Eishockey:Kopf an Kopf

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Wer ist der beste deutsche Stürmer seiner Zeit? Wer schießt mehr Tore in der Deutschen Eishockey Liga? Das Duell zwischen München und Nürnberg ist auch das Duell zwischen den Angreifern Michael Wolf und Patrick Reimer.

Von Johannes Schnitzler

Torjäger. Das klingt gefährlich. Zumal wenn der Torjäger eine Kanone bei sich führt. Patrick Reimer, 33, Schützenkönig der Jahre 2014 und 2016 in der Deutschen Eishockey Liga (DEL), ein ausgewiesener Torjäger mit gleich zwei Kanonen also, trägt zwar gerne mal Bartmodelle, die jeden Wilderer in die Flucht schlagen würden. Wer den Kapitän der Nürnberg Ice Tigers trifft, trifft aber auf einen überaus freundlichen Gesprächspartner. Dieser Michael Wolf zum Beispiel, sagt Reimer, das sei "ein guter Typ". Er gönne "dem Wolfi" jeden Erfolg.

"Sagt er das?", fragt Michael Wolf. Ja, sagt er. "Oh", sagt Wolf. "Das ist aber nett von ihm. Dann muss ich ja jetzt auch was Nettes über ihn sagen."

Michael Wolf, 35, ist Kapitän des deutschen Meisters EHC Red Bull München, er war 2008 und 2011 bester Schütze der Liga, er ist wie Reimer ein gefürchteter Torjäger. Beide haben in ihrer DEL-Karriere jeweils 278 Tore geschossen, so viele wie außer ihnen kein anderer. An diesem Freitag (19.30 Uhr) treffen sie in München aufeinander. Die Gefahr ist groß, dass sie sich gegenseitig umarmen.

Der Wolfi ist ein guter Typ, sagt also Reimer, und Wolf sagt, "der Reimi", ja, der sei schon auch in Ordnung: "Der ist ja auch ein Allgäuer wie ich, das passt schon." Der Füssener Wolf und der Mindelheimer Reimer messen einander, seit sie zu Beginn des Jahrtausends noch in der zweiten Liga spielten, Wolf für Bietigheim und Essen, Reimer für Kaufbeuren. Sie haben zusammen für die Nationalmannschaft und bei Weltmeisterschaften gespielt, Seite an Seite. Und immer waren sie auch Konkurrenten. Darum, wer der beste deutsche Stürmer seiner Zeit ist. Und darum, wer in der DEL die meisten Tore schießt. In der vergangenen Saison übernahm Reimer die Führung. Dann überholte ihn Wolf.

"Wir sind beide Mannschaftsspieler, insofern ist erst mal wichtig, dass das Team gewinnt", sagt Reimer. "Aber natürlich ist es schön, wenn man trifft und weiß, dass man die Nummer eins ist." Wolf, dessen Ehrgeiz Teamkollegen rühmen, sagt: "Wenn das jetzt das letzte Spiel unserer Karriere wäre, ja . . ." Dann wäre es zumindest interessant, wer am Ende vorne liegt, soll das wohl heißen. "Aber der Patrick ist ja jünger als ich, und ich will auch noch das eine oder andere Spiel machen, also . . ." Also geht das Kopf-an-Kopf-Rennen weiter.

München gegen Nürnberg, das waren in der Vergangenheit torreiche Duelle. Zum Beispiel jenes 7:5 für den EHC im Januar 2014, als die Münchner schon 3:0 führten, Nürnberg ausglich, München abermals auf 6:3 davonzog, ehe Reimer mit zwei Treffern kurz vor Schluss die Partie noch einmal spannend machte. Seitdem hat sich einiges verändert. Wolf stürmte damals noch in Iserlohn, und der Torwart der Münchner spielt heute für Nürnberg: Jochen Reimer, Patricks Bruder.

München ist Titelverteidiger und Tabellenführer und hat dank eines nur punktuell ergänzten Kaders seine Defensive stabilisiert. Nürnberg, Tabellenachter, hat nach holperigem Start am Montag mit einem 2:0 gegen Ingolstadt nicht nur seinen ersten Heimsieg gefeiert, sonder auch das erste Zu-null-Spiel dieser Saison. "Allmählich stimmen die Ergebnisse mit dem Aufwand überein, den wir betreiben", sagt Reimer. In der Hintermannschaft hatten die Ice Tigers den größten Umbruch zu bewältigen. Gegen München sei es vor allem wichtig, dem Team von Don Jackson nicht viele Chancen zu geben: "Wir kennen Dons System und wissen, dass wir unter Druck stehen werden. In der Offensive sind sie wirklich stark." Was nicht zuletzt an Wolf liegt.

Je konzentrierter die Abwehrreihen arbeiten, umso entscheidender könnten die beiden Torschützen vom Dienst in diesem Duell sein. Schon möglich sagt Wolf: "Aber das ist ein Luxusproblem, ob jetzt ein Wolf oder ein anderer bei uns die Tore schießt. Wir haben einen tiefen Kader." Auch ohne fünf Verletzte (Rogl, Ramoser, Pinizzotto, Kettemer, Mauer) müsse man eben seine Chancen nützen. "Wir hätten auch gegen Växjö am Dienstag mehr Tore machen müssen", sagt Wolf. Gegen die Schweden langte es in der Champions League am Ende trotz vieler Gelegenheiten nur zu einem 1:1. Auch Wolf, der in fünf CHL-Spielen immerhin drei Tore geschossen hat, ging leer aus.

In der DEL ist Wolf bislang torlos. Anders Reimer, der schon vier Mal getroffen hat. Wenn er am Freitag wieder kein Tor schießen und der EHC dennoch gewinnen würde, würde der "Wolfi" dem "Reimi" wohl trotzdem ein Erfolgserlebnis gönnen. Es ist ja noch nicht das letzte Spiel ihrer Karriere.

© SZ vom 07.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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