Eishockey:Fragezeichen im Kopf

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Titelverteidiger München vergibt gegen engagierte Berliner auch den zweiten Matchball im DEL-Endspiel. Nach der 3:5-Niederlage fällt die Entscheidung damit am Donnerstag.

Von Christian Bernhard, Berlin

Die Playoffs sind die intensivste Phase in der Eishockey-Saison, im Zwei- Tages-Rhythmus treffen die Kontrahenten aufeinander. Dabei geht es nicht nur darum, den Gegner sportlich zu beherrschen. Viel spielt sich im mentalen Bereich ab. "Playoffs sind immer Kopfsache", sagt Andre Rankel. Der Kapitän der Eisbären Berlin weiß wovon er spricht, er bestreitet derzeit seine achte Endspiel-Serie um die Meister-Trophäe der Deutschen Eishockey Liga.

So wie sein Teamkollege Frank Hördler. Der erfahrene Verteidiger erklärte am Sonntag, man versuche beim Gegner des EHC Red Bull München "immer irgendwie Fragezeichen im Kopf" zu schaffen. Seine Eisbären hatten dem soeben durch einen spektakulären 6:5-Sieg nach Verlängerung die Meisterfeier im heimischen Stadion vermasselt. "Wir werden sehen, wie sie damit umgehen", fügte Nationalspieler Hördler in der Münchner Abendsonne an.

Seit Dienstag sind die Münchner Fragezeichen noch größer. Berlin gewann in der mit 14 200 Zuschauern ausverkauften heimischen Arena in Berlin auch Spiel sechs der Finalserie, diesmal deutlich mit 5:3 (1:1, 1:0, 3:2). Damit steht es in der Best-of-seven-Serie 3:3, der Titel wird nun am Donnerstagabend in einem alles entscheidenden siebten Spiel in München vergeben. Das gab es in der DEL zuletzt im Jahr 2014, als der ERC Ingolstadt in Spiel sieben in Köln die Meisterschaft klar machte. Eisbären-Trainer Uwe Krupp hatte nach dem wilden 6:5 betont, er denke "nicht voraus". Wenn es zu Spiel sieben kommen sollte, sagte er, "kümmern wir uns darum". Nun kann er sich darum kümmern.

Berliner Sandwich: Eisbären-Profi James Sheppard (in rot) wird von drei Münchnern in die Zange genommen. (Foto: Boris Streubel/Getty Images)

Die Berliner nahmen am Dienstag von Beginn an den Schwung vom Sonntag mit, sie begannen entschlossen und dominant. Nach acht Spielminuten lautete das Schussverhältnis 8:0 zugunsten der Eisbären, die zu diesem Zeitpunkt völlig verdient führten. Olympia-Silbermedaillengewinner Jonas Müller hatte Louis-Marc Aubry mit einem sehenswerten Querpass durch das Münchner Drittel auf die Reise geschickt, und der erfolgreichste Playoff-Torschütze bezwang Münchens National-Torhüter Danny aus den Birken aus kurzer Distanz mit einem Schuss unter die Latte (4.). Doch wie schon beim letzten Spiel in Berlin hatte der Titelverteidiger eine eiskalte Antwort parat: Verteidiger Konrad Abeltshauser überwand Eisbären-Torwart Petri Vehanen mit einem platzierten Flachschuss nach einem schönen öffnenden Pass vom DEL-Spieler des Jahres, Keith Aucoin (9.). "Wir wollten besser starten und waren froh, so früh den Ausgleich erzielt zu haben", sagte Münchens Nationalspieler Patrick Hager. Auch danach spielte sich das Geschehen hauptsächlich vor aus den Birken ab, die größte Chance zur Führung vor der ersten Drittelpause vergaben aber die Gäste durch Steve Pinizzotto (18.).

Im Mitteldrittel ließ der EHC zu Beginn eine 1,38-minütige Vier-gegen-Drei-Überzahlsituation ungenutzt und kassierte kurz danach das 1:2, weil Jason Jaffray einen Querpass von James Sheppard in sein eigenes Tor abfälschte (23.). Eine Minute später erhöhte Sean Backman direkt vor aus den Birken fast auf 3:1 für die Eisbären. Nachdem die Münchner ihr erstes Unterzahlspiel überstanden hatten, steigerten sie sich offensiv. In Erscheinung traten dabei die Münchner Verteidiger: Florian Kettemer (29., 32.) und Yannic Seidenberg (33.) tauchten gefährlich vor Vehanen auf, doch der 40-jährige Finne hielt mehrfach stark. "Vehanen, oho"-Chöre hallten durch die Berliner Arena. Trotz der spielerischen Steigerung kamen in dieser Phase beim Meister die Nerven ins Spiel. Jaffray warf wutentbrannt seine Handschuhe weg, als er nach einem Zweikampf mit Jens Baxmann zur Behandlung in die Kabine musste, Pinizzotto musste aufgrund eines Fouls nach dem Pfiff des Schiedsrichters auf die Strafbank, wo sich Konrad Abeltshauser zu ihm gesellte. Der EHC-Verteidiger hatte eine zehnminütige Disziplinarstrafe für unsportliches Verhalten aufgebrummt bekommen. "Wir spielen diszipliniert", sagte Berlins Angreifer Thomas Oppenheimer nach dem Mitteldrittel. "Wir wissen, was wir zu tun haben."

Frustriert und angeschlagen: Münchens Dominik Kahun (links) kümmert sich um seinen verletzten Teamkollegen Jason Jaffray. (Foto: Gregor Fischer/dpa)

Das untermauerten sie eindrucksvoll. Im Schlussdrittel reichten den Berlinern zwölf Sekunden, um in Überzahl auf 3:1 zu erhöhen. Jamie MacQueen verwertete einen Abpraller von aus den Birken zum 3:1 (41.). Vier Minuten später stellte Daniel Fischbuch nach einem Konter auf 4:1. Der Münchner Widerstand war gebrochen - daran änderten auch die späten Treffer von Mads Christensen (58.) und Jaffray (59.) nichts mehr, da Rankel dazwischen ins leere Tor traf (58.). Nach dem 6:5 in München hatte Oppenheimer auf die Frage, ob das Momentum nun bei Berlin oder immer noch bei München sei, geantwortet: "Ich hatte noch nie das Gefühl, dass es bei München war." Seit Dienstagabend ist es definitiv auf Berliner Seite.

© SZ vom 25.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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