Eishockey:Entspanntes Gleiten

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Mit seiner souveränen Titelverteidigung sendet der EHC München ein alarmierendes Signal an die nationale Konkurrenz: Die Mannschaft ist gerade dabei, eine neue Ära einzuleiten.

Von Christian Bernhard, München

Ein paar goldene Konfetti-Schnipsel, die anscheinend bei keiner Pokalübergabe mehr fehlen dürfen, hatten es am Montagabend sogar in die Kabine des EHC Red Bull München geschafft. Dort sorgten sie dafür, dass der Boden nicht nur von leeren Bierkisten und Zigarrenstummeln bedeckt war. Wie es dem Meister-Pokal dort erging, ist nicht bekannt. Fakt ist, dass ihn der Stürmer Jason Jaffray am Dienstag unter die Dusche stellte, um ihn "für Tag zwei" bereitzumachen. Der zweite EHC-Meistertitel in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) hatte die üblichen Gepflogenheiten in der Münchner Olympia-Eishalle außer Kraft gesetzt, Familienangehörige und Freunde, Klub-Angestellte und später sogar Fans hatten das Eis gestürmt. Die Münchner Nordamerika-Fraktion griff im Minutentakt auf das Wort unbelievable zurück - unglaublich.

Einer, der auf dem überfüllten Eis den Überblick behalten hatte, war Mads Christensen. Der außerhalb der Spielfläche stets gelassene Däne machte eine kurze Pause, als er auf den erneuten Titelgewinn angesprochen wurde - und sagte dann Dinge, die die ohnehin schon beeindruckte DEL-Konkurrenz noch mehr beunruhigen dürften. Es solle nicht respektlos gegenüber der Konkurrenz klingen, sagte Christensen also, "aber ich finde, wir sind ein bisschen gecruised". Sprich: entspannt zum Titel geglitten. Er habe so etwas noch nie erlebt, "wir waren brutal stark", betonte der Stürmer. Christensen fand es "ein bisschen komisch", dass man in den ganzen Playoffs nur zwei Spiele verloren habe. Noch komischer ist nur, dass das den Münchner im vergangenen Jahr auch schon gelungen war. Ihre Playoff-Bilanz von 24:4 Siegen und 98:45 Toren in diesem Zeitraum spricht für sich.

Wolfsburgs Manager Charly Fliegauf räumte noch schnell seinen Anzug ins Auto, bevor er die Rolle der Münchner in der Liga einordnete. "Wir sind an einer Mannschaft und Organisation gescheitert, die momentan die beste ist. Das muss man ganz klar sehen." Ob beim EHC der erste oder vierte Sturm auf dem Eis stehe, mache keinen Unterschied, unterstrich er. Passend dazu fielen drei der vier EHC-Tore im letzten Finalspiel dann, als die nominell vierte Angriffsreihe auf dem Eis war. Fliegauf traut den Münchnern zu, eine ähnliche Ära zu prägen, wie es den Eisbären Berlin vor einigen Jahren mit Don Jackson als Trainer gelungen war. Die Münchner Stärke, so seine Analyse, sei aber auch eine Schwäche anderer Teams wie Mannheim oder Köln. Es gebe "fünf, sechs andere Klubs, die den Job scheinbar nicht so gut machen, weil sonst wären sie näher dran", sagte er. Für diese müsse der Münchner Erfolg Ansporn sein, dagegenzuhalten.

Mads Christensen kennt das erfolgreiche Berliner Kapitel, er hat vier Jahre lang daran mitgeschrieben. Die aktuelle EHC-Dominanz ist aber auch für ihn neu. "Mit den Eisbären", sagte er, "habe ich nicht so einfach gewonnen." Yannic Seidenberg, der zum wertvollsten Spieler der Finalserie gewählt wurde, sieht Potenzial für noch mehr. Der Klub sei von der ersten bis zur letzten Stelle top aufgestellt, betont er und hofft, dass es dem EHC gelingt, einen ähnlichen Weg wie Berlin einzuschlagen. "Den Don haben wir ja hier", sagte er schmunzelnd, "da kann nichts schiefgehen."

Der Don hört auf den Nachnamen Jackson und war - wie könnte es in der DEL auch anders sein - der Architekt des neuerlichen EHC-Triumphs. Jackson bestätigte, dass er auch in der kommenden Saison beim EHC sein werde; zudem erklärte er nach seinem siebten Meistertitel in Deutschland, beide Münchner Triumphe seien "großartig und emotional". Wie es sich für einen guten Gewinner gehört, vergaß er im Moment des Triumphs nicht die Verlierer und machte sich noch während der Eis-Party auf den Weg zum Wolfsburger Bus, um dem Finalgegner zu gratulieren. Seine Spieler texteten ihm währenddessen eine Lobeshymne nach der anderen. "Du kannst keinen besseren Trainer haben", betonte Christensen. Jackson sei schlau, ruhig, intensiv - "einfach ein Meistertrainer". Und was ist Jacksons Geheimnis? "Er liebt jeden Spieler", erklärte Konrad Abeltshauser: "Er will, dass jeder Spieler Erfolg hat." Matt Smaby wurde beinahe philosophisch, als er auf seinen Trainer zu sprechen kam: "Unser Team hat eine Struktur, aber innerhalb dieser gibt es die Freiheit, dass du so sein kannst, wie du bist. Don ermöglicht es jedem Spieler, das Bestmögliche aus sich rauszuholen."

Der Lieblingsspruch von Trainer Don Jackson: Es gibt keine Grenze fürs Gewinnen

Damit scheint Jackson dem Klinsmann'schen Ideal, jeden Spieler jeden Tag besser zu machen, zumindest nahe zu kommen. Seidenberg sieht in Jacksons Führungsstil einen zentralen Grund, "warum ich und andere Spieler im Team noch einmal einen Schritt nach vorne gemacht haben". Damit wurde einer von Jacksons Lieblingssprüchen bestätigt: "There is no limit to winning" - es gibt keine Grenze fürs Gewinnen. Den hatte Christensen noch verraten, bevor er von Torhüter Danny aus den Birken einen Freudenkuss abbekam - und wieder zurück in die Party gezogen wurde.

© SZ vom 19.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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