Eishockey:Junger Hoffnungsträger

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Der deutsche Eishockeyprofi Tobias Rieder. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Beim Sieg in Nürnberg kehrt Tobias Rieder aus der US-Profiliga NHL ins DEB-Team zurück. Geglänzt hat er in müdem Zustand noch nicht, das muss er bald bei der WM in Köln.

Von Max Ferstl, Nürnberg/München

Tobias Rieder zog ein paar ganz ansehnliche Sprints an. Einmal transportierte er in Überzahl den Puck tief hinein ins Angriffsdrittel. Er stand auch auf dem Eis, als Brent Raedeke die DEB-Auswahl 1:0 in Führung brachte. Ansonsten spielte Tobias Rieder, der einzige NHL-Profi im deutschen Team am Samstag, auffällig unauffällig. Es glänzten andere, etwa Yasin Ehliz, der drei Tore zu Deutschlands 7:4-Sieg in Nürnberg beisteuerte.

Aber das war so einkalkuliert: Rieder hatte ja erst am Dienstag das Training aufgenommen und sich nach einer kräftezehrenden Saison mit den Arizona Coyotes noch etwas "wackelig" gefühlt. Spielen wollte er aber sofort bei seiner Heimkehr nach Bayern, da konnte ihn auch der Bundestrainer Marco Sturm nicht stoppen, der ihn in den ersten Tagen eher dosiert fordern wollte. Der Rechtsaußen Rieder hat in Nürnberg am Ende zwar nicht geglänzt, aber glänzen muss er ja auch noch nicht in einem relativ unbedeutenden Testspiel. Sondern in knapp zwei Wochen, wenn für die deutsche Nationalmannschaft die Weltmeisterschaft in Köln beginnt.

Rieder wird dann eine tragende Rolle zukommen. "Er bringt Ruhe und Qualität rein wie kein anderer", lobt ihn Sturm. Der Bundestrainer schätzt den 24-Jährigen, was auch daran liegt, dass sich die beiden durchaus ähnlich sind. Beide sind gebürtige Niederbayern, haben ihre Karrieren beim EV Landshut gestartet und sind dann den steinigen Weg in die NHL gegangen, in die beste Eishockeyliga der Welt. Vor allem aber praktizieren beide einen ähnlichen Spielstil.

Rieder soll Verantwortung in der Nationalmannschaft übernehmen

Rieder ist in erster Linie Stürmer. Und als solcher ziemlich erfolgreich: In der vergangenen Saison hat er 16 Tore für die Arizona Coyotes geschossen, zwei mehr als im Vorjahr, sein persönlicher Bestwert. Andererseits beherrscht Rieder auch die Kunst des Verteidigens, die so mancher Sturmkollege eher als lästige Pflicht betrachtet. Rieder steht sowohl in Überzahl als auch in Unterzahl auf dem Eis. So einen haben Trainer gerne in ihren Reihen. "Er hatte ein wirklich beständiges Jahr, vor allem die vergangenen Wochen waren richtig gut", lobte sein Klubtrainer Dave Tippett.

Auf den Rest seines Teams trifft das eher nicht zu. Die Coyotes haben eine schlechte Spielzeit hinter sich, nur Colorado und Vancouver gewannen seltener. Als im Februar feststand, dass das Team wieder einmal die Playoffs verpassen würde, schickte man Leistungsträger wie Martin Hanzal und Michael Stone weg. Im Gegenzug erhielten die Coyotes wertvolle Wahloptionen für die Drafts, die alljährliche Talentschau, wo die Klubs die vielversprechendsten Nachwuchsspieler untereinander aufteilen. Die Verantwortlichen opferten Qualität und hoffen auf eine bessere Zukunft. Für Rieder bedeutete das: mehr Verantwortung.

Er ist 24, also immer noch jung, aber verglichen mit den anderen im Team durchaus erfahren. Rieder hat inzwischen über 200 NHL-Spiele absolviert. Er hat nach seiner dritten Saison das Gefühl, dass er sich etabliert hat und "ein Teil der Liga" ist. Nun soll er die Verantwortung auch in der Nationalmannschaft übernehmen.

Rieder könnte bei der WM der einzige deutsche Angreifer aus der NHL bleiben

Dort lief es jedoch für Rieder bisher eher mittelprächtig: Bei der WM 2016 in Russland verletzte er sich just in dem Moment am Knie, als das Team ins Rollen kam. Im vergangenen Herbst, als sich Deutschland in Riga für Olympia 2018 qualifizierte, glänzten vor allem die NHL-Kollegen Tom Kühnhackl und Leon Draisaitl. Ob beide bei der Weltmeisterschaft dabei sein werden, ist noch unsicher. Ihre Klubs, die Pittsburgh Penguins und Edmonton Oilers, vermitteln derzeit nicht den Eindruck, dass sie so bald aus den Playoffs ausscheiden würden. Pittsburgh hat schon die zweite Runde erreicht, und auch die Anaheim Ducks von Verteidiger Korbinian Holzer sind weiter.

Beim Deutschen Eishockey-Bund verfolgen sie das Geschehen in der NHL daher mit gemischten Gefühlen: "Dieses Jahr würde ich mir aus rein egoistischen Gründen wünschen, dass Leon nicht so weit kommt. Danach kann er gern jedes Jahr ganz lange Playoffs spielen", gibt Kapitän Christian Ehrhoff im Gespräch mit dem Kölner Stadt-Anzeiger zu. Am Montag werden immerhin Thomas Greiss, 31, und Dennis Seidenberg, 35, zur Mannschaft stoßen. Ihr Team, die New York Islanders, hat die Playoffs knapp verpasst. "Zu beiden musste ich nicht viel sagen", berichtet Sturm. Er wird bald eine zentrale Achse formieren können: Greiss im Tor, Seidenberg als Stabilisator in der Verteidigung. Vorne, da soll sein Nachfolger Rieder wirbeln. Und gleichzeitig für Ruhe sorgen. Er kann ja beides.

© SZ vom 23.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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