Eishockey:Lernen im Winter

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Große Bühne: Das Spitzenspiel fand in der Münchner Olympiahalle vor 10 000 Zuschauern statt. (Foto: Anna Schnauss/imago)

In einem knappen Spitzenspiel mit emotionalem Ende beweisen die Nürnberg Ice Tigers trotz der Niederlage, dass sich der EHC München gegen kein anderes Team so schwer tut wie gegen sie.

Von Christian Bernhard

Rob Wilson stapfte zügig über das Eis - so schnell, wie man es auf der glatten Eisfläche eben hinbekommt, ohne hinzufallen. Der Trainer der Nürnberg Ice Tigers hatte es eilig, in die Kabine zu kommen, verzichtete bei seinem Gang über die eisige Fläche aber nicht auf ein paar Worte und Handgesten Richtung Schiedsrichter.

Wilson war sauer. Wegen gewisser Entscheidungen der Unparteiischen - und wegen der knappen Niederlage. 2:3 hatten sich seine Ice Tigers am Samstagabend dem EHC Red Bull München geschlagen geben müssen, das entscheidende Tor von Brooks Macek im Spitzenspiel der Deutschen Eishockey Liga (DEL) war eineinhalb Sekunden vor Ende der Verlängerung gefallen. "Die Emotionen in so einem Spiel sind hoch", erklärte Wilson kurze Zeit später auf der Pressekonferenz, wo ihm immer noch anzumerken war, dass ihn diese Niederlage besonders schmerzte.

Ein Befreiungsschlag am Schluss landet nicht in Münchens Zone, sondern am Körper des Linesman

Verständlicherweise: Die Ice Tigers lagen nicht nur bis zur 54. Minute in Führung, sondern hätten zehn Sekunden vor Ende der regulären Spielzeit sogar noch in Unterzahl selbst den Siegtreffer erzielen können. Brett Festerling, der bereits zum 2:1 getroffen hatte, hätte zum Helden werden können - der Verteidiger scheiterte aber aus kürzester Distanz am glänzend reagierenden Münchner Torhüter David Leggio. In den Schlusssekunden der Verlängerung hatten die Franken dann Pech, dass ein Befreiungsschlag von Milan Jurcina nicht in der Münchner Zone, sondern am Körper des Linesman landete. Nur so blieb die Scheibe im Nürnberger Drittel - und Macek brachte die mit 10 000 Zuschauern gefüllte Münchner Olympiahalle mit seinem Tor in letzter Sekunde zum kochen.

Trotz der Niederlage untermauerten die Franken einmal mehr, dass sich der zweifache Meister aus München derzeit gegen kein anderes DEL-Team so schwer tut wie gegen sie. Die drei Gegentore kassierten sie jeweils in Unterzahl, das späte 2:2 sogar bei Drei gegen Fünf. Wilson hatte deshalb kein Problem, das zentrale Aufarbeitungs-Thema des Spitzenspiels zu benennen. "Du darfst gegen München nicht so viel Strafen im dritten Drittel nehmen", erklärte er. Seine Spieler wüssten das, sie seien "genauso wütend und frustriert". Aber so sei Eishockey eben, "besser man lernt es im Dezember als im April".

Bei Fünf gegen Fünf verteidigten die Nürnberger gegen die beste Offensive der Liga sehr konzentriert und clever. Auch im letzten Drittel, als die Münchner den Ausgleich erzielen mussten, ließen die Ice Tigers bis zu den Strafzeiten, die zum späten Ausgleich von Yannic Seidenberg führten (54.), wenig zu. Er wisse nicht, ob seine Mannschaft die Münchner frustriere, sagte Wilson, "aber ich spüre, dass wir eine große Chance haben, erfolgreich zu sein, weil wir als Mannschaft auftreten".

Die Favoritenrolle schob der Nürnberger Coach, der mit seinem Team weiterhin Tabellenführer ist - zwei Punkte vor den Münchnern und den Eisbären Berlin - aber galant an den Münchner EHC: "Wir versuchen, so gut wie sie zu sein. Wir sind es noch nicht, sie sind der zweifache Meister." Wilson findet, dass der Münchner Kader etwas tiefer besetzt sei als seiner. Deshalb hofft er vor allem auf eines: Gesundheit. "Wenn wir ins Halbfinale oder Finale kommen wollen, müssen wir gesund bleiben", erklärte er, "das ist entscheidend für uns." Deshalb achtet das Ice-Tigers-Trainerteam penibel darauf, Spieler nach Verletzungen nicht zu früh in den Spielbetrieb zurückzuholen.

Wilson hat aber keine Scheu davor, seinen sportlichen Traum auszusprechen. "Ich würde es lieben, im Finale gegen München zu spielen", sagte er. Bis dahin sei es aber noch ein weiter Weg, viele Spiele, angefangen vom ersten Heimspiel des neuen Jahres an diesem Dienstag gegen die Iserlohn Roosters (19.30 Uhr), stünden davor noch an. Außerdem gebe es in der Liga "viele große Teams". Ice-Tigers-Torhüter Niklas Treutle hat das besondere Kribbeln zwischen München und Nürnberg aber auch wahrgenommen. Man habe "schon gemerkt, dass es für beide etwas Besonderes war", sagte er. Passend dazu hatte Münchens Nationalspieler Yannic Seidenberg nach Spielschluss in den weitläufigen Katakomben der Olympiahalle noch eine kleine Spitze auf Lager. Auf die Frage, wie hoch er die Wahrscheinlichkeit einschätze, dass sich beide Mannschaften auch in den Playoffs begegnen werden, antwortete er: Das liege an Nürnberg, "ob sie dann noch drin sind, wenn wir noch spielen".

© SZ vom 02.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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