Eishockey:Geplante Körperlichkeit

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Die Nürnberg Ice Tigers halten die Iserlohn Roosters im Viertelfinale der DEL-Playoffs auch mit Härte auf Distanz. 3:1 führen die Franken bereits, die Serie könnte vor Ostern entschieden sein.

Von Christian Bernhard

Plötzlich wurde das Nürnberger Publikum besonders laut. Zwei Schiedsrichterentscheidungen innerhalb kurzer Zeit hatten den Zuschauern überhaupt nicht gefallen, woraufhin ein massives Pfeifkonzert ausbrach und von den Rängen aus einige Objekte dahin flogen, wo sie nichts zu suchen haben: auf die Eisfläche. Offenbar war sogar ein Gebiss unter den Flugobjekten, jedenfalls verkündete der Stadionsprecher, dass ein solches gefunden worden und nach der Partie abzuholen sei.

Man muss diesen Moment aus dem vierten Playoff-Viertelfinalspiel der Nürnberg Ice Tigers gegen die Iserlohn Roosters hervorheben, denn es war der einzige, der die Nürnberger Zuschauer am Dienstagabend in der mit knapp 8000 Zuschauern ausverkauften Eis-Arena nicht berauscht hat. Mit 7:1 fegten die Ice Tigers über Iserlohn hinweg, in der Best-of-seven-Serie liegen sie damit jetzt 3:1 in Führung. Der erste Nürnberger Halbfinaleinzug seit 2007 ist nur noch einen Sieg entfernt, was das Publikum zu "Oh, wie ist das schön"-Gesängen verleitete. Noch beeindruckender als das Ergebnis war allerdings die Körperlichkeit, mit der die Franken die Roosters zermürbt hatten.

Eishockey mit Biss: Nürnbergs Alexander Oblinger bejubelt sein Tor zum zwischenzeitlichen 7:0 gegen Iserlohn. (Foto: Imago)

Kaum standen die Iserlohner nur annähernd in Banden-Nähe, wurden sie von einem Ice Tiger in dieselbe gedrückt - meist krachend und fast immer regelkonform. "Mehr als 150" rechnete Verteidiger Marco Nowak hinterher genüsslich vor - so viele Checks habe das Nürnberger Team den Iserlohnern in den ersten vier Viertelfinalspielen verpasst. Jean-Philippe Cote kann das bestätigen. Stellvertretend für die physische Unterlegenheit der Sauerländer stand jene Szene des Roosters-Verteidigers, als er nach einem harten, aber fairen Check von Ice-Tigers-Angreifer Brandon Segal in die Knie ging, sekundenlang etwas verwirrt umherschaute und sich schütteln musste, ehe er sich langsam auf den Weg zu seiner Bank machen konnte.

Manchmal können zu viele Körperkontakte im Eishockey ein Indiz dafür sein, dass man dem Gegner hinterher hechelt und ihn vor allem in die Bande drückt, weil man im Spiel stets einen Schritt zu spät kommt. In diesem Playoffduell allerdings hat Nürnberg die Körperlichkeit zur Taktik erhoben. Die Roosters, die in der Hauptrunde die meisten Tore aller DEL-Teams erzielt haben, weil sie schnell und zielstrebig nach vorne spielten, wirken gegen die Ice Tigers an der Scheibe hektisch. Offenbar, weil sie im Hinterkopf haben: Vorsicht, gleich kommt einer dieser großen Nürnberger und drückt mich in die Bande. "Man merkt: Wenn sie in die Ecken gehen, schauen sie sich schon um", sagte Stürmer Marius Möchel, der sich in Nürnberg und Umgebung aufgrund seiner leidenschaftlichen Spielweise in den ersten Viertelfinal-Partien den Spitznamen "Playoff-Monster" erarbeitet hat. "Wenn du als Verteidiger ständig gecheckt wirst, wenn du zur Scheibe gehst, hast du irgendwann keine Lust mehr", fügte Nowak an. Das sei der Grund, "warum wir die Spiele gewinnen".

In den Playoffs wird Eishockey grundsätzlich noch einmal physischer - darauf haben die Franken gewartet. Nürnbergs Sportdirektor Martin Jiranek hatte bereits zum Start der Saison erklärt, die Mannschaft sei für die Playoffs zusammengestellt worden. Das haben die Ice Tigers im Viertelfinale bislang eindrucksvoll untermauert. "Die Intensität zeichnet uns aus", betonte Möchel. "Wir sind für die Playoffs gemacht, wie der Manager schon immer gesagt hat." Beeindruckend ist derzeit auch die Nürnberger Ausgeglichenheit.

Waren die Ice Tigers zuletzt oft von ihren zwei Topstürmern Patrick Reimer und Steven Reinprecht abhängig, haben jetzt nach nur vier Playoffspielen alle Feldspieler mindestens einen Scorerpunkt geholt. Die sieben Tore am Dienstag gingen auf das Konto von sieben verschiedenen Spielern. Komplettiert wird das Kollektiv von einem ruhig und stark spielenden Tyler Beskorowany im Tor.

Martin Jiranek aber gefällt die Euphorie nicht, die in Nürnberg gerade Einzug hält. Der Sportdirektor und Co-Trainer gab sich nach dem klaren Sieg sehr diplomatisch und warnte: "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht anfangen zu glauben, wie gut wir sind." Es liege eine Gefahr darin zu meinen, die Serie gehe jetzt von alleine zu Ende. "Das ist genau der Gedanke, den du nicht haben darfst." Innerlich weiß aber auch er: Wenn seine Mannschaft so weiterspielt wie bisher, wird sie diese Serie für sich entscheiden - womöglich schon im fünften Spiel am Donnerstag (19.30 Uhr) in Iserlohn.

© SZ vom 24.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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