Eishockey:Neu einordnen in der Größen­tabelle

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Nach Jahren im Mittelmaß ist der SC Riessersee Zweiter - und muss erst lernen, das neue Erfolgsgefühl zu verarbeiten. Das liegt auch an einer Partnerschaft mit dem EHC München.

Von Christian Bernhard

Toni Söderholm hat in dieser Trainingswoche besonders aufmerksame Spieler vor sich gehabt. "Sie waren neugierig zu erfahren, was los war", sagt der Trainer des Eishockey-Zweitligisten SC Riessersee. Die Garmisch-Partenkirchener blieben am vergangenen Spieltags-Wochenende in der DEL2 ohne Punkte. Die Leistung gegen die Tölzer Löwen (2:3) und die Dresdner Eislöwen (4:5) sei "überhaupt nicht" in Ordnung gewesen, hatte Toni Söderholm geklagt, das Spiel seiner Mannschaft habe "zu viel vom Zufall" gelebt. "Das war wichtiges Lehrgeld für uns."

Der Finne wählte deutliche und seltene Worte, denn das Null-Punkte-Wochenende war das erste der SCR-Saison, die ansonsten glänzend verläuft. Riessersee ist mit 84 Punkte immer noch Tabellenzweiter, sieben Zähler hinter den Bietigheim Steelers. Die "dunkle Jahreszeit", wie Söderholm den Winter nennt, lässt den SCR so hell wie schon lange nicht mehr erstrahlen.

"Zehnmal Deutscher Meister" und "be part of the legend", sei Teil der Legende, ist auf der Vereins-Homepage zu lesen. Doch die glorreiche Vergangenheit liegt lange zurück. Die letzten zwei Spielzeiten beendete der Traditionsverein auf dem neunten Hauptrunden-Platz. Inzwischen ist vieles neu. Nicht nur Kleinigkeiten wie die Verlegung des trainingsfreien Tages von Montag auf Dienstag. Der SCR hat schon jetzt zehn Punkte mehr auf seinem Konto als zum Ende der vergangenen Spielzeit.

Die Ansprüche beim SC Riessersee sind inzwischen gestiegen, auch bei Trainer Söderholm

"Letztes Jahr war letztes Jahr", sagt Söderholm. Der 39-Jährige möchte die zwei Spielzeiten nicht miteinander vergleichen. Die Mannschaft, erklärt er, habe dieses Jahr mehr Qualität. In den Stürmern Richard Mueller und Lubor Dibelka hat der SCR zwei Zweitliga-Topspieler geholt, die die Erwartungen erfüllen und gleichzeitig Druck vom letztjährigen Königstransfer Andreas Driendl genommen haben, der jüngst zugab, er habe in der vergangenen Saison ständig gespürt, etwas zeigen zu müssen. Jetzt ist die Treffer-Last verteilt - und das kommt allen zugute: Mit je 61 Punkten belegen Mueller und Driendl Platz zwei in der Scoringliste der Liga.

Die Ansprüche aber sind gestiegen, auch bei Söderholm. "Wir wollen dieses Jahr viel, viel mehr erreichen", sagt er. Der frühere Verteidiger sieht keinen Grund, warum seine Mannschaft nicht das Playoff-Finale anvisieren sollte. "Ich habe Respekt vor den Gegnern, aber keine Angst." Er hofft, "dass wir eine der Mannschaften sind, die in den letzten Wochen der Saison noch spielen."

Söderholm ist erstmals Chefcoach, in der vergangenen Saison war er noch Teil des Trainerstabs des EHC Red Bull München, nachdem er dort 2016 seine Spielerkarriere beendet hatte. München nimmt immer noch einen zentralen Platz in seinem Leben ein - und das nicht nur, weil er mit seiner Familie dort lebt. "Sein" SCR und der EHC sind durch eine Partnerschaft eng verknüpft, mehrere junge Münchner Spieler sind per Förderlizenz für Riessersee aktiv. Söderholm schwärmt von der Zusammenarbeit mit dem deutschen Meister, "sie könnte nicht besser sein", betont er. Jakob Mayenschein (20 Jahre alt), Andreas Eder (21), Kevin Reich (22) und Maximilian Daubner (20) sind bei ihm Stammspieler und sammeln wertvolle Erfahrung. "Die jungen Spieler sitzen nie auf der Tribüne", sagt Söderholm und stellt klar: "Sie kriegen die Eiszeit nicht geschenkt, sondern sie verdienen sie sich."

Ihm persönlich bringt die Kollaboration mit Münchens Erfolgstrainer Don Jackson viel. Die beiden tauschen sich wöchentlich aus. "Die Tür ist für mich immer offen", sagt Söderholm. Wenn er etwas wissen wolle, könne er jederzeit vorbeischauen. "Es gibt keine Frage, die man nicht stellen kann", sagt er, der Austausch sei "extrem offen". Dadurch ergeben sich für den SCR Möglichkeiten, von denen andere Zweitligisten nur träumen können. Münchens Torwart-Trainer Patrick Dallaire, der in dieser Funktion auch mit der deutschen Olympia-Mannschaft nach Südkorea gereist ist, kommt regelmäßig nach Garmisch-Partenkirchen, um mit Kevin Reich und Matthias Nemec zu arbeiten. Mitte Januar hatte er sogar seinen Mentor Francois Allaire mit dabei, einen der weltweit erfolgreichsten Torhüter-Trainer der vergangenen Jahrzehnte. Die Verzahnung mit dem EHC sei überragend, sagt Söderholm.

Die Siegermentalität hat er mit nach Garmisch-Partenkirchen gebracht: 2007 gewann er mit Finnland die Silbermedaille bei den Weltmeisterschaften, er feierte den finnischen und mit München den deutschen Meistertitel. Die SCR-Spieler dagegen mussten erst lernen, das neue Erfolgsgefühl zu verarbeiten. "Du musst auch mit Siegen umgehen können", sagt Söderholm, "das ist ein großer Teil von großen Mannschaften."

Wie groß seine aktuell ist, könnte das Wochenende zeigen. Nach dem Heimspiel am Freitag gegen den EHC Freiburg reist der SCR am Sonntag zu den Löwen Frankfurt, die als Dritter mit zwei Punkten Rückstand lauern. Söderholm will dabei "meine Mannschaft" erkennen. Die Löwen wieder zu erkennen, dürfte schwieriger werden: Sie haben sich mit Martin Schymainski und Maximilan Faber prominent aus der DEL verstärkt. Die Frankfurter, sagt Söderholm, seien dadurch ein "ganz anderer Gegner" als noch vor ein paar Wochen. In seinen Worten schwang Neugierde mit.

© SZ vom 09.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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