Eishockey:Jahrgang 2026

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Aus der Zwickmühle befreit: Dominik Kahun (Mitte) und die deutschen Eishockey-Spieler hatten gegen die USA endlich ein Erfolgserlebnis. (Foto: Sebastian Widmann/Getty Images)

Dominik Kahun, Maximilian Kammerer und Co.: Beim Deutschland Cup üben die angehenden Stützen der Eishockey-Nationalmannschaft schon mal für ihre künftige Führungsrolle.

Von Johannes Schnitzler, Augsburg

Ungefähr zwei Minuten nach dem 1:5 gegen Deutschland, ihrer dritten Niederlage im dritten Turnierspiel, hatten die amerikanischen Eishockeyspieler diesen Deutschland Cup abgehakt. Um wenigstens eine positive Erinnerung daran zu behalten, posierten sie mit ihren Frauen, Freundinnen und dem gesamten Stab auf der Eisfläche des Augsburger Curt-Frenzel-Stadions für Gruppenfotos. Der Deutschland Cup ist für Profis aus Nordamerika, die in Europa ihr Geld verdienen, immer auch ein großes Familientreffen. Ehe die deutschen Spieler die Mixed Zone für Interviews betreten konnten, promenierten Spielerfrauen und Kinder des Teams USA durch den Kabinentrakt. Auch Kinder in schwarz-rot-goldenen Trikots tanzten durch die Erwachsenen, die meisten davon um Kapitän Yannic Seidenberg herum, die zu ihrem Papa wollten. Im Mittelpunkt stand am Sonntagabend aber Dominik Kahun. Der 22-Jährige hat noch keine Kinder. Um Nachwuchs ging es trotzdem.

Der Mittelstürmer des deutschen Meisters EHC Red Bull München hatte das Team des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) gegen die nicht mehr ganz so fokussierten Amerikaner zum Sieg geführt. Drei Tore bereitete Kahun vor, er erhielt die Auszeichnung als wertvollster Spieler - und ein außergewöhnlich dickes Lob vom Bundestrainer: "Er hat ein klasse Turnier gespielt, sehr viel Eiszeit bekommen und ist immer besser geworden", sagte Marco Sturm. Nach einer Turnierleistung seiner Mannschaft, die Sturm als "insgesamt solide" bezeichnete, war die Eloge auf Kahun ein Ritterschlag für den Münchner, der in der Liga einige Wochen verletzt aussetzen musste. "Das tut gut", sagte Kahun, "das gibt mir Selbstvertrauen."

Kahuns Schlittschuhtechnik und Passsicherheit prädestinieren ihn als Anführer

Den Debütanten Stefan Loibl und Andreas Eder riet er, sie sollten "frei aufspielen", sie hätten ja keinen Druck. Beim Deutschland Cup könne man "sich zeigen". So wie er selbst gegen die USA, als er hinter dem Tor von Ryan Zapolski die Scheibe eroberte, zu Maximilian Kammerer passte und der direkt weiterleitete zu Frank Mauer zum 1:0. Der Düsseldorfer Außenstürmer Kammerer, der mit der Erfahrung von ganzen zwei Länderspielen angereist war, zeigte in Augsburg nicht nur seine Schnelligkeit, sondern auch ein ähnliches Spielverständnis wie Kahun. Beide suchen das überraschende Element, entscheiden sich auch mal für den riskanten Pass. "Sie haben ein paar Fehler gemacht", sagte Sturm über sein Youngster-Trio - und sah zugleich großzügig darüber hinweg: "Aber sie haben hier tolles Eishockey gespielt."

Kahun, gerade einmal ein Jahr älter als Eder, Loibl und Kammerer, darf sich bereits zu den Gesetzten zählen für die Olympischen Winterspiele in Südkorea (9. bis 25. Februar). "Er ist ein wichtiger Mann für uns, gerade weil Leon Draisaitl nicht dabei ist", sagte Sturm. Der beste deutsche Eishockey-Spieler erhält wie alle NHL-Profis keine Freigabe von der Liga. Kahuns Stock- und Schlittschuh-Technik, seine Passsicherheit und Handlungsschnelligkeit prädestinieren ihn für eine Führungsrolle, wie Draisaitl sie innehat, besonders in Überzahl. Gut zu erkennen war das am Sonntag, als der im tschechischen Plana geborene Spielmacher dem Münchner Brooks Macek mit einem präzisen Pass durch die Zone das 3:0 servierte. "Wir haben das gleiche Powerplay wie in München gespielt, mit Yannic an der blauen Linie. Das hat es einfacher gemacht", sagte Kahun. "Ich verteile gerne Rollen", sagt Sturm.

Die deutsche Mannschaft steigerte sich von der 2:8-Pleite gegen Russland über das 0:3 gegen die Slowakei bis zum 5:1 gegen die USA. "Heute haben wir bewiesen, dass wir es besser können", sagte Kahun: "Wir können es ja." Warum sollte er also nicht eine Rolle spielen können wie Draisaitl, der ehemalige Teamkollege im Mannheimer Nachwuchs? Das nötige Selbstbewusstsein bringt Kahun jedenfalls mit. Ganz grundsätzlich findet er: "Wir sollten uns mehr trauen. Manchmal zeigen wir zu viel Respekt."

Der DEB und sein Bundestrainer würden Talente wie Draisaitl und Kahun, die derzeit noch Solitäre sind, in Zukunft gerne in größerer Zahl dem Publikum vorführen. Im Hinblick auf Pyeongchang ist Sturms Auswahl nach der NHL-Blockade aber begrenzt. Deshalb verkündete DEB-Präsident Franz Reindl am Sonntag die Verlängerung des Kooperationsvertrags mit der Deutschen Eishockey Liga (DEL) bis 2026. Die Laufzeit korrespondiert nicht zufällig mit dem Förderprogramm "Powerplay 26" des DEB. Dessen Ziel ist es, dass die deutsche Mannschaft künftig international um Medaillen mitspielt. "Wir haben mit dem Jahrgang 2002 begonnen", sagt Reindl: "Die Spieler, die 2026 bei Olympia antreten werden, sind schon geboren."

Sturm, der im Dezember die U20 zur WM begleiten wird, hat sich in den ersten Gesprächen über eine Verlängerung seines Kontrakts über 2018 hinaus ein ganzes Maßnahmenpaket zur Nachwuchsförderung gewünscht, etwa die Installation eines U23-Teams. Reindl sagt, es gebe "keinen Kernpunkt, der zum Knackpunkt werden könnte". Die rund zwei Millionen Euro Gewinn, die der DEB von der im Mai gemeinsam mit Frankreich ausgetragenen WM erwartet, "setzen wir für die Zukunft des Sports ein". Wie die Gegenwart bis zum Beginn dieser Zukunft aussieht? Sturm sagt: "Es liegt nur an den Jungs." Mit 30 Jahren wird Dominik Kahun 2026 im besten Führungsspieleralter sein.

© SZ vom 14.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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