannschaft war da schon wieder in der Kabine.

Meisner bestreitet seine erste Saison in der Deutschen Eishockey Liga (DEL), der 25-Jährige war im Sommer von den Fischtown Pinguins Bremerhaven aus der zweiten Liga in die DEL gewechselt. Meisner kostet jeden Einsatz aus, den er als Nummer zwei hinter Jeff Deslauriers bekommt. Besonders den 4:3-Sieg nach Penaltyschießen beim EHC München am Freitag. Dieser war aus mehreren Gründen ein besonderer für Meisner: Es war sein erster in der DEL, er erfolgte im Derby beim Erzrivalen, und Meisner hatte großen Anteil daran. Sehr großen sogar. 41 Schüsse hielt er in den 65 Spielminuten, ehe er im Penaltyschießen alle drei Münchner Schützen stoppte. So reichte den Augsburgern Michael Igguldens verwandelter Penalty zum Sieg. Dieser macht sie mit vier Siegen in Folge zur Mannschaft der Stunde in der Liga. Zudem war es für die Panther der vierte Auswärtserfolg hintereinander, nach den Erfolgen bei Meister Mannheim und in Köln stellte Augsburg in München dem nächsten Titelfavoriten ein Bein.

"In den ersten 30 Minuten waren wir nicht da"

Dabei hätte es am Freitag sogar ein glatter Sieg sein können. Nach 33 Minuten führten die Schwaben mit 3:0, doch nur 15 Sekunden nach TJ Trevelyans Treffer zum 3:0 (für ihn persönlich war es das sechste Tor im fünften Spiel gegen München) traf EHC-Angreifer Mads Christensen (34.) und leitete so die Münchner Aufholjagd ein. "Das waren heute zwei verschiedene Spiele von uns", sagte EHC-Verteidiger Toni Söderholm, "bis zu unserem ersten Tor waren wir nicht gut genug." Das war noch freundlich ausgedrückt. "In den ersten 30 Minuten waren wir nicht da", sagte Christensen, was den Auftritt des EHC schon eher beschrieb.

Der Münchner Trainer Don Jackson entschuldigte sich hinterher sogar bei den Fans für den lange Zeit "mangelnden Einsatz" seiner Mannschaft. Warum das ausgerechnet im für beide Fanlager wichtigsten Derby der Saison passierte, "wissen wir selbst nicht", sagte Dominik Kahun, der erneut ein starkes Spiel machte und den 3:3-Ausgleich erzielte (55.), nachdem er bereits das 1:3 eingeleitet hatte. Der EHC habe "wie schon in anderen Spielen" zu Beginn geschlafen, fand der 20-Jährige. Aber er kam zurück. "Wir haben uns in der Kabine gesagt, dass wir aufwachen müssen", erzählte Kahun, mit elf Scorerpunkten der punktbeste Spieler seiner Mannschaft. Der Auftritt der Mannschaft nach dem 0:3 machte ihm Mut. "Wenn wir unser Spiel durchziehen, hat eigentlich keiner eine Chance", sagte er.

Ob dem so ist, kann der EHC schon am Sonntag im zweiten Derby des Wochenendes zeigen. Er tritt dann bei den Nürnberg Ice Tigers an (16.30 Uhr), die am Freitag 0:3 in Straubing verloren und damit auch die Tabellenführung an die Niederbayern abgeben mussten. In Nürnberg treffen die Münchner auf NHL-Veteran Dany Heatley, der in Straubing erstmals ohne Treffer geblieben war. Kahun findet es eine "coole Sache", gegen einen NHL-Superstar "von damals" zu spielen. Er glaubt, das werde "sicher lustig". Wenn der EHC so spielt wie im zweiten Teil der Partie gegen Augsburg, könnte er recht behalten.

© SZ vom 11.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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